Die Welt ertrinkt in Liquidität
Frankfurter Börsenbrief
Angesichts der noch weitgehend zahmen Entwicklung der Inflation in den westlichen Ländern kann man sich die Frage stellen, ob wir nicht bereits im deflationären Bereich wären, wenn die Notenbanken nicht derart auf dem Gaspedal stehen würden. Bei der Fed, der EZB, der BoE, der BoJ sowie den Notenbanken von Deutschland, Frankreich, China und der Schweiz ergab sich allein seit Ende Mai 2006 (also beginnend schon vor der großen Finanzkrise) eine Explosion der kumulierten Bilanzsumme von zuvor etwa 5,42 Billionen Dollar auf 15,05 Billionen Dollar per Ende Oktober 2011.
Und es waren beileibe nicht nur die Amis mit ihrem „Helicopter-Ben“ an der Spitze der Notenbank, die eine massive Ausweitung der Notenbank-Bilanzsumme zuließen. Die Bilanzsumme der Schweizer Nationalbank ist von grob 100 Mrd. Franken (gegen Anfang 2008) auf ca. 365 Mrd. Franken gestiegen. Die Banque de France weitete die Bilanzsumme seit 2001 von ca. 100 auf inzwischen etwa 650 Mrd. Euro aus. Auch die dt. Bundesbank ist prominent mit an Bord. Hier wurde die Bilanzsumme von etwa 100 Mrd. Euro (2007) auf in jüngerer Zeit klar mehr als 700 Mrd. Euro hochgefahren. Die Ausweitung der Bilanzsummen ist ein international sehr breiter Trend. Und der Gipfel ist auch damit noch nicht erreicht. In den USA scheint man sich verbal warmzulaufen für eine dritte Runde des Quantitative Easing-Programms. In Europa liegt der jüngste Dreijahrestender der EZB erst einige Wochen zurück mit einem Volumen von ca. 489 Mrd. €. Gegen Ende Februar ist es voraussichtlich wieder so weit. Doch beim nächsten Langfristtender der EZB erscheint durchaus auch ein Volumen im Bereich von 1.000 bis 1.500 Mrd. € denkbar. Die Banken können sich also gnadenlos mit extrem günstiger Liquidität vollsaugen. Das erleichtert die jeweilige Refinanzierung der Banken natürlich enorm. Aber es ist mehr als das System benötigt.
Wohin fließt das Geld, wenn wir auf Europa schauen? Ein Teil wird ganz simpel geparkt bei der EZB. Die sog. Einlagefazilität bei der EZB wurde in jüngerer Zeit in Anspruch genommen mit etwa 472 Mrd. € (31.01.). Zinssatz für diese Einlagen gerade mal 0,25 %. Degegen steht ein Finanzierungszins beim jüngsten 3-Jahrestender von 1,0 %. Bestenfalls als Notfallkasse macht diese Einlagengröße Sinn, denn die Banken zahlen drauf.
Eine primäre Anlagerichtung dürften europäische Staatsanleihen sein bzw. werden, gegebenenfalls auch mit etwas politischem „Anschub“. Beispiel Italien: Die neue italienische Politik macht einen konstruktiven Eindruck. Ital. Staatsanleihen rentieren schon eine Hausnummer niedriger als zu den jüngeren Spitzenzeiten, sind aber gleichwohl noch hoch mit etwa 5,8 % für 10-jährige Papiere. Das ist das grob Sechsfache des Tender-Zinssatzes bei der EZB. Das wäre gewissermaßen eine gnadenlos günstige Variante eines inner-kontinentalen Carry Trades, bei der viele Adressen schwach werden dürften zumindest wenn die Politik glaubhaft vermitteln kann, dass der Abschreibungsbedarf im Falle von Griechenland ein Einzelfall bleibt.
Die zweite Stoßrichtung wäre die Realwirtschaft, also der klassische Unternehmenskredit. Auch dies wird mit einem Liquiditätsüberschuss einfacher, scheint aber zumindest derzeit noch nicht die Trendrichtung zu sein. In Deutschland gibt es keine Kreditklemme (s. Seite 7). In anderen Ländern sieht es deutlich anders aus. Nach einer Untersuchung der EZB gab es im vierten Quartal 2011 per saldo eine deutliche Verschärfung der Kreditstandards und zwar in fast allen größeren Ländern der Eurozone mit Ausnahme von Deutschland.
Destination Nummer 3 werden die sonstigen Kapitalmärkte. Also grundsätzlich neben Rohstoffen und Immobilien (selektiv) auch Aktien. Indikativ ist der hervorragende Jahresauftakt der Aktienmärkte: Der MSCI All Country Index zeigte den steilsten Jahresstart seit 1994, beim S&P 500 ergab sich mit plus 4,4 % der beste Startmonat seit 1997.