Verliert Krebs in naher Zukunft seinen Schrecken?

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 19.02.2014
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Aktionärsbrief

Der Traum, den Krebs endgültig heilen zu können, wird wohl bis auf Weiteres unerreichbar bleiben. Aber nach den jüngsten Forschungsergebnissen ist zumindest zu erwarten, dass Krebs keine tödliche, sondern nur noch eine chronische Krankheit sein könnte. Oder anders ausgedrückt: Patienten können den Krebs zwar nicht abschütteln, aber zumindest mit ihm leben. Der revolutionäre Ansatzpunkt steckt darin, den Krebs, der sich durch genetische Veränderungen dem Zugriff des menschlichen Immunsystems entzieht, für die körpereigenen Abwehrkräfte wieder angreifbar zu machen. Üblicherweise läuft der Abwehrprozess folgendermaßen ab: Krankes Gewebe wird normalerweise erkannt und zerstört. Damit dies nicht unkontrolliert passiert oder sich versehentlich gegen körpereigene Zellen richtet, bilden die Immunzellen nach ca. zwei Tagen eine Art Stecker (Rezeptor) aus. Kann dieser sich mit der verbliebenen Zelle über eine Art „Steckdose“ (Ligand) verbinden, stellt die Immunzelle ihre Abwehrtätigkeit ein. Krebszellen können in bestimmten Fällen diese „Steckdose“ imitieren und so den Immunzellen vortäuschen, dass es sich um gesundes Gewebe handelt. Durch diesen Trick können sie den Abwehrprozess außer Kraft setzen. Auch wenn nicht alle Krebsarten an derselben Verbindungsstelle ansetzen, kommt die Verknüpfung zwischen den Rezeptoren des Typs PD-1 und Liganden des Typs PD-L-1 gehäuft vor.


Neue Ansätze der Krebstherapie konzentrieren sich deshalb darauf, die Verbindung PD-1/ PD-L-1 durch Antikörper aufzubrechen. Als Resultat kann das menschliche Abwehrsystem den Krebs selbständig bekämpfen. Dieser Ansatz ist derart bahnbrechend, dass mittlerweile fast alle großen Pharmakonzerne an der Entwicklung solcher „Checkpoint-Inhibitoren“ arbeiten.

• MERCK & CO. (A0Y D8Q; 55,44 $) ist der größte Hoffnungsträger. Das zweitgrößte USPharmaunternehmen könnte bereits im 2. Quartal dieses Jahres einen Zulassungsantrag für das Hautkrebsmedikament „Lambrolizumab“ stellen. Die Zulassungsbehörde FDA hat Merck für dieses Präparat sogar einen „Break-through“-Status gewährt. Damit könnte „Lambrolizumab“ sogar basierend auf frühen klinischen Daten und noch weit vor erfolgreichem Abschluss der Forschungsphase III eine vorläufige Zulassung erteilt werden. Tatsächlich sind die bisherigen Ergebnisse äußerst vielversprechend: Die Überlebensrate bei Probanden mit Hautkrebs im Endstadium lag nach einem Jahr bei 81 %. Ohne Behandlung mit dem Medikament liegt die Überlebensdauer im Durchschnitt bei neun Monaten. Zudem konnte durch die Behandlung mit dem neuen Medikament ein Fortschreiten der Krankheit verhindert werden. Möglicherweise ist das Präparat auch gegen Lungen- und Nierenkrebs einsetzbar.

In der innovativen Krebstherapieforschung hat Merck eindeutig die Nase vorn. Allerdings wird das Unternehmen derzeit durch auslaufende Patente belastet, so dass vorerst nur unterproportionales Umsatzwachstum zu erwarten ist. Darin liegt das Risiko, was die verhältnismäßig niedrige Bewertung (KGV 15) etwas relativiert. Erhält Merck allerdings die Zulassung für „Lambrolizumab“, wäre das der Durchbruch. Die Aktie dürfte dann zu einem klaren Outperformer avancieren.

• BRISTOL-MYERS SQUIBB (850 501; 54,47 $) hat mit dem Krebsmedikament „Nivomulab“ ebenfalls ein heißes Eisen im Feuer. Im Gegensatz zu Mercks Präparat setzt es nicht am PD-L- 1-Liganden an, sondern am PD-1-Rezeptor. Die Forschungen zum Einsatz gegen Lungen- und Hautkrebs befinden sich bereits in weit fortgeschrittenem Stadium. Möglicherweise erhält man ebenfalls den „Break-through“-Status, was eine Zulassung bereits im 2. Quartal ermöglichen würde. BMS erforscht das Medikament aber nicht nur in Einzeltherapie, sondern auch in Kombination mit anderen Präparaten aus eigenem Hause, wie z. B. mit „Sprycel“ und „Yervoy“„ gegen Leukämie, aber auch gegen einige andere Krebsarten. Überdies sind weitere andere Checkpoint-Inhibitoren in der Forschungspipeline. Die Aktie zeigt bereits seit über einem Jahr relative Stärke zu denen ihrer Wettbewerber. Mit einem KGV von 29 ist sie zwar vergleichsweise teuer, rechtfertigt das aber durch eine ausgezeichnete Marktposition und verhältnismäßig geringen Belastungen aus auslaufenden Patenten.

• Auch ROCHE (855 167; 265 CHF) gehört bezüglich der innovativen Immuntherapie zu den vielversprechendsten Kandidaten. Ohnehin hat das Schweizer Unternehmen eine große Expertise in der Onkologie. Roche testet derzeit den Antikörper MPDL3280A, der am Liganden PD-L-1 ansetzt und gegen Nieren-, Lungen- und Hautkrebs zum Einsatz kommen soll. Auch an der Kombination mit den hauseigenen Krebspräparaten „Avastin“ und „Zelboraf“ wird geforscht. Auch darüber hinaus hat Roche eine hochattraktive Produktpipeline. Während die Patente für die Blockbuster „Herceptin“ und „MabThera/Rituxan“ auslaufen, konnten bereits vielversprechende Nachfolger wie „Kadcyla“, „Perjeta“ oder „Gazyva“ auf dem Markt platziert werden. Der Roche- Genussschein ist mit einem KGV von 17 branchenüblich bewertet. Das Papier zeigt eine moderate relative Stärke zu den Aktien der Wettbewerber.

• ASTRAZENECA (886 455; 4.068 GBp) zielt mit dem Antikörper MEDI4736 ebenfalls auf den PD-L-1-Liganden ab. Der Wirkstoff wird gegen verschiedene Krebsarten getestet. Zur Behandlung von Hautkrebs prüft man zudem die Kombination mit den Medikamenten „Tafinlar“ und „Trametinib“ von GlaxoSmithkline. Astrazeneca hat allerdings massiv mit auslaufenden Patenten zu kämpfen. Deshalb dürfte der Umsatz im laufenden Jahr im prozentual niedrigen bis mittleren Bereich zurückgehen. Erst für 2017 erwartet man wieder einen Umsatz auf dem Niveau von 2013. Astrazeneca versucht die Löcher mit Übernahmen zu stopfen, wie z. B. dem Blutverdünner „Brilinta“, dem ein Jahresumsatz von 1 Mrd. $ zugetraut wird. Darüber hinaus versucht das Unternehmen mit Einsparungen von bis zu 1,1 Mrd. $ bis 2016 gegenzusteuern. Die Aktie zeigte im letzten Jahr relative Schwäche, konnte aber in den letzten Monaten wieder etwas aufholen. Fazit: Konservative Anleger können, trotz der verhältnismäßig hohen Bewertung, auf Bristol-Myers Squibb setzen. Wer etwas mehr Risiko mag, kann Merck & Co. kaufen bzw. beimischen. Roche ist zwar grundsätzlich interessant, dürfte aber nur geringe relative Stärke zeigen. AstraZeneca drängt sich wegen der belastenden Nebenkriegsschauplätze derzeit nicht zum Kauf auf.
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Aktionärsbrief

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag