Griechenland ist vom Tisch

Seit Dezember kennt die Börse nur noch eine Richtung: Gen Norden. Haben wir da nicht noch ein Schreckensgespenst, mit dem wir Privatanlegern die Angst in die Knochen treiben können? Na klar, Griechenland! Ein Gefallener kann sich nicht einmal mehr wehren. Und wer eine schnelle Reaktion der Euroländer fürchtet, der hat das Prinzip der eigenständigen Nationalstaaten nicht verstanden. Denn, um im Notwendigen Einmütigkeit herzustellen, bedarf es im Euroland mindestens 24 Stunden.
Und das reicht, um Verwirrung zu stiften, zu der sich viele zu
Wort melden, die keine Ahnung haben. Was haben wir am Dienstag
für einen Unsinn gehört: Wie hoch muss die Annahmequote sein:
60%, sonst ist Griechenland gescheitert? Nein, zwei Drittel
waren es. Oder vielleicht doch 75%? Nun, ohne die
erforderlichen 95% könne nicht verhindert werden, dass die
Kreditausfallversicherungen aktiviert werden – und dann droht
uns doch ein Lehman-Szenario, oder?
Ich habe in diesem Wirrwarr ebenfalls nicht mehr durchgeblickt
und beschränkte mich auf die Feststellung, dass Kanzlerin
Angela Merkel seit dem 10. Dezember alles richtig gemacht hat –
und damit standen die Chancen recht gut, dass sie auch die
freiwillige Umschuldung Griechenlands im Griff hat. Egal, was
für Horrormärchen verbreitet wurden. Entsprechendes schrieb ich
in einem Update an die PLUS-Kunden, wir haben also die
niedrigen Kurse zum Nachkaufen genutzt.
Überrascht war ich sodann jedoch davon, wie schnell diese
Gerüchte sich dann verflüchtigten. Schon am Mittwoch kamen
Zweifel an dem Horrorszenario auf, und am Donnerstag schien
wieder die Sonne auf dem Parkett. Das spricht wirklich für den
Gesundheitszustand unseres Bullenmarktes.
Heute wird die Annahmequote von 85,8% als Erfolg gefeiert.
Griechenland will die verbleibenden Investoren zwingen,
ebenfalls auf 75% ihrer Forderungen zu verzichten, und somit
werden nun die Ausfallversicherungen aktiviert. Von den
„unabsehbaren Folgen“ ist tatsächlich nicht viel zu sehen.
70 Mrd. USD soll das Volumen der Kreditausfallversicherungen
auf Griechenland weltweit betragen. Da die meisten Teilnehmer
an diesem Pokertisch sowohl solche Verträge ge- als auch
verkauft haben, ist der letztlich zu zahlende Betrag, der unser
Finanzsystem belasten könnte, wesentlich kleiner. Man schätzt
ihn auf etwa 3 Mrd. USD. Damit kann das Weltfinanzsystem nicht
aus den Angeln gehoben werden.
Wohl aber werden einige Teilnehmer auf dem falschen Fuß
erwischt worden sein und Pleite gehen. Ich rechne damit, dass
wir in den nächsten Wochen eine kleine Pleitewelle bei
Hedgefonds und anderen institutionellen Anlegern erleben
werden. Doch das dürfte dann tragisch für die entsprechenden
Unternehmen sein, nicht aber darüber hinaus Wellen schlagen.
In einer Umfrage vor zwei Wochen haben Anleger die Erwartung
formuliert, dass Griechenland im weiteren Jahresverlauf wieder
auf die Tagesordnung zurückkehrt. Ich denke, diese Erwartung
wird sich nicht mehr erfüllen. Für ein bis zwei Jahre haben wir
nun Ruhe.
„Wir“ heißt in diesem Fall natürlich „wir Anleger“. Es gibt
viele Probleme in Griechenland, und wir werden immer wieder
Berichte darüber sehen, wie schlimm alles dort unten ist. Doch
für die Börse dürfte das Thema vorerst keine Relevanz mehr
haben.
Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche
entwickelt haben:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES
INDIZES 08.03.12 DIFF
Dow Jones 12.908 -0,6%
DAX 6.834 -1,6%
Nikkei 9.769 -0,1%
Euro/US-Dollar 1,328 0,0%
Euro/Yen 108,27 -0,1%
10-Jahres-US-Anleihe 2,01% 0,0
Umlaufrendite Dt 1,50% 0,0
Feinunze Gold USD $1.700,90 -0,8%
Fass Brent Öl USD $125,33 -1,3%
Kupfer in US$/to 8.340 -3,4%
Baltic Dry Shipping I 812 6,4%
So schnell und überraschend, wie der Ausverkauf erfolgte, so
schnell haben die meisten Aktienindizes ihre Verluste auch
wieder aufgeholt. Lediglich der DAX leidet noch etwas stärker
als seine japanischen und amerikanischen Geschwister, denn hier
in Deutschland haben nun einige große Unternehmen zusätzliche
Millionen abzuschreiben (Commerzbank, Allianz, Münchener Rück,
...).
Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und
Analysten entwickelt:
SENTIMENTDATEN
Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):
Kaufen / Verkaufen
17.02.- 24.02. (251): 49% / 9%
24.02.- 02.03. (215): 42% / 12%
02.03.- 09.03. (178): 54% / 11%
Kaufempfehlungen der Analysten
Dt. Post, Henkel, Adidas
Verkaufsempfehlungen der Analysten
Carrefour, SMA Solar, Peugeot
Privatanleger
08. KW: 67% Bullen (131 Stimmen)
09. KW: 70% Bullen (134 Stimmen)
10. KW: 58% Bullen (147 Stimmen)
Kaufempfehlungen der Privatanleger
Société Générale, Salzgitter, Vivendi
Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Haulotte, Veolia Environnement, Solarworld
Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel
Privatanlegern sitzt der Schock vom Dienstag in den Knochen.
Nach vielen Wochen des Optimismus wurde ihnen vor Augen
geführt, wie schnell sich das Blatt an der Börse wenden kann,
und so brachen die Bullen von 70% auf 58% ein.
In meinen Augen ist das eine gesunde Entwicklung in einem
Bullenmarkt: Überschwänglicher Optimismus muss abgebaut werden.
Dass dies so schnell und heftig erfolgte, ist natürlich nichts
für schwache Nerven.
Analysten arbeiten mit komplexen Rechenmodellen, um ihre
Kursziele auszuarbeiten. Brechen die Kurse plötzlich ein, ohne
dass sich fundamental etwas geändert hätte, was ins
Rechenmodell aufgenommen werden könnte, dann liegen die
ursprünglichen Kursziele plötzlich deutlich über den aktuellen
Kursen, was zu dem „Sprung im Optimismus“ der Analysten führt.
Ich würde diesem Umstand also höchstes zuschreiben, dass
Analysten diesen Einbruch als Einstiegsgelegenheit gesehen
haben müssen – sofern sie die Nerven behalten haben.
Meine Gesprächspartner haben das nicht, ich war der Einzige,
der stoisch seine Nachkaufliste abarbeitete.
Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen
treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie
ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den
höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach
an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am
meisten über dem aktuellen Kurs liegt:
Firma Analyse vom Kurs Ziel Upside
Dt Forfait 08.03 2,80€ 5,50€ 96,43%
WILEX AG 05.03 3,39€ 6,50€ 91,74%
Hugo-BossVZ 07.03 81,21€ 130,80€ 61,06%
QSC AG 06.03 2,32€ 3,70€ 59,48%
Adidas 07.03 58,22€ 91,70€ 57,51%
BECHTLE AG 08.03 31,37€ 47,00€ 49,82%
ADIDAS AG 09.03 46,80€ 70,00€ 49,57%
CENTROTHERM 09.03 11,08€ 16,00€ 44,40%
MORPHOSYS 08.03 18,94€ 27,00€ 42,56%
Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen
Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig
auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille
sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell
optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend
erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber,
wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten
auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst
oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall
individuell zu beurteilen.