Wo sind die großen Politiker?

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 16.06.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Frankfurter Börsenbrief

Die Unbeholfenheit und mangelnde Kompromissfähigkeit der westlichen Politik nimmt die Märkte kurzfristig in einen Zangengriff. Es ist verwunderlich, wie leichtfertig die Politik sowohl in den USA als auch in Europa mit einem Markt umgeht, der sich gerade erst mühsam aus der Finanz- und Vertrauenskrise herausarbeitete und dabei immer noch nicht genug Speck auf den Rippen hat, um neue Verwerfungen und Unsicherheiten ohne Blessuren wegzustecken. Effekt:


 

Den Märkten fehlt der kalkulierbare Rahmen, in den man neue Risikopositionen bauen kann. Als die US-Wirtschaft im letzten Sommer schon einmal stotterte, initiierte die Fed ihr QE2-Programm. Inzwischen mehren sich die Zeichen für eine nochmalige Verlangsamung, und die US-Arbeitslosenrate zeigte schon zwei Monate in Folge einen Anstieg. Das US-Wirtschaftswachstum im ersten Quartal war (für amerikanische Verhältnisse) flau mit 1,8 %. Doch von großen Gegenmaßnahmen ist derzeit wenig zu sehen. Im Gegenteil: Republikaner und Demokraten konnten sich immer noch nicht auf die Erweiterung des Schuldenlimits und auf ein langfristiges Programm zur Schuldenpolitik einigen. Unterdessen scheint sich das wirtschaftspolitische „Dream-Team“ von Obama aufzulösen. Dabei gibt es inzwischen eine Reihe prominenter Warnungen. Dazu gehören die Rating-Agenturen Moody ́s und Standard & Poor ́s, die laut über eine mögliche Abstufung der US-Kreditwürdigkeit nachdachten. Fitch drohte sogar an, die Kreditwürdigkeit von AAA auf Ramsch-Niveau abzusenken, falls Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten würden. Zuletzt warnte auch Notenbank-Chef Bernanke davor, mit dem Vertrauen der Investoren zu spielen, wenn es um die Fähigkeit und den Willen zur Bedienung von Staatsverbindlichkeiten gehe. Die Wahrscheinlichkeit für eine „Last-Minute“-Einigung ist weiterhin hoch. Aber Vertrauensaufbau sieht im jetzigen Umfeld natürlich anders aus.

Europa macht leider ebenfalls einen unbeholfenen Eindruck. Was in Berlin aus Gründen der Wiederwahl  vielleicht zu wenig wahrgenommen wird: Deutschland erhält mit der europäischen Schuldenproblematik die echte Chance, Europa-Geschichte zu schreiben. Und dabei ist es völlig unsinnig, nur die Kosten zu sehen, ohne den gewaltigen Vorteil, den Deutschland aus dem Euro-Projekt zieht und bereits gezogen hat. Ohne den Euro hätte die Deutsche Mark so stark aufgewertet bei tendenziell gleichzeitiger Abwertung des Franc, der Lira, Peseta usw., dass die Verbesserung in der deutschen internationalen Wettbewerbsfähigkeit sehr markant schwerer zu erzielen gewesen wäre. Deutschland wäre heute beileibe nicht so stark, wenn es das Euro-Projekt nicht gegeben hätte. Viele Arbeitsplätze wären in den letzten Jahren in dieser Form nicht entstanden ohne den Euro und die Auswirkungen daraus. Es ist eine Verantwortung der Politik, dies stärker zu kommunizieren.

Der Markt reagiert auf diesen politischen Wackelpudding mit Defensiv-Maßnahmen. Nach der jüngsten Fondsmanagerumfrage von BoA / Merrill Lynch haben Investoren das Risiko tendenziell heruntergefahren. Die Liquiditätsquote wurde hochgefahren auf 4,2 %. Der Anteil an Übergewichtungen im Aktienbereich sank von 41 auf 27 % (im Februar lag der Anteil noch auf dem Rekordniveau von 67 %). Der ÜbergewichtungsAnteil bei Emerging Markets fiel von 29 auf 23 %. Bei Rohstoffen hat sich der Anteil von Übergewichtungen in etwa halbiert auf 6 %, was gleichzeitig den niedrigsten Wert seit September 2010 darstellte. Bei US-Banken wird auch inzwischen über Maßnahmen nachgedacht, falls die Politik (bis spätestens zum 02. August) tatsächlich keine Einigung im Bezug auf das Schuldenlimit findet. Teil dieser Überlegungen ist, sich im Geschäft unabhängiger zu machen von Staatsanleihen. Diese werden bei bestimmten Derivate-Positionen teils als Sicherheit hinterlegt. Die Alternative wäre Cash. Aber für höhere Cash-Positionen könnte die Auflösung anderer RisikoPositionen erforderlich werden. Außerdem steigt damit der Reiz, überschüssige Barmittel im eigenen Haus zu halten und damit nicht auf dem Interbanken-Markt zur Verfügung zu stellen. 

 

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