Party like 1999
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
30.04.2014
Jetzt ist es schon 18 Uhr. Normalerweise habe ich die Ausgabe jetzt schon fertig, doch heute schreibe ich gerade mal den zweiten Satz. Wer Fehler nicht eingestehen kann, der hat an der Börse nichts verloren. Doch besonders schwer fällt es mir heute, einen Fehler einzugestehen, den ich sehenden Auges gemacht habe: Die Highflyer aus 2013 hätten sämtlich und ohne Rücksicht auf Verluste verkauft werden müssen, als ich Ihnen am 28.2. in der Heibel-Ticker Ausgabe 14/9 die Eigendynamik der Highflyer aus 2013 erklärte. Spätestens jedoch seit dem 21. März, denn seither erkläre ich Ihnen immer wieder die Rotation, der die Highflyer aus 2013 immer wieder zum Opfer fallen.
Es wäre nun ein Leichtes, unser Portfolio schnell auf die neuen Vorlieben an der Börse umzustellen, doch hier im Heibel-Ticker habe ich immer viel Wert darauf gelegt, Sie mitzunehmen und nicht vor den Kopf zu stoßen. Mitnehmen heißt: Ihnen verständlich machen, was sich verändert hat, damit Sie Ihre eigene Strategie entsprechend anpassen können. Also werde ich heute viel Mühe darauf verwenden Ihnen die Gefahren des Nichts-Tuns aufzuzeigen.
Vielen von Ihnen mag ein Vergleich mit dem Jahr 2000 helfen. Der Jahrtausendwechsel und der Internetboom hatten die Börsen weltweit auf Rekordhöhen getrieben, insbesondere TecDAX (erinnern Sie sich noch an den Neuen Markt?) sowie die Nasdaq schossen unaufhaltsam in die Höhe. Kursverdopplungen binnen drei Monaten war nichts seltenes, sogar verdoppelte die Nasdaq ihren Indexstand in den letzten Monaten vor dem Zusammenbruch nochmals.
Es gab jede Menge Aktien, die "in" waren. Die Unternehmen hatten keine Gewinne, man bewertete kaum noch das Kurs / Umsatz - Verhältnis, weil es nicht selten im dreistelligen Bereich war, sondern zähle die "Augenpaare", die eine Internetbude auf ihre Seite ziehen konnte. Oder man errechnete das Umsatzpotential: Wie viel kann das Unternehmen verdienen, wenn es Weltmarktführer wird?
Excite, eToys, Inktomi, Exodus (nomen est omen), WebVan, ICG Group, Engage, CacheFlow, Cnet, Net2Phone, Lycos, ... jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte: Tolle Produkte, tolle Ideen und ein steigender Aktienkurs, aber keine Ahnung, wie man Geld verdienen kann. Diese Unternehmen waren 1998 / 1999 an die Börse gegangen, erlebten ein kurzes Interesse und verschwanden in den folgenden Jahren von der Bildfläche.
Infospace war niemals profitabel und ging mit 800 Mrd. USD an die Börse. Anfang 2000 mussten Sie schon 15 Mrd. USD für den Laden zahlen, nur zwei Jahre später gerade einmal 261 Mio. USD. CMGI, eine Beteiligungsgesellschaft von Internetunternehmen, sprang von 1,5 Mrd. USD auf 11 Mrd. USD und wurde 2002 für nur noch 161 Mio. USD gehandelt.
Schauen wir uns die Entwicklung einiger etwas soliderer Zeitgenossen von damals mal an: Ariba brachte stolze 6 Mrd. USD auf die IPO-Waage (IPO - Börsengang). Anfang 2000 gipfelte der Marktwert bei 35 Mrd. USD, 2002 zahlte man nur noch 358 Mio. USD für die Bude. Brocade lief von 7 auf 25, dann zurück auf 1,5 Mrd. USD. Broadcom, damals der Beste im Zusammenpacken von Netzwerkfunktionen in einen Chip bzw. eine Box, sprang von 5 auf 59 Mrd. USD, um 2002 bei 4 Mrd. USD einen Boden zu finden. JDS Uniphase, Königin der schnellen Glasfasernetze, stürmte von 5 auf 114 Mrd. USD, um kurze Zeit später zurück auf 3 Mrd. USD Marktwert zu fallen. QLogic sprang von 1 auf 12 Mrd. USD und fiel später auf 4 Mrd. USD zurück. Qualcomm, der Standard für Mobilfunkchips in den USA, stieg von 3 auf 54 Mrd. USD und war 2002 nur noch 22 Mrd. USD wert. VeriSign buchte die Rundreise von 1 nach 19 Mrd. USD und zurück auf 1,9 Mrd. USD.
Auch bei diesen Unternehmen wurden damals lediglich Umsatzmultipels und Umsatzpotenziale angeschaut und auf Augenpaare umgelegt. Von Gewinn wollte niemand was wissen. So schossen die Aktien in den sechs Monaten um den Jahrtausenwechsel nicht selten noch um das Dreifache in die Höhe.
Auch die "alten" Technologieaktien erlebten eine Blütezeit. Microsoft stieg von 152 auf 476 Mrd. USD Marktkapitalisierung, um 2008 bis auf 277 Mrd. USD zurückzufallen. Intel von 115 auf 277 Mrd. USD und zurück auf nur noch 78 Mrd. USD im Jahr 2006. Cisco stürmte von 53 Mrd. USD zum weltweit wertvollsten Unternehmen mit 448 Mrd. USD Anfang 2000, um bis 2002 wieder auf 86 Mrd. USD zurückzufallen.
Den besten Börsenratschlag hatte damals Prince mit seinem noch heute gut anzuhörenden Song "Party like 1999": Hier der Refrain:
"Cause they say two thousand zero zero
Party over, oops out of time
So tonight I'm gonna party like it's 1999"
"Sie sagen 2000 ist die Party vorbei, ups abgelaufen. Also feiere ich heute als sei es 1999".
Doch in dem Jahr, in dem der Nasdaq einbrach, blieben viele "alte" Unternehmen ungeschoren. Der Aktienkurs von Coca-Cola legte beispielsweise von 22 auf 31 USD um 41% zu. Bristol-Myers stieg von 45 auf 59 USD um 31%. Merck lief von 56 USD auf 89 USD (+59%) und Pfizer von 33 auf 43 USD (+30%). Nicht schlecht, für vermeintlich alte und langweilige Unternehmen, oder?
Und glauben Sie, das waren Ausnahmen? Nein, ganz und gar nicht. Ich mache mir die Mühe der Auflistung, weil Sie mir knappe Statistiken und Schlussfolgerungen vermutlich nicht glauben würden. Konsumenten kauften fleißig ein, wie die Anbieter von Konsumentenprodukten zeigen: General Mills stieg von 16 auf 23 USD (+43%), Procter & Gamble von 28 auf 44 USD (+57%) und Colgate von 21 auf 32 (+52%).
Industrieaktien blühten auf, wie der Anstieg von 18 auf 24 USD bei Caterpillar zeigt (+33%). 3M sprang von 41 auf 60 USD (+46%), United Technologies von 25 auf 39 USD (+56%) und Boeing von 33 auf 65 USD (+97%!). General Electric krabbelte von 44 auf 48 USD (+9%), Alcoa von 30 auf 40 USD (+33%). Auch der Energiesektor sprang an, nachdem zuvor das Internet jeglichen Transport überflüssig zu machen drohte. Exxon von 37 auf 43 USD, Chevron von 41 auf 43 USD und Conoco von 15 auf 22 USD.
Sämtliche Versorger, ob Energie oder Telefon, stiegen an: American Electric Power (+60%), Dominion Resources (+83%), Duke Energy (62%) und ConEd (+28%) wie auch AT&T (+25%) und Verizon (+9%).
Nike verdoppelte seinen Aktienkurs, so auch United Health. Starbucks und McDonalds könnten 22% bzw. 10% zulegen, während der Nasdaq kollabierte. Der Einzelhandel legte ebenfalls zu mit Wal-Mart +6% und Target +9%.
Ist Ihnen die Auflistung zu lang? Nun, ich will Ihnen damit zeigen, dass es nicht schwer ist, in dieser Marktphase Unternehmen zu finden, die funktionieren. Das Geld, das aus den Highflyern aus 2013 abgezogen wird, verpufft nicht, es wird in andere Aktien gesteckt. So war es auch 2000. Doch das wurde damals kaum gesehen. Ich habe 1998 begonnen, über die Börsen zu schreiben, und ich hatte mir den US-Markt als Steckenpferd ausgesucht. Es wird Sie nicht wundern, dass ich Ihnen die Nasdaq-100-Unternehmen aufzählen konnte, die 30 Dow-Jones-Titel jedoch nicht.
Die Autoren der Marktberichte, in denen nach den Kursverlusten der vergangenen Wochen vom Ende der Börsenhausse gesprochen wird, sind nicht selten erst wenige Jahre im Geschäft und kennen nur die Aktien, die in den vergangenen Jahren in den Schlagzeilen waren. Und das sind meist die Gewinner. Und das sind eben die Highflyer aus 2013. Klar, für diese Autoren geht die Welt jetzt unter, denn für sie gibt es neben den Highflyern aus 2013 keine anderen Aktien.
Was hatte Salesforce falsch gemacht? Nichts. Das Schneeballsystem war einfach an seine Grenzen gestoßen. Selbst die besten Zahlen des besten Unternehmens lockten keinen neuen Anleger mehr hinter dem Kamin hervor. Die Anleger waren in den vergangenen Monaten in andere SaaS-, Cloud- und mobiles-Internet-Aktien getrieben worden. Das Angebot an entsprechenden Aktien war nach einer Serie von IPOs und Zweitplatzierungen (Secondaries) erdrückend. Die Nachfrage konnte da nicht mithalten.
Es war der Punkt, an dem wir uns hätten sagen müssen: Wenn schon das beste aller SaaS-Unternehmen mit einem herausragenden Ergebnis nicht mehr Anleger begeistern kann, wer in der Branche kann es sonst? Am 27. Februar erreichten die Highflyer aus 2013 ihre Höchstkurse, seither geht es bergab.
Die Spitze einer Rallye wird man niemals erwischen. Im Jahr 2000 war ich zwei Monate zu früh mit meiner Warnung: Ich hatte den Internet-Hype so lange ich es irgendwie vertreten konnte mitgemacht, doch nach der Übernahme von Time Warner durch AOL (ja, nicht umgekehrt!) im Januar 2000 war für mich klar, dass was falsch lief. Damals war ich also etwas zu früh.
Diesmal habe ich es zwar sehr früh erkannt, aber erst heute folgt der Aufruf, die Highflyer aus 2013 auch jetzt noch gnadenlos aus Ihren Depot zu werfen. Ich bin also etwas zu spät. -30%, die derzeit bereits Abgeschlagen werden schmerzen, mehr als entgangene 50% Gewinn, die ich im Jahr 2000 verpasste. Doch wie meine lange Auflistung zeigt, ist es noch nicht zu spät für einen Ausstieg.
Die Aussichtslosigkeit, einen Boden zu definieren, wird an FireEye deutlich: Der Anbieter von Sicherheitssoftware für die Cloud ging Mitte vergangenen Jahres zu 36 USD je Aktie an die Börse und stieg bis Anfang März auf 96 USD. Dort machte FireEye eine Zweitplatzierung von Aktien der Insider. Eine Zweitplatzierung wird häufig dafür gemacht, frisches Kapital in die Kassen zu holen, also neue Aktien auszugeben. Doch im Fall von FireEye war das Verhältnis der neuen Aktien zu den bestehenden Aktien, die von Insidern in die Zweitplatzierung gegeben wurden, erschreckend klein. Der Ausgabekurs wurde deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs festgelegt (82 USD), damit die große Anzahl an Aktien überhaupt abgenommen wurde. Und nur vier Wochen später mach FireEye eine weitere Zweitplatzierung, erneut mit einem erschreckend großen Anteil an Insider-Aktien. Das Unternehmen hatte inzwischen die Hälfte seines Wertes verloren, und Insider wollten erneut große Mengen an Aktien abstoßen.
Insider verkauften, als gebe es kein Morgen. Als wären die Aktien letztlich wertlos. Sind sie es vielleicht sogar?
Nun, wir wissen, dass man diese Unternehmen nur schwer bewerten kann, und wir wissen, dass die Aktien auch mal 90% und 95% verlieren können, wenn sie an der Börse nicht mehr beliebt sind. Vielleicht hatten diese Insider recht, so überhastet zu verkaufen.
Seit dem 28. Februar gab es eine Reihe von IPOs, die schon an ihrem ersten Tag unter den Ausgabepreis sanken. Ein weiteres Zeichen dafür, dass mehr Angebot als Nachfrage vorhanden ist. Im Jahr 2000 war das Mitte März der Fall, kurz vor dem Hoch im Nasdaq. Auch damals war das IPO-Spiel, das bis dato als sichere Einnahmequelle galt, plötzlich gekippt und führte immer häufiger zu Verlusten bereits am ersten Handelstag.
Beispiel 1: Tesla. Ich bin einen Tesla probegefahren und kann die Liebe der Anleger verstehen. Das Auto ist revolutionär, ich habe die Zukunft gesehen. Aber ist Tesla dadurch gleich ein Drittel so viel Wert wie Daimler? Sicher nicht.
Beispiel 2: Netflix. Fernsehen, wenn Sie es wollen. Oder besser: wann Sie es wollen. Keine Werbung, kein Warten auf die nächste Woche, bis die nächste Folge Ihrer Lieblingsserie ausgestrahlt wird. Netflix hat es geschafft, Serien ins Angebot zu holen, über die gesprochen wird. Die man sehen muss. Und entsprechend beliebt ist Netflix in den USA. Die Aktie wurde von zufriedenen Kunden in die Höhe gejubelt.
Beispiel 3: Amazon. Ein Leben ohne Amazon kann sich Ihr Autor kaum noch vorstellen. So bequem ist das Bestellen und die Lieferung am nächsten Tag. Man kauft nicht mehr auf Vorrat, sondern nur das, was man wirklich gerade jetzt braucht. Und man erspart sich das Gedrängel in der Innenstadt, da gehe ich nur noch zum Kaffeetrinken hin. Und nur wenn das Wetter schön ist. Amazon schmeisst mit dem Geld um sich wie ein betrunkener Seemann und vertröstet seine Aktionäre auf Gewinne in der Zukunft.
Was passiert, wenn eine geliebte Aktie keine neuen Liebhaber mehr anlocken kann, haben wir bei Apple gesehen. Die Aktie hat nun anderthalb Jahre im Keller gehockt. Auch Twitter kann keine neuen Liebhaber mehr locken. Und auch Facebook und Google. Es folgt nun eine Zeit, in der das Geschäft der Unternehmen in die Bewertung hineinwachsen muss. Oder aber in der der Aktienkurs sich dem Geschäft anpasst (fällt). Bei Apple scheint diese Phase nun dem Ende zuzugehen. Bei Google und Facebook scheint das Missverhältnis nicht so stark zu sein, wie bei vielen jüngeren Wettbewerbern ohne Gewinne. Bei Twitter jedoch besteht mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 36 noch immer Anpassungsbedarf. Da helfen auch keine 100% Gewinnwachstum.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Sie Ihre Partnerin / Ihren Partner direkt nach der Trennung verteufeln und später ein wesentlich differenzierteres Bild von ihr / ihm aufbauen? Ich hoffe, das ist Ihnen nicht oft passiert - eine Trennung - doch zumindest in der Jugend hat das wohl jeder mal durchgemacht. Sie dürfen damit rechnen, dass es bei den ehemals geliebten Aktien ganz ähnlich laufen wird: Der Boden wird nicht auf einem fairen, differenzierten Niveau gefunden sondern deutlich tiefer.
Klar, diese Unternehmen sind die Ersten in einem neuen Markt. Doch inzwischen haben auch SAP, IBM und Oracle den Markt für Echtzeitauswertungen, Big Data, erkannt und bieten entsprechende Produkte an. Microsoft, Hewlett Packard bis hin zu Adobe, Cisco, Intel und RedHat investieren Milliarden, um bei dem Geschäft dabei zu sein. Toll für die Kunden, denn Cloud-Dienste werden künftig immer günstiger sein. Schlecht für die Anleger, denn purzelnde Preise bedeuten weniger Gewinn.
Sehen Sie das Muster? Die Cloud mit all ihren verschiedenen Facetten, Big Data, Echtzeitauswertungen, mobiles Internet mit Zugang zu Echtzeitdaten jederzeit von überall, Software-as-a-Service, ... all das zieht Kosteneinsparungen für die Kunden nach sich. Ein ehemals komplexes IT-System wird drastisch vereinfacht. Kein Wunder, dass die alten etablierten Unternehmen ein wenig spät zur Party kamen, sie haben sich noch so lange wie möglich ihre alten Gewinnmargen gesichert. Aber jetzt geht's rund, die Party ist vorbei, und die ersten Partygäste (Highflyer 2013) haben sich überfressen und lassen sich nunmehr das Buffet nochmals durch den Kopf gehen. Die letzten Partygäste (SAP, IBM, etc.) finden ein abgefressenes Buffet vor.
Aber es gibt auch eine Reihe von anderen Branchen, die sich im freien Fall befinden. Biotech beispielsweise hatte ebenfalls eine Reihe von IPOs. Doch nicht so schlimm wie der Cloud-Bereich. Gilead und Celgene verfügen über ein KUV von 9 und haben erst 7% bzw. 15% abgegeben. Biogen-Idec hat 20% abgegeben und ist ebenfalls auf einem KUV von 9 gelandet. Lediglich Regeneron sticht noch heraus nach 16% Kursverlust mit einem KUV von 14.
Erinnern Sie sich noch an 3D Drucker, die schon morgen in jedem Haushalt stehen sollten, wenn wir dem Marktgeschrei Ende vergangenen Jahres glaubten? Schauen Sie sich mal den Branchenführer Stratasys an: 30% Kursverlust und ein KUV von 9. Ich hatte Ende letzten Jahres eine zweiteilige Analyse vorbereitet, doch veröffentlicht habe ich nur den ersten Teil. Da war damals die Luft schon raus.
Bleiben die etwas solider aufgestellten Socials, die neben Twitter mit Facebook konkurrieren, aber auch mit Google. LinkedIn mit 40% Kursverlust und auf einem KUV von nur noch 12. Und Yelp mit 42% Kursverlust und einem KUV von 18. Zum Vergleich: Facebook hat ein KUV von 16.
Es ist ein ziemlich hartes Fazit, und wir haben noch jede Menge aussichtsreiche Technologieaktien in unserem Portfolio. Und glauben Sie mir: Ich bin technologiebegeistert und habe wenig Lust, mich in neue Branchen einzuarbeiten. Aber ich gehe davon aus, dass sich dieser Schritt auszahlen wird. Wir werden beispielsweise Twitter in einigen Monaten mit deutlich günstigeren Bewertungskennziffern erneut kaufen können. Entweder das Geschäft hat sich wie durch ein Wunder ausgeweitet, oder aber die Aktie ist auf ein vernünftigeres Bewertungsniveau zurückgekommen. Nach den gestrigen Quartalszahlen glaube ich eher, dass der letztere Weg eingeschlagen wird.
Auch Yelp wird noch leiden müssen, bevor sich neue Anleger für die Aktie interessieren. Nicht, weil das Geschäft nicht stimmt. Das Geschäft stimmt. Und auch das Bewertungsniveau ist im Vergleich zu Facebook nicht zu hoch. Doch wer soll in Yelp investieren, wenn es Facebook zum gleichen Preis gibt? Facebook zeigt eins ums andere wie geschickt es relevante Werbung einstreuen kann, die von den Nutzern sogar akzeptiert und geklickt wird. Da ist Yelp noch weit von entfernt.
ServiceNow wird irgendwann von Hewlett Packard oder Accenture gekauft werden. Irgendwann, wenn es günstig genug ist. Warum sollten Sie also als Aktionär dabei bleiben, wenn Sie in den dunkelsten Tagen eine mickrige Abfindung erwarten dürfen, ohne dann folgenden Aufstieg zu partizipieren?
Wir haben den Luxus, bislang mit unserem Portfolio trotz der starken Technologielast deutlich besser abgeschnitten zu haben als DAX oder Dow Jones. Wir sollten diesen Luxus nutzen und uns auf die veränderten Marktbedingungen einstellen, bevor wir dem Markt hinterherlaufen müssen. Nicht mit der Brechstange, aber zügig.
Der Ausverkauf ähnelt übrigens auch in einem anderen Punkt dem Ausverkauf aus dem Jahr 2000. Es gibt immer wieder drei bis fünf schwache Tage, gefolgt von ein bis zwei guten Tagen. Also: Wenn Sie nach einem guten Tag wieder grüne Vorzeichen sehen, machen Sie eine Verkaufsorder klar. Und gekauft wird nicht am ersten Minus-Tag und auch nicht am zweiten, sondern erst ab dem dritten.
So, nun lassen Sie uns schauen, wie die Börsen in den vergangenen Tagen abgeschnitten haben:
Ach so, dann wollen wir mal damit beginnen, unseren Fokus weg von Technologie auf andere Dinge zu lenken.
China: Wie das Kaninchen auf die Schlange, schaut die Weltkonjunktur voller Angst auf die Entwicklungen in China. Wird es dem Land der Mitte gelingen, die Welt aus dem Konjunktursumpf zu ziehen? Ich denke, die Frage ist schon falsch. Die USA haben wieder den Staffelstab übernommen und werden China und damit den Rest der Welt aus dem Sumpf ziehen - auch wenn die heutige Konjunkturziffer über das BSP in den USA (+0,1% statt der erwarteten +1,1%) diese Rolle wieder in Frage stellt. Doch die Fed ist weiter zuversichtlich, und ich bin es auch. Schuld für die schlechte Zahl war ... das Wetter.
Europa: Schauen Sie sich Daimlers Zahlen an, der Konzern beginnt gerade erst, die Früchte der jahrelangen Entwicklungsarbeit zu ernten. Die Situation wird nicht mehr schlimmer, und das reicht schon aus um abzuwarten, bis die USA und dadurch mittelbar dann auch China uns aus dem Sumpf ziehen, inklusive der Club-Med Länder.
PARTY LIKE 1999
Vielen von Ihnen mag ein Vergleich mit dem Jahr 2000 helfen. Der Jahrtausendwechsel und der Internetboom hatten die Börsen weltweit auf Rekordhöhen getrieben, insbesondere TecDAX (erinnern Sie sich noch an den Neuen Markt?) sowie die Nasdaq schossen unaufhaltsam in die Höhe. Kursverdopplungen binnen drei Monaten war nichts seltenes, sogar verdoppelte die Nasdaq ihren Indexstand in den letzten Monaten vor dem Zusammenbruch nochmals.Es gab jede Menge Aktien, die "in" waren. Die Unternehmen hatten keine Gewinne, man bewertete kaum noch das Kurs / Umsatz - Verhältnis, weil es nicht selten im dreistelligen Bereich war, sondern zähle die "Augenpaare", die eine Internetbude auf ihre Seite ziehen konnte. Oder man errechnete das Umsatzpotential: Wie viel kann das Unternehmen verdienen, wenn es Weltmarktführer wird?
Excite, eToys, Inktomi, Exodus (nomen est omen), WebVan, ICG Group, Engage, CacheFlow, Cnet, Net2Phone, Lycos, ... jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte: Tolle Produkte, tolle Ideen und ein steigender Aktienkurs, aber keine Ahnung, wie man Geld verdienen kann. Diese Unternehmen waren 1998 / 1999 an die Börse gegangen, erlebten ein kurzes Interesse und verschwanden in den folgenden Jahren von der Bildfläche.
Infospace war niemals profitabel und ging mit 800 Mrd. USD an die Börse. Anfang 2000 mussten Sie schon 15 Mrd. USD für den Laden zahlen, nur zwei Jahre später gerade einmal 261 Mio. USD. CMGI, eine Beteiligungsgesellschaft von Internetunternehmen, sprang von 1,5 Mrd. USD auf 11 Mrd. USD und wurde 2002 für nur noch 161 Mio. USD gehandelt.
Schauen wir uns die Entwicklung einiger etwas soliderer Zeitgenossen von damals mal an: Ariba brachte stolze 6 Mrd. USD auf die IPO-Waage (IPO - Börsengang). Anfang 2000 gipfelte der Marktwert bei 35 Mrd. USD, 2002 zahlte man nur noch 358 Mio. USD für die Bude. Brocade lief von 7 auf 25, dann zurück auf 1,5 Mrd. USD. Broadcom, damals der Beste im Zusammenpacken von Netzwerkfunktionen in einen Chip bzw. eine Box, sprang von 5 auf 59 Mrd. USD, um 2002 bei 4 Mrd. USD einen Boden zu finden. JDS Uniphase, Königin der schnellen Glasfasernetze, stürmte von 5 auf 114 Mrd. USD, um kurze Zeit später zurück auf 3 Mrd. USD Marktwert zu fallen. QLogic sprang von 1 auf 12 Mrd. USD und fiel später auf 4 Mrd. USD zurück. Qualcomm, der Standard für Mobilfunkchips in den USA, stieg von 3 auf 54 Mrd. USD und war 2002 nur noch 22 Mrd. USD wert. VeriSign buchte die Rundreise von 1 nach 19 Mrd. USD und zurück auf 1,9 Mrd. USD.
Auch bei diesen Unternehmen wurden damals lediglich Umsatzmultipels und Umsatzpotenziale angeschaut und auf Augenpaare umgelegt. Von Gewinn wollte niemand was wissen. So schossen die Aktien in den sechs Monaten um den Jahrtausenwechsel nicht selten noch um das Dreifache in die Höhe.
Auch die "alten" Technologieaktien erlebten eine Blütezeit. Microsoft stieg von 152 auf 476 Mrd. USD Marktkapitalisierung, um 2008 bis auf 277 Mrd. USD zurückzufallen. Intel von 115 auf 277 Mrd. USD und zurück auf nur noch 78 Mrd. USD im Jahr 2006. Cisco stürmte von 53 Mrd. USD zum weltweit wertvollsten Unternehmen mit 448 Mrd. USD Anfang 2000, um bis 2002 wieder auf 86 Mrd. USD zurückzufallen.
Den besten Börsenratschlag hatte damals Prince mit seinem noch heute gut anzuhörenden Song "Party like 1999": Hier der Refrain:
"Cause they say two thousand zero zero
Party over, oops out of time
So tonight I'm gonna party like it's 1999"
"Sie sagen 2000 ist die Party vorbei, ups abgelaufen. Also feiere ich heute als sei es 1999".
ZU VIEL TECH
Klar, wer wie Prince auf den Internet-Partys herumhing, der konnte nicht sehen, was im Rest der Wirtschaft vorging. Der sah nur der Nasdaq, die von 5.048 Punkten im März 2000 binnen eines Jahres auf 1.598 Punkte einbrach. Ein Minus von 68%. Der S&P 500 fiel im gleichen Zeitraum von 1.500 auf 1.142 Punkte, ein Minus von "nur" 24%. Der Nasdaq bestand überwiegend aus Technologie- bzw. Internetbuden. Und auch im S&P 500 war der Anteil dieser Unternehmen erdrückend hoch geworden.Doch in dem Jahr, in dem der Nasdaq einbrach, blieben viele "alte" Unternehmen ungeschoren. Der Aktienkurs von Coca-Cola legte beispielsweise von 22 auf 31 USD um 41% zu. Bristol-Myers stieg von 45 auf 59 USD um 31%. Merck lief von 56 USD auf 89 USD (+59%) und Pfizer von 33 auf 43 USD (+30%). Nicht schlecht, für vermeintlich alte und langweilige Unternehmen, oder?
Und glauben Sie, das waren Ausnahmen? Nein, ganz und gar nicht. Ich mache mir die Mühe der Auflistung, weil Sie mir knappe Statistiken und Schlussfolgerungen vermutlich nicht glauben würden. Konsumenten kauften fleißig ein, wie die Anbieter von Konsumentenprodukten zeigen: General Mills stieg von 16 auf 23 USD (+43%), Procter & Gamble von 28 auf 44 USD (+57%) und Colgate von 21 auf 32 (+52%).
Industrieaktien blühten auf, wie der Anstieg von 18 auf 24 USD bei Caterpillar zeigt (+33%). 3M sprang von 41 auf 60 USD (+46%), United Technologies von 25 auf 39 USD (+56%) und Boeing von 33 auf 65 USD (+97%!). General Electric krabbelte von 44 auf 48 USD (+9%), Alcoa von 30 auf 40 USD (+33%). Auch der Energiesektor sprang an, nachdem zuvor das Internet jeglichen Transport überflüssig zu machen drohte. Exxon von 37 auf 43 USD, Chevron von 41 auf 43 USD und Conoco von 15 auf 22 USD.
Sämtliche Versorger, ob Energie oder Telefon, stiegen an: American Electric Power (+60%), Dominion Resources (+83%), Duke Energy (62%) und ConEd (+28%) wie auch AT&T (+25%) und Verizon (+9%).
Nike verdoppelte seinen Aktienkurs, so auch United Health. Starbucks und McDonalds könnten 22% bzw. 10% zulegen, während der Nasdaq kollabierte. Der Einzelhandel legte ebenfalls zu mit Wal-Mart +6% und Target +9%.
Ist Ihnen die Auflistung zu lang? Nun, ich will Ihnen damit zeigen, dass es nicht schwer ist, in dieser Marktphase Unternehmen zu finden, die funktionieren. Das Geld, das aus den Highflyern aus 2013 abgezogen wird, verpufft nicht, es wird in andere Aktien gesteckt. So war es auch 2000. Doch das wurde damals kaum gesehen. Ich habe 1998 begonnen, über die Börsen zu schreiben, und ich hatte mir den US-Markt als Steckenpferd ausgesucht. Es wird Sie nicht wundern, dass ich Ihnen die Nasdaq-100-Unternehmen aufzählen konnte, die 30 Dow-Jones-Titel jedoch nicht.
Die Autoren der Marktberichte, in denen nach den Kursverlusten der vergangenen Wochen vom Ende der Börsenhausse gesprochen wird, sind nicht selten erst wenige Jahre im Geschäft und kennen nur die Aktien, die in den vergangenen Jahren in den Schlagzeilen waren. Und das sind meist die Gewinner. Und das sind eben die Highflyer aus 2013. Klar, für diese Autoren geht die Welt jetzt unter, denn für sie gibt es neben den Highflyern aus 2013 keine anderen Aktien.
WENN'S AM SCHÖNSTEN IST
Am 27. Februar hat Salesforce Quartalszahlen veröffentlicht. Der Vorreiter der Software-as-a-Service (SaaS) Bewegung in der Cloud übertraf die Erwartungen in jeder Hinsicht: Umsatz, Gewinn, Prognoseanhebung, Kundenwachstum, Einbeziehung des mobilen Internets, ... es gab kein Haar in der Suppe. Die erste Reaktion am Markt war ein nachbörslicher Kursanstieg, doch am Folgetag brach der Kurs um 8% ein, und seither kennt die Aktie nur noch eine Richtung: bergab.Was hatte Salesforce falsch gemacht? Nichts. Das Schneeballsystem war einfach an seine Grenzen gestoßen. Selbst die besten Zahlen des besten Unternehmens lockten keinen neuen Anleger mehr hinter dem Kamin hervor. Die Anleger waren in den vergangenen Monaten in andere SaaS-, Cloud- und mobiles-Internet-Aktien getrieben worden. Das Angebot an entsprechenden Aktien war nach einer Serie von IPOs und Zweitplatzierungen (Secondaries) erdrückend. Die Nachfrage konnte da nicht mithalten.
Es war der Punkt, an dem wir uns hätten sagen müssen: Wenn schon das beste aller SaaS-Unternehmen mit einem herausragenden Ergebnis nicht mehr Anleger begeistern kann, wer in der Branche kann es sonst? Am 27. Februar erreichten die Highflyer aus 2013 ihre Höchstkurse, seither geht es bergab.
Die Spitze einer Rallye wird man niemals erwischen. Im Jahr 2000 war ich zwei Monate zu früh mit meiner Warnung: Ich hatte den Internet-Hype so lange ich es irgendwie vertreten konnte mitgemacht, doch nach der Übernahme von Time Warner durch AOL (ja, nicht umgekehrt!) im Januar 2000 war für mich klar, dass was falsch lief. Damals war ich also etwas zu früh.
Diesmal habe ich es zwar sehr früh erkannt, aber erst heute folgt der Aufruf, die Highflyer aus 2013 auch jetzt noch gnadenlos aus Ihren Depot zu werfen. Ich bin also etwas zu spät. -30%, die derzeit bereits Abgeschlagen werden schmerzen, mehr als entgangene 50% Gewinn, die ich im Jahr 2000 verpasste. Doch wie meine lange Auflistung zeigt, ist es noch nicht zu spät für einen Ausstieg.
Die Aussichtslosigkeit, einen Boden zu definieren, wird an FireEye deutlich: Der Anbieter von Sicherheitssoftware für die Cloud ging Mitte vergangenen Jahres zu 36 USD je Aktie an die Börse und stieg bis Anfang März auf 96 USD. Dort machte FireEye eine Zweitplatzierung von Aktien der Insider. Eine Zweitplatzierung wird häufig dafür gemacht, frisches Kapital in die Kassen zu holen, also neue Aktien auszugeben. Doch im Fall von FireEye war das Verhältnis der neuen Aktien zu den bestehenden Aktien, die von Insidern in die Zweitplatzierung gegeben wurden, erschreckend klein. Der Ausgabekurs wurde deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs festgelegt (82 USD), damit die große Anzahl an Aktien überhaupt abgenommen wurde. Und nur vier Wochen später mach FireEye eine weitere Zweitplatzierung, erneut mit einem erschreckend großen Anteil an Insider-Aktien. Das Unternehmen hatte inzwischen die Hälfte seines Wertes verloren, und Insider wollten erneut große Mengen an Aktien abstoßen.
Insider verkauften, als gebe es kein Morgen. Als wären die Aktien letztlich wertlos. Sind sie es vielleicht sogar?
Nun, wir wissen, dass man diese Unternehmen nur schwer bewerten kann, und wir wissen, dass die Aktien auch mal 90% und 95% verlieren können, wenn sie an der Börse nicht mehr beliebt sind. Vielleicht hatten diese Insider recht, so überhastet zu verkaufen.
Seit dem 28. Februar gab es eine Reihe von IPOs, die schon an ihrem ersten Tag unter den Ausgabepreis sanken. Ein weiteres Zeichen dafür, dass mehr Angebot als Nachfrage vorhanden ist. Im Jahr 2000 war das Mitte März der Fall, kurz vor dem Hoch im Nasdaq. Auch damals war das IPO-Spiel, das bis dato als sichere Einnahmequelle galt, plötzlich gekippt und führte immer häufiger zu Verlusten bereits am ersten Handelstag.
ES MUSS LIEBE SEIN
Nun bricht alles zusammen. Überall dort, wo keine Gewinn-Bewertungsrelation vorhanden ist, brechen die Kurse unaufhaltsam ein. Das trifft nun auch die Aktien, bei denen man von Liebe sprechen muss: Anleger lieben das Produkt und sind daher bereit, jeden Preis zu zahlen.Beispiel 1: Tesla. Ich bin einen Tesla probegefahren und kann die Liebe der Anleger verstehen. Das Auto ist revolutionär, ich habe die Zukunft gesehen. Aber ist Tesla dadurch gleich ein Drittel so viel Wert wie Daimler? Sicher nicht.
Beispiel 2: Netflix. Fernsehen, wenn Sie es wollen. Oder besser: wann Sie es wollen. Keine Werbung, kein Warten auf die nächste Woche, bis die nächste Folge Ihrer Lieblingsserie ausgestrahlt wird. Netflix hat es geschafft, Serien ins Angebot zu holen, über die gesprochen wird. Die man sehen muss. Und entsprechend beliebt ist Netflix in den USA. Die Aktie wurde von zufriedenen Kunden in die Höhe gejubelt.
Beispiel 3: Amazon. Ein Leben ohne Amazon kann sich Ihr Autor kaum noch vorstellen. So bequem ist das Bestellen und die Lieferung am nächsten Tag. Man kauft nicht mehr auf Vorrat, sondern nur das, was man wirklich gerade jetzt braucht. Und man erspart sich das Gedrängel in der Innenstadt, da gehe ich nur noch zum Kaffeetrinken hin. Und nur wenn das Wetter schön ist. Amazon schmeisst mit dem Geld um sich wie ein betrunkener Seemann und vertröstet seine Aktionäre auf Gewinne in der Zukunft.
Was passiert, wenn eine geliebte Aktie keine neuen Liebhaber mehr anlocken kann, haben wir bei Apple gesehen. Die Aktie hat nun anderthalb Jahre im Keller gehockt. Auch Twitter kann keine neuen Liebhaber mehr locken. Und auch Facebook und Google. Es folgt nun eine Zeit, in der das Geschäft der Unternehmen in die Bewertung hineinwachsen muss. Oder aber in der der Aktienkurs sich dem Geschäft anpasst (fällt). Bei Apple scheint diese Phase nun dem Ende zuzugehen. Bei Google und Facebook scheint das Missverhältnis nicht so stark zu sein, wie bei vielen jüngeren Wettbewerbern ohne Gewinne. Bei Twitter jedoch besteht mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 36 noch immer Anpassungsbedarf. Da helfen auch keine 100% Gewinnwachstum.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Sie Ihre Partnerin / Ihren Partner direkt nach der Trennung verteufeln und später ein wesentlich differenzierteres Bild von ihr / ihm aufbauen? Ich hoffe, das ist Ihnen nicht oft passiert - eine Trennung - doch zumindest in der Jugend hat das wohl jeder mal durchgemacht. Sie dürfen damit rechnen, dass es bei den ehemals geliebten Aktien ganz ähnlich laufen wird: Der Boden wird nicht auf einem fairen, differenzierten Niveau gefunden sondern deutlich tiefer.
HIGHFLYER 2013
Ein Kurs/Umsatz-Verhältnis (KUV) von 1 ist normal, für Wachstumsunternehmen kann es schon mal auf 2 steigen. Auch nach rund 30% Kursverlust in vielen Highlyern aus 2013 steht diese Bewertungskennziffer noch immer außerhalb jeder vernünftigen Rechtfertigung: ServiceNow haben wir frühzeitig verkauft. Das KUV steht nach 31% Kursrutsch noch immer bei 17. FireEye nach 60% Kursverlust hat noch immer ein KUV von 37. Workday, das Personalbuchhaltung in der Cloud anbietet, ist um 37% abgerutscht und hat ein KUV von 28. Splunk vereint alle Modeschlagworte der Branche auf sich: Big-Data Echtzeitauswertungen in der Cloud über virtuelle Server administrierbar. Nun, das KUV steht auch nach 49% Kursrutsch bei 18. Tableau mit dem treffenden Börsenkürzel DATA bietet ebenfalls Echtzeitauswertungen an. Nach 45% Kursverlust beträgt das KUV noch 15. Zum Vergleich: Salesforce hat ein KUV von 7.Klar, diese Unternehmen sind die Ersten in einem neuen Markt. Doch inzwischen haben auch SAP, IBM und Oracle den Markt für Echtzeitauswertungen, Big Data, erkannt und bieten entsprechende Produkte an. Microsoft, Hewlett Packard bis hin zu Adobe, Cisco, Intel und RedHat investieren Milliarden, um bei dem Geschäft dabei zu sein. Toll für die Kunden, denn Cloud-Dienste werden künftig immer günstiger sein. Schlecht für die Anleger, denn purzelnde Preise bedeuten weniger Gewinn.
Sehen Sie das Muster? Die Cloud mit all ihren verschiedenen Facetten, Big Data, Echtzeitauswertungen, mobiles Internet mit Zugang zu Echtzeitdaten jederzeit von überall, Software-as-a-Service, ... all das zieht Kosteneinsparungen für die Kunden nach sich. Ein ehemals komplexes IT-System wird drastisch vereinfacht. Kein Wunder, dass die alten etablierten Unternehmen ein wenig spät zur Party kamen, sie haben sich noch so lange wie möglich ihre alten Gewinnmargen gesichert. Aber jetzt geht's rund, die Party ist vorbei, und die ersten Partygäste (Highflyer 2013) haben sich überfressen und lassen sich nunmehr das Buffet nochmals durch den Kopf gehen. Die letzten Partygäste (SAP, IBM, etc.) finden ein abgefressenes Buffet vor.
Aber es gibt auch eine Reihe von anderen Branchen, die sich im freien Fall befinden. Biotech beispielsweise hatte ebenfalls eine Reihe von IPOs. Doch nicht so schlimm wie der Cloud-Bereich. Gilead und Celgene verfügen über ein KUV von 9 und haben erst 7% bzw. 15% abgegeben. Biogen-Idec hat 20% abgegeben und ist ebenfalls auf einem KUV von 9 gelandet. Lediglich Regeneron sticht noch heraus nach 16% Kursverlust mit einem KUV von 14.
Erinnern Sie sich noch an 3D Drucker, die schon morgen in jedem Haushalt stehen sollten, wenn wir dem Marktgeschrei Ende vergangenen Jahres glaubten? Schauen Sie sich mal den Branchenführer Stratasys an: 30% Kursverlust und ein KUV von 9. Ich hatte Ende letzten Jahres eine zweiteilige Analyse vorbereitet, doch veröffentlicht habe ich nur den ersten Teil. Da war damals die Luft schon raus.
Bleiben die etwas solider aufgestellten Socials, die neben Twitter mit Facebook konkurrieren, aber auch mit Google. LinkedIn mit 40% Kursverlust und auf einem KUV von nur noch 12. Und Yelp mit 42% Kursverlust und einem KUV von 18. Zum Vergleich: Facebook hat ein KUV von 16.
FAZIT: EINE LIEBESBEZIEHUNG ENDET SELTEN VERNÜNFTIG
Wie weiter oben gesagt: Bei vielen dieser Aktien handelte es sich um eine Liebesbeziehung seitens ihrer jeweiligen Anleger. Und entsprechend müssen sie sich auf eine Übertreibung nach unten einstellen, bis dieser Ausverkauf endlich zu seinem Ende kommt. Natürlich wird bald schon auch der Freundeskreis des ehemals geliebten Unternehmens verflucht und zum Teufel gejagt, auch wenn das völlig ungerechtfertigt ist. Doch als Anleger sollten wir uns darauf vorbereiten und unser Glück in den kommenden Monaten in anderen Bereichen suchen - ungeachtet etwaiger günstiger Bewertungen bei Tech- und Biotechaktien.Es ist ein ziemlich hartes Fazit, und wir haben noch jede Menge aussichtsreiche Technologieaktien in unserem Portfolio. Und glauben Sie mir: Ich bin technologiebegeistert und habe wenig Lust, mich in neue Branchen einzuarbeiten. Aber ich gehe davon aus, dass sich dieser Schritt auszahlen wird. Wir werden beispielsweise Twitter in einigen Monaten mit deutlich günstigeren Bewertungskennziffern erneut kaufen können. Entweder das Geschäft hat sich wie durch ein Wunder ausgeweitet, oder aber die Aktie ist auf ein vernünftigeres Bewertungsniveau zurückgekommen. Nach den gestrigen Quartalszahlen glaube ich eher, dass der letztere Weg eingeschlagen wird.
Auch Yelp wird noch leiden müssen, bevor sich neue Anleger für die Aktie interessieren. Nicht, weil das Geschäft nicht stimmt. Das Geschäft stimmt. Und auch das Bewertungsniveau ist im Vergleich zu Facebook nicht zu hoch. Doch wer soll in Yelp investieren, wenn es Facebook zum gleichen Preis gibt? Facebook zeigt eins ums andere wie geschickt es relevante Werbung einstreuen kann, die von den Nutzern sogar akzeptiert und geklickt wird. Da ist Yelp noch weit von entfernt.
ServiceNow wird irgendwann von Hewlett Packard oder Accenture gekauft werden. Irgendwann, wenn es günstig genug ist. Warum sollten Sie also als Aktionär dabei bleiben, wenn Sie in den dunkelsten Tagen eine mickrige Abfindung erwarten dürfen, ohne dann folgenden Aufstieg zu partizipieren?
Wir haben den Luxus, bislang mit unserem Portfolio trotz der starken Technologielast deutlich besser abgeschnitten zu haben als DAX oder Dow Jones. Wir sollten diesen Luxus nutzen und uns auf die veränderten Marktbedingungen einstellen, bevor wir dem Markt hinterherlaufen müssen. Nicht mit der Brechstange, aber zügig.
Der Ausverkauf ähnelt übrigens auch in einem anderen Punkt dem Ausverkauf aus dem Jahr 2000. Es gibt immer wieder drei bis fünf schwache Tage, gefolgt von ein bis zwei guten Tagen. Also: Wenn Sie nach einem guten Tag wieder grüne Vorzeichen sehen, machen Sie eine Verkaufsorder klar. Und gekauft wird nicht am ersten Minus-Tag und auch nicht am zweiten, sondern erst ab dem dritten.
So, nun lassen Sie uns schauen, wie die Börsen in den vergangenen Tagen abgeschnitten haben:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES
DIE "ANDEREN" MÄRKTE
Ach so, dann wollen wir mal damit beginnen, unseren Fokus weg von Technologie auf andere Dinge zu lenken.
China: Wie das Kaninchen auf die Schlange, schaut die Weltkonjunktur voller Angst auf die Entwicklungen in China. Wird es dem Land der Mitte gelingen, die Welt aus dem Konjunktursumpf zu ziehen? Ich denke, die Frage ist schon falsch. Die USA haben wieder den Staffelstab übernommen und werden China und damit den Rest der Welt aus dem Sumpf ziehen - auch wenn die heutige Konjunkturziffer über das BSP in den USA (+0,1% statt der erwarteten +1,1%) diese Rolle wieder in Frage stellt. Doch die Fed ist weiter zuversichtlich, und ich bin es auch. Schuld für die schlechte Zahl war ... das Wetter.
Europa: Schauen Sie sich Daimlers Zahlen an, der Konzern beginnt gerade erst, die Früchte der jahrelangen Entwicklungsarbeit zu ernten. Die Situation wird nicht mehr schlimmer, und das reicht schon aus um abzuwarten, bis die USA und dadurch mittelbar dann auch China uns aus dem Sumpf ziehen, inklusive der Club-Med Länder.