Zurück zur Börsennormalität

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 05.10.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Die Euro-Schuldenkrise entspannt sich zusehends, Facebook hat inzwischen eine Milliarde Kunden, Steinbrück ist Kanzlerkandidat der SPD, Obama vergeigt das erste von drei Fernsehduellen gegen Mitt Romney um die US-Präsidentschaft, und heute wurden herausragend gute US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Nachdem wir das gesamte Frühjahr und den halben Sommer durch wöchentlich mit dem Ende der Euro-Zone konfrontiert wurden, lesen sich diese Schlagzeilen doch recht harmlos, oder?


Ja, an den Finanzmärkten kehrt man zurück zum Tagesgeschäft

Einzelmeldungen zu Unternehmen bewegen die entsprechenden Aktienkurse.
Das ist ein großer Unterschied zur Situation von vor ein paar Monaten,
als politische Entwicklungen den gesamten Aktienmarkt nach unten oder
oben bewegten, ungeachtet der Geschäftsentwicklung einzelner
Unternehmen. Man könnte auch sagen, in diesen Wochen trennt sich die
Spreu vom Weizen :-)

Soll ich also darauf eingehen, dass es schon ein "komischer" Zufall ist,
dass so kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA die
Arbeitslosenstatistik deutlich besser ausfällt? Durch die Medien
geistert der unausgesprochene Vorwurf, Obama habe die Arbeitsmarktdaten
geschönt. Das ist in meinen Augen Quatsch. Bei allem Einfluss, den der
US-Präsident haben mag, und bei allen Unzulänglichkeiten, die mit der
Erhebung der Arbeitsmarktdaten zusammen hängen, so ist an der
monatlichen Entwicklung der Zahlen doch kaum zu rütteln. Obama hätte
sich diese positiven Zahlen schon viel früher gewünscht.

http://www.heibel-ticker.de/image_uploads/32-Obama.jpeg
Abbildung 1: Obama

Soll ich auf Steinbrück als Gegner von Angela Merkel eingehen?

Erstmals in meinem Leben entwickle ich Sympathien für einen linken Kandidaten.
Immerhin hat er einen alten Vorschlag von mir aufgegriffen, im
Finanzsektor das Investmentbanking vom traditionellen Bankgeschäft zu
trennen. Doch ob an dieser markigen Forderung mehr dran ist als das
Aufgreifen eines populären Themas, wird sich höchstens nach einem
Wahlsieg Steinbrücks zeigen, und der liegt noch in weiter Ferne.

Immer wieder werde ich gefragt, ob Facebook nicht langsam eine
Spekulation wert sei. Immerhin ist die Aktie von 26 auf 16 Euro
gefallen. Und diese Woche wurde bekannt gegeben, dass Facebook eine
Milliarde Kunden hat.

Dieses Argument verkennt die Mechanismen der Börse für einen Aktienkurs

Wenn Facebook nicht herausfindet, wie man die eine Milliarde Kunden zu
Geld machen kann, dann wird niemand die Aktie kaufen. Für die hohe
Bewertung, mit der das Unternehmen an die Börse ging, galt es als
gegeben, dass Facebook insbesondere über mobile Plattformen wie
Smartphones und Touchpads hohe Werbeeinnahmen erzielen werde. Inzwischen
wissen wir, dass Facebook gerade mal über Internetbrowser auf
herkömmlichen Computern Werbeeinnahmen erzielt. Einen Weg, die mobilen
Nutzer zu Geld zu machen, hat auch Facebook bis heute nicht gefunden.

Eine fundamentale Bewertung des Ist-Zustands ist vor diesem Hintergrund
völlig irrelevant, da Anleger, die Facebook aufgrund der Phantasie im
Mobilfunkmarkt gekauft haben, weiterhin die Aktie verkaufen werden.
Egal, wie "unterbewertet" die Aktie sein mag.

Zudem stehen weitere Lock-up Zeitpunkte an, zu denen Insider ihre Aktien
auf den Markt werfen können. Und wir haben schon gesehen, dass die
Facebook-Insider ohne Rücksicht auf den Kurs gerne große Stückzahlen auf
den Markt werfen, was den Kurs weiter belasten dürfte.

Nein, ich bleibe bei Facebook weiter in der Beobachterposition.

25 JAHRE NACH DEM BÖRSENCRASH

Wir befinden uns im Monat Oktober. Vor 25 Jahren fand im Oktober einer
der heftigsten Börsencrashs statt, den wir je erlebt haben. Damals waren
automatisch eingegebene Orders mit Stopp Loss Option noch neu,
institutionelle Anleger lobten die Möglichkeit als herausragende
Errungenschaft zur Verlustbegrenzung. Doch es zeigte sich, dass daraus
ein sich selbst verstärkender Prozess losgetreten werden kann: Wird eine
Stopp Loss Marke unterschritten, so werden automatisch Verkaufsaufträge
generiert, die den Kurs weiter in den Keller treiben und dadurch weitere
Stopp Loss Marken unterschreiten lassen, was wiederum weitere
automatisch generierte Verkaufsorders ... usw. Binnen weniger Stunden
waren die Börsen um 20% eingebrochen.

Man hat inzwischen vielfältige Mechanismen eingeführt, damit sich ein
solcher Vorfall nicht wiederholen kann. Doch heute sieht die Börsenwelt
ganz anders aus: High Frequency Trading macht inzwischen über 50% des
Handelsvolumens an den Börsen aus. Das heißt, dass die Hälfte aller
Käufe nicht mit der Absicht getätigt werden, Anteilseigner eines
Unternehmens zu werden, sondern lediglich aufgrund von technischen
Signalen erfolgen und binnen weniger Sekunden bereits wieder aufgelöst
werden.

Glücksspiel

Am 6. Mai 2010 konnten wir erleben, wie der Dow Jones binnen weniger
Minuten (nicht Stunden, wie noch vor 25 Jahren!) um 9% einbrach.
Einzelaktien verloren bis zu 99% ihres Wertes. Schon am Abend war der
Spuk vorbei und die Kurse hatten sich dem vorangehenden Niveau wieder
angeglichen. Geschädigt wurde nur, wer in den Ausverkauf hinein seine
eigene Position in Panik (oder aufgrund eines automatischen Stopp Loss
Auftrags - ich rate stets davon ab, solche Stopp Loss Orders einzugeben)
verkauft hat.

Ich erinnere mich an den Börsengang von Facebook, als Anleger erst in
den Tagen danach erfuhren, ob und wie viele Aktien sie zugeteilt
bekamen. Die Börse Nasdaq und Facebook haben noch einen Sack voll Klagen
am Bein, um diesen Vorfall zu klären.

Gestern ist nach der Absplittung der Snack-Sparte Mondelez von Kraft
Foods in zwei eigenständige Gesellschaften der Kurs von Kraft binnen
einer Minute um 28,5% in die Höhe gesprungen. Die Ursache war erneut ein
Computerfehler bei der Technologiebörse Nasdaq.

Heute führten einige fehlerhafte Aufträge bei der Börse von Mumbai,
Indien, zu einem Kurssturz von 16% im Nifty Fifty (Indischer
Börsenindex). Einige Einzeltitel verloren viel mehr; 40 Mrd. Euro
Marktkapitalisierung wurden so binnen einer Minute vernichtet.

Welcher Anleger möchte seine ehrlich verdienten Ersparnisse noch in
dieses Glücksspiel investieren? Doch in meinen Augen sind diese
Ereignisse nur ein Indiz dafür, dass wir unser Finanzsystem grundlegend
überarbeiten müssen. Handelssysteme sind so schnell, dass keine
Regulierung hinterherkommt. Egal, was sich einzelne Länder an
Einschränkungen ausdenken, durch internationale Firmen können
institutionelle Händler ihre Handelssysteme so programmieren, dass sie
in Bruchteilen von Sekunden die Vorteile der verschiedenen Rechtssysteme
verschiedener Orte ausnutzen können.

So sympathisch mir also der Vorschlag einer Trennung des Bankgeschäfts
vom Investmentgeschäft sein mag, es trifft leider noch immer nicht den
Kern unseres Problems: International einheitliche Regeln für die
Finanzmärkte sind erforderlich. Die fehlende Koordination in der Politik
wird von institutionellen Händlern zum eigenen Vorteil ausgenutzt.

Lassen Sie sich also in den kommenden Wochen nicht ins Bockshorn jagen

Zum einen sollten Sie Stopp Loss Marken nur auf einem Zettel notieren
und bei deren Unterschreiten selbst entscheiden, ob Sie tatsächlich
verkaufen oder nicht. Zum Zweiten sollten Sie das Untergangsgequatsche
nicht zu ernst nehmen, denn die Notenbanken weltweit fluten die
Finanzmärkte. Da ist jeder noch so kleine Rückschlag an den Börsen eine
Kaufgelegenheit. Und zum Dritten sollten Sie immer ein wenig Cash
verfügbar haben, um im Falle solcher Flashcrashs schnell agieren und
Schnäppchen kaufen zu können... wenn Sie denn schnell genug sein
sollten.

Schauen wir uns einmal die wöchentliche Performance der wichtigsten
Indizes an:

Mehr zu den einzelnen Indizes lesen Sie im Kapitel 05 -
Monatsbetrachtung.

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

Kaufen / Verkaufen
14.09.- 21.09. ( 99): 54% / 9%
21.09.- 28.09. (101): 45% / 9%
28.09.- 05.10. (226): 49% / 15%

Kaufempfehlungen der Analysten
Deutsche Telekom, Bayer, Roche

Verkaufsempfehlungen der Analysten
AstraZeneca, Hennes+Mauritz, Nokia

Privatanleger
38. LW: 48% Bullen (154 Stimmen)
39. KW: 52% Bullen (153 Stimmen)
40. KW: 57% Bullen (141 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Bouygues S.A., Alcatel-Lucent, Pagesjaunes

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Apple, Michelin, National Bank of Greece

Der DAX hat auf hohem Niveau "konsolidiert", ist also einige Tage
seitwärts gelaufen und konnte so den heftigen Kursanstieg des Monats
September gut verdauen. Nun bilden sich so langsam wieder Lager, die
Analysten werden gleichermaßen optimistischer (49%) als auch
pessimistischer (15%). Sie verlassen also ihre neutrale Haltung und
entscheiden sich für die eine oder andere Richtung. Das birgt die Gefahr
einer baldigen heftigen Bewegung. Entsprechend formiert sich auch unter
den Privatanlegern eine Bullenfraktion (57%).

Aus technischer als auch aus Semimentsicht spricht also einiges für eine
scharfe Korrektur in den nächsten Wochen. Ich will mich hier nicht gegen
diese Einschätzung stellen. Allerdings dürfte eine etwaige Korrektur nur
kurz anhalten, da zu vieles für weiter steigende Kurse spricht. Nutzen
wir also eine technische Korrektur, so sie denn kommen sollte, zum
Schnäppchenkauf.

Im nächsten Kapitel zeige ich Ihnen ein mögliches Schnäppchen auf

Das Unternehmen ist seit vielen Jahren im Technologiesektor etabliert, doch
es kommt mir vor wie ein verschlafenes Dornröschen. Ein neuer CEO soll
der hübschen Dame nun neues Leben einhauchen und hat bereits in den
ersten Tagen seine Überzeugung demonstriert: Er kaufte privat über die
Börse Aktien im Wert von über 1,4 Millionen US-Dollar. Insiderverkäufe
sind häufig durch externe Gründe bedingt und somit wenig aussagekräftig.
Insiderkäufe in diesem Volumen jedoch lassen aufhorchen. Niemand zwingt
ihn, sein Vermögen in das Unternehmen zu stecken, das ihm sein Gehalt
zahlen soll. Er geht hier doppeltes Risiko ein. Mehr dazu im nächsten
Kapitel.

 

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