Verleihnix scharrt schon mit den Hufen
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
27.08.2009
Am vergangenen Wochenende haben sich die Notenbankchefs der wichtigsten Industrieländer dahingehend geäußert, dass sie die lockere Geldpolitik für einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten wollen. Lockere Geldpolitik heißt: Niedrige Zinsen, leichte Refinanzierungsmöglichkeiten.
In den USA steht der Leitzins seit Anfang des Jahres bei 0- 0,25%, in Europa seit diesem Frühjahr bei 1%. In Japan ist man ebenfalls wieder nahe den 0% (0,3%) und auch England hat mit 0,5% den tiefsten Leitzins der Notenbankgeschichte.
Der Leitzins ist wie das Preisschild auf dem Hamburger
Fischmarkt: Jeder sieht es, es wird viel darüber gesprochen, doch am Ende wird ein ganz anderer Preis gezahlt. Oder, wenn zuviel Fisch vorhanden ist, dann wird der Preis zwar stabil gehalten, dafür gibt es aber eine Makrele obendrauf.
Ist die Nachfrage größer als die verfügbaren Fische, so fahren die Fischer nochmals raus auf das liquide Meer und schöpfen noch ein paar weitere Fische. Bei Schweinepest, Rinderwahn und Vogelgrippe könnte das Gesundheitsministerium sogar beschließen, den Fischverzehr zu fördern und so könnte die Bundesregierung auf eigene Rechnung Fischer hinaus schicken um weitere Fische zu schöpfen.
Die Notenbanken, oder in unserem Beispiel die Fischer, fahren dann gerne hinaus und versorgen Bundesregierung sowie Fischhändler und Marktschreier mit jeder Menge Fisch. Das könnte sogar so weit gehen, dass sich die Fischer direkt an Restaurantbesitzer wenden und ihnen anbieten, die Fische direkt zum günstigen Preis von ihnen zu beziehen.
So etwa können Sie sich das Handlungsspektrum der Notenbanken vorstellen. Es geht nicht nur um den Leitzins, also das Preisschild, das jeder sehen kann. Die Notenbanken leihen heute längst nicht mehr nur Geld an Banken aus, inzwischen können sich auch Broker und Hedgefonds bei ihnen direkt zu günstigen Konditionen refinanzieren. Das wären dann die Restaurantbesitzer.
Und die Regierungen, die hunderte Milliarden Euro und Dollar an Konjunkturpaketen schnüren, holen sich diese Liquidität ebenfalls inzwischen teilweise einfach bei den Notenbanken. Das ist eine riesen Geschichte: Die Regierungen haben teilweise ihre Schulden nicht mehr durch Anleihen finanziert, die unter das Volk gejubelt wurden. Sondern der Teil, den das Volk (oder eben andere Investoren) nicht mehr haben wollten, hat die Notenbank einfach übernommen. Das ist so, als führe der Fischer einfach nochmals auf das Meer hinaus um weitere Fische zu beschaffen, obwohl die Bundesregierung überhaupt keine Abnehmer für die Fische hat.
Für eine kurze Zeit mag das gut gehen. Doch jeder Asterix-Fan weiß, was mit Fisch gemacht wird, wenn er anfängt zu stinken:
Verleihnix haut ihn Dir über die Rübe!
In den vergangenen Monaten haben sich Regierungen, Broker, Hedgefonds, Kreditkartenbetreiber, etc. mit billigem Fisch - ehm Geld, eingedeckt. Und Verleihnix hat dem Treiben missmutig zugeschaut. Nun beginnt Verleihnix so langsam mit den Füßen zu scharren. Ich werde im nächsten Kapitel untersuchen, wann er nach dem Fisch greift und zuschlägt.
Doch dieses Bild veranschaulicht die Situation, in der sich Bernanke und Trichet befinden, recht gut. Bernanke hat den Leitzins auf 0-0,25% gesenkt. Und nun beruhigt er alle, indem er sagt, dass der Preis noch einige Zeit lang dort unten bleiben wird. Doch gleichzeitig beginnt er, die „unkonventionellen Maßnahmen“, wie er es genannt hat, zurückzudrehen. Das Aufkaufen von Staatsanleihen, die nicht unters Volk gebracht werden können, möchte er in den nächsten Wochen beenden. Irgendwann wird er den Hedgefonds, den Brokern und den anderen Finanzmarktteilnehmern die günstige Refinanzierung untersagen. Und erst viel, viel später wird er den Leitzins erstmalig anheben.
Bernanke wurde diese Woche von Präsident Obama für eine weitere Amtszeit als Notenbankchef vorgeschlagen. Damit darf Bernanke nun die Liquidität, die er in den Markt gepumpt hat, in den nächsten Jahren auch wieder schrittweise herausholen. Bernanke wird nun erst beweisen müssen, wie gut sein „Timing“ ist. Denn bei der Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität hat sein Timing in meinen Augen versagt: Viel zu spät hat er die Finanzkrise verstanden (ich hatte schon ein halbes Jahr zuvor vehement Zinssenkungen gefordert!) und als er dann schließlich handelte, überschwemmte er die Finanzmärkte in kürzester Zeit geradezu mit Liquidität.
Er war zwar der Erste, der den Ernst der Lage richtig einschätzte. Dennoch würde ich ihm für das Timing eine sechs geben. Es war zu spät. Lehman war bereits pleite, die Rettung von Bear Sterns, AIG, Citigroup, Fannie & Freddie, etc. kostete so viel Geld (Liquidität!), dass die gesamte Finanzbranche heute neu aufgestellt werden musste.
Ich habe es im März geschrieben, als ich die Rallye an den Finanzmärkten in Aussicht stellte: Es ist ausreichend Liquidität vorhanden gewesen, um die Aktien wieder steigen zu lassen. Doch gesundet ist unser Finanzsystem dadurch noch lange nicht. Es ist nun Bernankes Aufgabe, die Liquidität aus den Märkten zu ziehen, bevor Verleihnix zugreift.
Dabei bedient er sich nun auch der Rhetorik, die sein Vorgänger Alan Greenspan so gut beherrschte: Er sagt etwas völlig bedeutungsloses und tut dennoch nur das, was er will – ohne viel darüber zu sprechen. So sehe ich seine Aussage, den Leitzins für eine „signifikant lange Zeit“ niedrig zu belassen als Selbstverständlichkeit an. Er muss ja zunächst seine „unkonventionellen Maßnahmen“ zurückdrehen, bevor er wieder mit dem Leitzins spielen darf. Und wenngleich die Einführung seiner unkonventionellen Maßnahmen binnen weniger Wochen aufgrund der akuten Gefahr so schnell erfolgte, wird die Einstellung dieser Maßnahmen nur sehr vorsichtig erfolgen können. Jeweils muss er schauen, wie die Märkte darauf reagieren, ob die Märkte auch ohne seine Hilfen funktionieren und ob die Wirtschaft ausreichend Kredite erhält um den zarten Konjunkturaufschwung fortzusetzen.
Ich sehe also den Jubel, mit dem seine Nominierung begrüßt wurde, sehr kritisch. So sehr, wie ich ihn für seine unkonventionellen Maßnahmen gelobt habe, so sehr habe ich nun Bedenken, dass er der richtige Mann für den kontrollierten Rückzug ist. Aber gut, ich werde mich überraschen lassen.
Immerhin hat er sich die Suppe nicht selber eingebrockt, sein Vorgänger Alan Greenspan hat die Märkte mit zu niedrigen Zinsen über Jahre hinweg verzerrt.
Auf dem Hamburger Fischmarkt wird der Hochwasserschutz übrigens gerade ein paar Meter höher gebaut. Mal sehen, ob unsere Notenbanker von der Liquiditätsflut lernen und den Leitzins künftig etwas strikter, sprich höher, setzen.
Vordergründig wurde Bernankes Aussage, den Leitzins niedrig zu belassen, bejubelt und die Börsen stiegen diese Woche heftig an.
Der Leitzins ist wie das Preisschild auf dem Hamburger
Fischmarkt: Jeder sieht es, es wird viel darüber gesprochen, doch am Ende wird ein ganz anderer Preis gezahlt. Oder, wenn zuviel Fisch vorhanden ist, dann wird der Preis zwar stabil gehalten, dafür gibt es aber eine Makrele obendrauf.
Ist die Nachfrage größer als die verfügbaren Fische, so fahren die Fischer nochmals raus auf das liquide Meer und schöpfen noch ein paar weitere Fische. Bei Schweinepest, Rinderwahn und Vogelgrippe könnte das Gesundheitsministerium sogar beschließen, den Fischverzehr zu fördern und so könnte die Bundesregierung auf eigene Rechnung Fischer hinaus schicken um weitere Fische zu schöpfen.
Die Notenbanken, oder in unserem Beispiel die Fischer, fahren dann gerne hinaus und versorgen Bundesregierung sowie Fischhändler und Marktschreier mit jeder Menge Fisch. Das könnte sogar so weit gehen, dass sich die Fischer direkt an Restaurantbesitzer wenden und ihnen anbieten, die Fische direkt zum günstigen Preis von ihnen zu beziehen.
So etwa können Sie sich das Handlungsspektrum der Notenbanken vorstellen. Es geht nicht nur um den Leitzins, also das Preisschild, das jeder sehen kann. Die Notenbanken leihen heute längst nicht mehr nur Geld an Banken aus, inzwischen können sich auch Broker und Hedgefonds bei ihnen direkt zu günstigen Konditionen refinanzieren. Das wären dann die Restaurantbesitzer.
Und die Regierungen, die hunderte Milliarden Euro und Dollar an Konjunkturpaketen schnüren, holen sich diese Liquidität ebenfalls inzwischen teilweise einfach bei den Notenbanken. Das ist eine riesen Geschichte: Die Regierungen haben teilweise ihre Schulden nicht mehr durch Anleihen finanziert, die unter das Volk gejubelt wurden. Sondern der Teil, den das Volk (oder eben andere Investoren) nicht mehr haben wollten, hat die Notenbank einfach übernommen. Das ist so, als führe der Fischer einfach nochmals auf das Meer hinaus um weitere Fische zu beschaffen, obwohl die Bundesregierung überhaupt keine Abnehmer für die Fische hat.
Für eine kurze Zeit mag das gut gehen. Doch jeder Asterix-Fan weiß, was mit Fisch gemacht wird, wenn er anfängt zu stinken:
Verleihnix haut ihn Dir über die Rübe!
In den vergangenen Monaten haben sich Regierungen, Broker, Hedgefonds, Kreditkartenbetreiber, etc. mit billigem Fisch - ehm Geld, eingedeckt. Und Verleihnix hat dem Treiben missmutig zugeschaut. Nun beginnt Verleihnix so langsam mit den Füßen zu scharren. Ich werde im nächsten Kapitel untersuchen, wann er nach dem Fisch greift und zuschlägt.
Doch dieses Bild veranschaulicht die Situation, in der sich Bernanke und Trichet befinden, recht gut. Bernanke hat den Leitzins auf 0-0,25% gesenkt. Und nun beruhigt er alle, indem er sagt, dass der Preis noch einige Zeit lang dort unten bleiben wird. Doch gleichzeitig beginnt er, die „unkonventionellen Maßnahmen“, wie er es genannt hat, zurückzudrehen. Das Aufkaufen von Staatsanleihen, die nicht unters Volk gebracht werden können, möchte er in den nächsten Wochen beenden. Irgendwann wird er den Hedgefonds, den Brokern und den anderen Finanzmarktteilnehmern die günstige Refinanzierung untersagen. Und erst viel, viel später wird er den Leitzins erstmalig anheben.
Bernanke wurde diese Woche von Präsident Obama für eine weitere Amtszeit als Notenbankchef vorgeschlagen. Damit darf Bernanke nun die Liquidität, die er in den Markt gepumpt hat, in den nächsten Jahren auch wieder schrittweise herausholen. Bernanke wird nun erst beweisen müssen, wie gut sein „Timing“ ist. Denn bei der Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität hat sein Timing in meinen Augen versagt: Viel zu spät hat er die Finanzkrise verstanden (ich hatte schon ein halbes Jahr zuvor vehement Zinssenkungen gefordert!) und als er dann schließlich handelte, überschwemmte er die Finanzmärkte in kürzester Zeit geradezu mit Liquidität.
Er war zwar der Erste, der den Ernst der Lage richtig einschätzte. Dennoch würde ich ihm für das Timing eine sechs geben. Es war zu spät. Lehman war bereits pleite, die Rettung von Bear Sterns, AIG, Citigroup, Fannie & Freddie, etc. kostete so viel Geld (Liquidität!), dass die gesamte Finanzbranche heute neu aufgestellt werden musste.
Ich habe es im März geschrieben, als ich die Rallye an den Finanzmärkten in Aussicht stellte: Es ist ausreichend Liquidität vorhanden gewesen, um die Aktien wieder steigen zu lassen. Doch gesundet ist unser Finanzsystem dadurch noch lange nicht. Es ist nun Bernankes Aufgabe, die Liquidität aus den Märkten zu ziehen, bevor Verleihnix zugreift.
Dabei bedient er sich nun auch der Rhetorik, die sein Vorgänger Alan Greenspan so gut beherrschte: Er sagt etwas völlig bedeutungsloses und tut dennoch nur das, was er will – ohne viel darüber zu sprechen. So sehe ich seine Aussage, den Leitzins für eine „signifikant lange Zeit“ niedrig zu belassen als Selbstverständlichkeit an. Er muss ja zunächst seine „unkonventionellen Maßnahmen“ zurückdrehen, bevor er wieder mit dem Leitzins spielen darf. Und wenngleich die Einführung seiner unkonventionellen Maßnahmen binnen weniger Wochen aufgrund der akuten Gefahr so schnell erfolgte, wird die Einstellung dieser Maßnahmen nur sehr vorsichtig erfolgen können. Jeweils muss er schauen, wie die Märkte darauf reagieren, ob die Märkte auch ohne seine Hilfen funktionieren und ob die Wirtschaft ausreichend Kredite erhält um den zarten Konjunkturaufschwung fortzusetzen.
Ich sehe also den Jubel, mit dem seine Nominierung begrüßt wurde, sehr kritisch. So sehr, wie ich ihn für seine unkonventionellen Maßnahmen gelobt habe, so sehr habe ich nun Bedenken, dass er der richtige Mann für den kontrollierten Rückzug ist. Aber gut, ich werde mich überraschen lassen.
Immerhin hat er sich die Suppe nicht selber eingebrockt, sein Vorgänger Alan Greenspan hat die Märkte mit zu niedrigen Zinsen über Jahre hinweg verzerrt.
Auf dem Hamburger Fischmarkt wird der Hochwasserschutz übrigens gerade ein paar Meter höher gebaut. Mal sehen, ob unsere Notenbanker von der Liquiditätsflut lernen und den Leitzins künftig etwas strikter, sprich höher, setzen.
Vordergründig wurde Bernankes Aussage, den Leitzins niedrig zu belassen, bejubelt und die Börsen stiegen diese Woche heftig an.