Griechenland ist vom Tisch

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 10.03.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Seit Dezember kennt die Börse nur noch eine Richtung: Gen Norden. Haben wir da nicht noch ein Schreckensgespenst, mit dem wir Privatanlegern die Angst in die Knochen treiben können? Na klar, Griechenland! Ein Gefallener kann sich nicht einmal mehr wehren. Und wer eine schnelle Reaktion der Euroländer fürchtet, der hat das Prinzip der eigenständigen Nationalstaaten nicht verstanden. Denn, um im Notwendigen Einmütigkeit herzustellen, bedarf es im Euroland mindestens 24 Stunden.


 

Und das reicht, um Verwirrung zu stiften, zu der sich viele zu

Wort melden, die keine Ahnung haben. Was haben wir am Dienstag

für einen Unsinn gehört: Wie hoch muss die Annahmequote sein:

60%, sonst ist Griechenland gescheitert? Nein, zwei Drittel

waren es. Oder vielleicht doch 75%? Nun, ohne die

erforderlichen 95% könne nicht verhindert werden, dass die

Kreditausfallversicherungen aktiviert werden – und dann droht

uns doch ein Lehman-Szenario, oder?

 

Ich habe in diesem Wirrwarr ebenfalls nicht mehr durchgeblickt

und beschränkte mich auf die Feststellung, dass Kanzlerin

Angela Merkel seit dem 10. Dezember alles richtig gemacht hat –

und damit standen die Chancen recht gut, dass sie auch die

freiwillige Umschuldung Griechenlands im Griff hat. Egal, was

für Horrormärchen verbreitet wurden. Entsprechendes schrieb ich

in einem Update an die PLUS-Kunden, wir haben also die

niedrigen Kurse zum Nachkaufen genutzt.

 

Überrascht war ich sodann jedoch davon, wie schnell diese

Gerüchte sich dann verflüchtigten. Schon am Mittwoch kamen

Zweifel an dem Horrorszenario auf, und am Donnerstag schien

wieder die Sonne auf dem Parkett. Das spricht wirklich für den

Gesundheitszustand unseres Bullenmarktes.

 

Heute wird die Annahmequote von 85,8% als Erfolg gefeiert.

Griechenland will die verbleibenden Investoren zwingen,

ebenfalls auf 75% ihrer Forderungen zu verzichten, und somit

werden nun die Ausfallversicherungen aktiviert. Von den

„unabsehbaren Folgen“ ist tatsächlich nicht viel zu sehen.

 

70 Mrd. USD soll das Volumen der Kreditausfallversicherungen

auf Griechenland weltweit betragen. Da die meisten Teilnehmer

an diesem Pokertisch sowohl solche Verträge ge- als auch

verkauft haben, ist der letztlich zu zahlende Betrag, der unser

Finanzsystem belasten könnte, wesentlich kleiner. Man schätzt

ihn auf etwa 3 Mrd. USD. Damit kann das Weltfinanzsystem nicht

aus den Angeln gehoben werden.

 

Wohl aber werden einige Teilnehmer auf dem falschen Fuß

erwischt worden sein und Pleite gehen. Ich rechne damit, dass

wir in den nächsten Wochen eine kleine Pleitewelle bei

Hedgefonds und anderen institutionellen Anlegern erleben

werden. Doch das dürfte dann tragisch für die entsprechenden

Unternehmen sein, nicht aber darüber hinaus Wellen schlagen.

 

In einer Umfrage vor zwei Wochen haben Anleger die Erwartung

formuliert, dass Griechenland im weiteren Jahresverlauf wieder

auf die Tagesordnung zurückkehrt. Ich denke, diese Erwartung

wird sich nicht mehr erfüllen. Für ein bis zwei Jahre haben wir

nun Ruhe.

 

„Wir“ heißt in diesem Fall natürlich „wir Anleger“. Es gibt

viele Probleme in Griechenland, und wir werden immer wieder

Berichte darüber sehen, wie schlimm alles dort unten ist. Doch

für die Börse dürfte das Thema vorerst keine Relevanz mehr

haben.

 

 

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche

entwickelt haben:

 

 

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

 

INDIZES               08.03.12 DIFF

Dow Jones              12.908      -0,6%

DAX                     6.834      -1,6%

Nikkei                  9.769      -0,1%

Euro/US-Dollar          1,328       0,0%

Euro/Yen               108,27      -0,1%

10-Jahres-US-Anleihe     2,01%      0,0

Umlaufrendite Dt         1,50%      0,0

Feinunze Gold USD   $1.700,90      -0,8%

Fass Brent Öl USD     $125,33      -1,3%

Kupfer in US$/to        8.340      -3,4%

Baltic Dry Shipping I     812       6,4%

 

So schnell und überraschend, wie der Ausverkauf erfolgte, so

schnell haben die meisten Aktienindizes ihre Verluste auch

wieder aufgeholt. Lediglich der DAX leidet noch etwas stärker

als seine japanischen und amerikanischen Geschwister, denn hier

in Deutschland haben nun einige große Unternehmen zusätzliche

Millionen abzuschreiben (Commerzbank, Allianz, Münchener Rück,

...).

 

 

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und

Analysten entwickelt:

 

 

SENTIMENTDATEN

 

Analysten

Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

 

Kaufen / Verkaufen

17.02.- 24.02. (251): 49% /  9%

24.02.- 02.03. (215): 42% / 12%

02.03.- 09.03. (178): 54% / 11%

 

Kaufempfehlungen der Analysten

Dt. Post, Henkel, Adidas

 

Verkaufsempfehlungen der Analysten

Carrefour, SMA Solar, Peugeot

 

Privatanleger

08. KW: 67% Bullen (131 Stimmen)

09. KW: 70% Bullen (134 Stimmen)

10. KW: 58% Bullen (147 Stimmen)

 

Kaufempfehlungen der Privatanleger

Société Générale, Salzgitter, Vivendi

 

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger

Haulotte, Veolia Environnement, Solarworld

 

Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise

erstellt:

http://www.sharewise.com?heibel

 

Privatanlegern sitzt der Schock vom Dienstag in den Knochen.

Nach vielen Wochen des Optimismus wurde ihnen vor Augen

geführt, wie schnell sich das Blatt an der Börse wenden kann,

und so brachen die Bullen von 70% auf 58% ein.

 

In meinen Augen ist das eine gesunde Entwicklung in einem

Bullenmarkt: Überschwänglicher Optimismus muss abgebaut werden.

Dass dies so schnell und heftig erfolgte, ist natürlich nichts

für schwache Nerven.

 

Analysten arbeiten mit komplexen Rechenmodellen, um ihre

Kursziele auszuarbeiten. Brechen die Kurse plötzlich ein, ohne

dass sich fundamental etwas geändert hätte, was ins

Rechenmodell aufgenommen werden könnte, dann liegen die

ursprünglichen Kursziele plötzlich deutlich über den aktuellen

Kursen, was zu dem „Sprung im Optimismus“ der Analysten führt.

Ich würde diesem Umstand also höchstes zuschreiben, dass

Analysten diesen Einbruch als Einstiegsgelegenheit gesehen

haben müssen – sofern sie die Nerven behalten haben.

 

Meine Gesprächspartner haben das nicht, ich war der Einzige,

der stoisch seine Nachkaufliste abarbeitete.

 

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen

treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie

ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den

höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach

an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am

meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

 

Firma   Analyse vom Kurs   Ziel  Upside

Dt Forfait  08.03  2,80€   5,50€  96,43%

WILEX AG    05.03  3,39€   6,50€  91,74%

Hugo-BossVZ 07.03 81,21€ 130,80€  61,06%

QSC AG      06.03  2,32€   3,70€  59,48%

Adidas      07.03 58,22€  91,70€  57,51%

BECHTLE AG  08.03 31,37€  47,00€  49,82%

ADIDAS AG   09.03 46,80€  70,00€  49,57%

CENTROTHERM 09.03 11,08€  16,00€  44,40%

MORPHOSYS   08.03 18,94€  27,00€  42,56%

 

Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen

Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig

auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille

sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell

optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend

erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber,

wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten

auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst

oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall

individuell zu beurteilen.

Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag