Öl - und Gasmultis - kommt jetzt die große Bewertungsexpansion?
Auf den ersten Blick sprechen die Fakten nicht gerade für steigende Kurse. Weniger Umsatz und weniger Gewinn - so lassen sich die Resultate der europäischen und amerikanischen Öl- und Gasmultis im ersten Quartal grob zusammenfassen. Als Gründe werden meistens Produktionsrückgänge und ein schwaches Raffineriegeschäft angeführt. Die Schwäche bezieht sich dabei nicht auf das absolute Niveau des Outputs, das in der Regel sehr hoch ist, sondern auf das Produktionswachstum, das praktisch nicht mehr vorhanden ist. Der Grund dafür ist, dass die Förderung in entwickelten Feldern mit der Zeit abnimmt und durch Output aus neu in Betrieb genommenen Feldern ersetzt werden muss. Hier muss seit Jahren kräftig investiert werden (s, Grafik Rand). Darunter leidet zunächst die Rentabilität.
Die Gewinne der Ölmultis werden in den nächsten Jahren mehr oder weniger stagnieren. Gleichwohl ist das Potenzial der Dividendenerhöhungen nicht ausgereizt. Das zeigte das erste Quartal. Den schwachen Quartalsresultaten zum Trotz erhöhten mehrere Öl- und Gasmultis die Dividenden. In Europa sind dies BP und Royal Dutch Shell, in den Vereinigten Staaten Exxon Mobil und Chevron. Die ohnehin schon überdurchschnittlichen Dividendenrenditen steigen somit weiter an.
Zinsen nahe Null. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich das Zinsumfeld in den nächsten 12 bis 18 Monaten ändern wird. Die realen Renditen liegen nahe Null. Wenn nun stabile Geschäftsmodelle wie die der Ölmultis mit moderaten Bewertungen und steigenden Ausschüttungen auf weiter sinkende Renditen treffen, dann kann es hier über die nächsten Monate zu einer deutlichen Bewertungsexpansion kommen. Das heißt: Die Kurse steigen, ohne dass die Gewinne mitlaufen.
Beispiel TOTAL (WKN: 850 727; 51,30 €): Total gehört zu den weltweit größten Öl- und Gasunternehmen. Der Konzern ist mit über 97 000 Angestellten in rund 130 Ländern aktiv. Ende 2013 verfügte der Konzern über geprüfte Öl- und Gasreserven von 11,5 Mrd. Fass Öl äquivalenten. Der Produktionsrückgang im ersten Quartal lag bei 6,2 %. Ertragsschwache Projekte wurden in den letzten Quartalen bereits abgestoßen. Branchenkenner gehen aber davon aus, dass Total in den kommenden Jahren, wenn ein paar ertragsreiche Großprojekte in Betrieb gehen, den Output wieder um 2 bis 3 % pro Jahr steigern wird. Total ist gleichzeitig auch der größte Raffineriebetreiber in Westeuropa, wo man acht Ölverarbeitungsanlagen besitzt. Aufgrund des Schieferölbooms in Nordamerika hat man im ersten Quartal einige Raffinerien stillgelegt. Mit anderen Worten: Total verschreibt sich einer rigorosen Kapitaldisziplin.
Niedriger Bewertungsansatz. Das KGV für das laufende Jahr liegt bei 10. Dazu kommt eine stabile Dividende von 2,50 € je Aktie. Daraus resultiert eine nachhaltige Dividendenrendite von 4,8 %. Dagegen stehen 10jährige deutsche Bundesanleihen mit Renditen von etwas über 1 % und italienische sowie spanische Renditen im gleichen Laufzeitbereich um die 3 %.
Wo liegt das mittelfristige Potenzial? Würde man Total ein KGV von 14 zugestehen, läge das Kursziel bei 70 €. Mit einer Dividendenrendite von 3,5 % würde man immer noch deutlich besser fahren als mit bonitätsstarken Staatsanleihen. Dieses Spiel dürften institutionelle Investoren nun verstärkt spielen.
Wer ist noch aussichtsreich? Statoil (WKN: 675 213; 22,42 €) konnte sich im Rahmen der Q1- Zahlen deutlich vom Rest der Ölkonzerne absetzen. Trotz leichtem Produktionsrückgang stiegen Umsatz und Gewinn. Wir hatten die Aktie bereits im AK 44.13 vom 31.10.2013 um 17 € zum Kauf empfohlen. Neues Ziel sind 26 €. In den USA dürfte Chevron (WKN: 852 552; 122,79 $) seine Seitwärtstendenz bald beenden. Der Ölmulti besitzt zahlreiche sehr profitable Produktionsaktiva. Darüber hinaus verfügt man über eine Pipeline mit mehreren vielversprechenden Großprojekten, die das Outputwachstum ab 2015 auf überdurchschnittliche 4 bis 5 % pro Jahr steigen lassen wird. Beide Titel sind mit KGV 12 moderat bewertet.