Besonderheiten des Baltic Dry Index

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 29.07.2010
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Sondereffekte des Baltic Dry Index Nachdem ich Ihnen in der Ausgabe vom vergangenen Freitag eine ausführliche Besprechung der Einflussfaktoren des Baltic Dry Indexes geliefert hatte, war der Wissensdurst einiger Leser nicht gestillt, sondern gerade erst angeheizt. So habe ich aufbauend auf die Besprechung des befreundeten Autors nochmals meine eigenen Informationsquellen aufgesucht. Dabei sind noch einige wichtige Details zutage gekommen. Marc Ewers hatte gezeigt, dass die Schwankungen im Baltic Dry Index weniger von der Aktienmarktentwicklung und weniger von der Größe der verfügbaren weltweiten Transportflotte abhängen, als vielmehr vom Ölpreis. Das traf, grob betrachtet, in den vergangenen Jahren ziemlich gut zu.


Doch in den vergangenen Wochen war der Baltic Dry Index von 4.500 auf 1.700 Punkte eingebrochen, während der Ölpreis im gleichen Zeitraum von 70 auf 76 USD/Fass anstieg. Kurzfristig trifft die Abhängigkeit also offensichtlich nicht zu. Um den kurzfristigen Zusammenhang besser zu verstehen, habe ich mir den Index einmal im Detail angeschaut. Der Baltic Dry Index ist ein Preisindex für Transportkosten von Schüttgut auf den Weltmeeren, der sich aus verschiedenen Größenordnungen und Routen zusammensetzt. In den Index gehen verschieden große Schiffe ein, die unterschiedlich viel Tonnen an Schüttgut aufnehmen können. Die Bezeichnung der Schiffsgröße richtet sich nach den Passagen, die mit den Schiffen möglich sind, so heißen die ganz großen Schiffe mit einer Ladekapazität von 165.000 Tonnen Schüttgut „Capesize“. Diese Schiffe sind groß genug, um das Kap der guten Hoffnung (Südafrika, Cape – früher hieß es nicht ohne Grund Kap der wilden Stürme) zu umfahren. Routen um das Kap der Guten Hoffnung gelten als die gefährlichsten Routen auf den Weltmeeren, weil dort Atlantic und Indischer Ozean mit unterschiedlichen Temperaturen aufeinanderstoßen und zu einer besonders wilden See führen. Unzählige Schiffe sind dort bereits gekentert. Schiffe mit einer Kapazität von 72.000 Tonnen sind gerade noch klein genug, um durch den Panama-Kanal zu passen, der den Atlantik und den Pazifik in Mittelamerika miteinander verbindet. Diese Schiffsgröße heißt entsprechend „Panamax“. So gibt es noch die Schiffsgröße Suezmax, die nach den Maßen des Suezkanals bezeichnet wird und noch eine Reihe weiterer Größen. Darüberhinaus gehen in den Baltic Dry Index auch die kleineren Schiffsgrößen wie „Handymax“ und „Small Handy“ ein. Ich habe Ihnen eine Graphik der unterschiedlichen Preisentwicklungen dieser Schiffsgrößen auf meine Webseite gestellt, Sie können die Graphik über den folgenden Link aufrufen: http://www.heibel-ticker.de/BDI.gif Aus der Graphik können Sie sehen, dass die Preisentwicklung der meisten Transportgrößen mittel- und langfristig nur geringen Schwankungen unterliegt, lediglich die Transportkosten für die Riesenschiffe der Capesize-Kategorie unterliegen seit Ende 2007 heftigen Schwankungen. So, wir wissen nun, dass der Baltic Dry Index sich aus verschiedenen Schiffsgrößen zusammensetzt. Ich verzichte hier darauf, die unterschiedlichen Preise für die verschiedenen Transportrouten zu betrachten, da die entsprechenden Daten für mich völlig unübersichtlich und schwer zu interpretieren sind. Ich habe meine Schlussfolgerungen auch ohne diese Daten ziehen können, denn Rückschlüsse auf unterschiedliche regionale Entwicklungen kann ich auch aus anderen Informationsquellen ziehen, wie Sie gleich sehen werden. Doch zuvor möchte ich noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam machen: Der Baltic Dry Index gibt die Spotpreise wieder, also die Tagespreise, die Charterer an Reeder bezahlen, um Güter zu transportieren. Typischerweise werden die Preise tageweise berechnet, teilweise auf bis zu 6-Monatssicht. Doch diese kurzfristigen Preisverhandlungen zwischen Charterern und Reedern sind die Ausnahme. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden natürlich kaum langfristige Verträge zwischen den Charterern und Reedern geschlossen. Charterer hatten Mühe, die bestehenden langfristigen Transportverträge auszulasten, und so fiel der Baltic Dry Index unter 800 USD/Tag. Die mit langfristigen Verträgen ausgehandelten Transportkapazitäten wurden von den Charterern nicht ausgenutzt und so wurden die Überkapazitäten der Reeder verramscht. Es folgte der für viele überraschende Konjunkturaufschwung, während sich viele schon auf eine Weltwirtschaftskrise eingestellt hatten (Sie erinnern sich wie lange ich hier im Heibel-Ticker meine Meinung über die Aktienrallye gegen die weit verbreitete Erwartung eines Double-Dips oder einer Bärenmarktrallye und ähnliches verteidigen musste). So ist es nicht verwunderlich, dass die durch langfristige Verträge bepreisten Transportkapazitäten bald ausgelastet waren und Charterer händeringend nach weiteren Transportkapazitäten suchten. So sprang vor dem Hintergrund des überraschenden Konjunkturaufschwungs der Baltic Dry Index, der die kurzfristigen Nachfrageschwankungen zeigt, stark an. Als sich sodann jedoch der Aufschwung etablierte, begannen die Charterer wieder langfristige Rahmenverträge mit den Reedern zu schließen. Die Preise von langfristigen (5 bis 10 Jahre laufenden) Rahmenverträgen für die Transporte werden im Baltic Dry Index nicht wiedergegeben. Ich gehe jedoch davon aus, dass heute Rahmenverträge über wesentlich mehr Tonnen existieren als noch vor einem Jahr. Im Umkehrschluss gehen heute also wesentlich weniger Daten in den Baltic Dry Index ein, als noch vor einem Jahr, als viele Charterer ihre Transportbedürfnisse auf dem Spotmarkt eindeckten. Wenig Handelsvolumen führt nicht nur an der Aktienbörse zu starken Preisschwankungen, sondern auch auf dem Spotmarkt für die Transportschiffe. So würde ich aus der Intensität des Ausschlages in der jüngsten Zeit, sowie über das endgültige Preisniveau, nicht mehr relative Schlüsse ziehen, sondern lediglich einen Trend ableiten. Wenn Sie sich nun noch den starken Preisanstieg des BDI im vergangenen Jahr anschauen, dann fällt es nicht schwer sich vorzustellen, dass viele Charterer diese hohen Spotpreise nicht zahlen wollten und lieber auf dem langfristigen Markt mit Rahmenverträgen günstigere Raten vereinbarten – wenn auch mit festen Abnahmemengen. Heute sind die Charterer daher garnicht mehr so abhängig vom Spotmarkt. Auch die Reeder sind dankbar für langfristige Verträge, weil sie auf diese Weise besser kalkulieren können. Eine verlässliche Planung ist Reedern meist wichtiger als die Chance auf eine Überrendite auf dem Spotmarkt mit einem entsprechenden Risiko. So also die aktuelle Entwicklung auf dem Markt der Transportschiffe. Regionale Entwicklungen können wir in China und Indien betrachten: In Indien ist der Monsun dieses Jahr besonders heftig und das führt zu einem Rückgang der dortigen Wirtschaftsleistung, also auch der Transportmengen. In China werden mehr neue Schiffe gebaut als irgendwo sonst in der Welt und insbesondere die riesigen Capesize Schiffe verlassen im Akkord die chinesischen Werften. Einer Branchenstudie zufolge wird derzeit mehr zusätzliche Transportkapazität geschaffen als Bedarf durch den Rohstoffhandel ansteigt. Auch eine solche Entwicklung könnte kurzfristig auf den Preis drücken, jedoch nicht langfristig, wie wir aus der Betrachtung von vor einer Woche wissen. Aus allen diesen Einflussfaktoren schließe ich nun, dass aus der Preisentwicklung des Baltic Dry Index kaum Rückschlusse über die Konjunkturentwicklung gezogen werden können. Es ist jeweils ein Blick ins Detail notwendig, um die verschiedenen Entwicklungen besser einzuschätzen. Ich werde das auch künftig sporadisch tun, doch als wöchentlicher Index ist der Baltic Dry Index nunmehr meiner Einschätzung nach nicht sonderlich sinnvoll.
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