Politische Börsen haben kurze Beine - sagt man
Veröffentlicht von
Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
am
09.03.2011
Die Börsenhistorie hat das in der Regel auch immer bestätigt. Wenn aber der wichtigste Rohstoff der Welt davon unmittelbar betroffen ist, kann es nicht schaden, wachsam zu bleiben. Derzeit schaut die Welt gebannt nach Nordafrika.
Tunesien, Ägypten und jetzt Libyen werden von Volksaufständen überzogen, an dessen Ende der Fall diktatorischer Despoten, aber auch politisches Chaos stehen dürfte. Es geht nicht nur um eine weiträumige Krisenregion, die voller Eigendynamik steckt. Es geht auch um einen weltweiten Demokratisierungsprozess in rohstoffreichen Ländern mit Auswirkungen bis nach China. So positiv das langfristig auch sein mag - unterschätzen darf man dieses Pulverfass kurz- bis mittelfristig nicht. Das gilt besonders dann, wenn die Unruhen Richtung Saudi-Arabien eskalieren sollten bzw. es dem Land nicht mehr gelingt, über Subventionen die Bevölkerung ruhig zu halten. Dann explodiert der Ölpreis. In den vergangenen sechs Monaten ist der Ölpreis bereits um über 50 % angezogen.
Von der Rally entfällt allein ein Viertel auf die vergangenen Wochen im Zuge der Spannungen im Nahen Osten. Der Löwenanteil der Preissteigerungen ist aber mit einer anziehenden Nachfrage zu erklären. Dazu gibt es eine Faustformel, die von JP Morgan jetzt wieder bestätigt wurde. Jeder Ölpreisanstieg um 10 $ dämpft das globale Wirtschaftswachstum um etwa 0,25 Prozentpunkte. Sollte der Ölpreisanstieg der letzten Wochen nachhaltig sein, könnte sich das weltweite Wachstum um 0,5 % auf 4 % im laufenden Jahr abschwächen. Allein für Deutschland werden die Mehrkosten der Wirtschaft auf 15 Mrd € taxiert, sollte der Ölpreis für längere Zeit auf dem aktuellen Niveau verharren. Das ist kein Beinbruch, auch nicht das Ende des Aufschwungs, aber ein Dämpfer. Es geht nicht nur um´s Öl. Politische Risiken in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien rücken mehr und mehr in den Fokus der Anleger. Das wurde bislang vernachlässigt, könnte sich aber nach dem historischen Umbruch im arabischen Raum schnell ändern.
Besonders in China könnte der zunehmende materielle Wohlstand in breiten Bevölkerungskreisen den Appetit auf mehr persönliche Freiheit erhöhen. Bereits heute muss Peking fast täglich irgendwo im Riesenreich einen Aufstand niederschlagen. In den Medien geht das fast unter, an den Märkten aber nicht. Die relative Wertentwicklung zwischen den Börsen der Industrie- und Schwellenländer spricht eine klare Sprache. Fazit: Die Korrektur an den Aktienmärkten ist noch nicht beendet. Die guten fundamentalen Rahmenbedingungen verhindern jedoch ein stärkeres Abrutschen. Aus technischer Sicht ist diese Pause sogar begrüssenswert. Der aktuelle Ölpreis ist konjunkturell gerade noch verkraftbar, sollte aber möglichst nicht über 120 $ steigen.
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DE0005937007 | MAN |