Szenarien aus der Krise

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 25.11.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Deutschlands Finanzen in Frage gestellt würden. Und ich finde es schon extrem bedenklich, wie bestimmte Vorgänge, die hierzulande kaum Beachtung finden, in den angelsächsischen Medien (CNBC!) aufgegriffen und hochgepuscht werden. Vor kurzem hatte ich Prof. Bofingers einsames Rufen nach Staatsanleihekäufen der EZB entsprechend aufgezeigt.


Diese Woche war es die „gescheiterte“ Auktion von Bundesanleihen, über die mehrere Tage auf CNBC berichtet wird. Deutschland als sicherer Hafen des Eurolandes erfreut sich über extrem niedrige Zinsen. Der Bund kann seine Schulden günstig refinanzieren weil viel Kapital in Europa statt nach Italien oder Spanien lieber nach Deutschland überwiesen wird, auch wenn das Zinsniveau hier inzwischen viel niedriger ist als bei den Club Med Ländern. Und so war die Nachfrage nach Deutschen Anleihen stets um ein mehrfaches überzeichnet gewesen.

Doch am Mittwoch wurde die Auktion nur um das 1,1-fache überzeichnet und die Interpretation war sofort, dass die Finanzmärkte nun eben auch Deutschland nicht mehr trauen würden. Auch Deutschland könne in den Sumpf der Überschuldung gezogen werden, sei es durch Transfers in die Club Med Länder, sei es durch einen Kollaps des Euro-Systems, so die Medien.

Zur Zeit dominieren zwei Theorien an den Finanzmärkten, die sich gegenseitig bedingen: Deutschland möchte nicht mehr. Weder die EZB darf Staatsanleihen kaufen, noch lassen wir Deutschen die Eurobonds zu. Die Deutschen blockieren also aus der Sicht des Auslands jegliche Rettung des Eurolandes.

Andere sind überzeugt, dass Europa, selbst wenn Deutschland wollte, die Schuldenkrise allein nicht mehr in den Griff bekommen kann. Vom EFSF sind bereits 200 Mrd. Euro an Club Med Staaten vergeben. Mit den verbleibenden 240 Mrd. Euro können niemals Italien und Spanien gerettet werden, so die Skeptiker.

Die dritte Lösung wird derzeit kaum angesprochen: Die Technokratin Angela Merkel steht zu ihrem Wort. Schauen wir uns einmal an, was sie in den vergangenen Wochen für Aussagen getroffen hat:

Angela Merkel „wandte sich abermals auch gegen die Forderung, die EZB solle verstärkt Anleihen verschuldeter Staaten kaufen“ steht in der FAZ vom 22.11.11.

„Die Bundesrepublik Deutschland steht zum Euro“ sagte sie noch im Dezember 2010 auf dem Handwerkstag.

Die Einführung von Eurobonds hält Frau Merkel allerdings in einer Erklärung von Mittwoch dieser Woche für „verführt“, sie könne höchstens am Ende eines Prozesses der europäischen Integration stehen.

Für Angela Merkel muss für diesen Prozess der europäischen Integration der Staatsvertrag von Lissabon geändert werden. Für Manuel Barroso ist die zeit zu kostbar, um den Staatsvertrag in Frage zu stellen, wer weiß mit welchem Ausgang. Doch da sind wir ja immerhin schon auf einem Weg, die Richtung kennen wir nun also.

In meinen Augen ist es nicht der Fall, dass Angela Merkel sich gegen jegliche Vorschläge sperrt. Sie hat nur oft genug betont, dass ohne den Druck der Finanzmärkte überschuldete Staaten keinen reformdruck verspüren. Und so ist der derzeitige Ausverkauf vermutlich von ihr gebilligt, in der Hoffnung von weitere Reformschritten aus Italien und Spanien, vielleicht sogar auch aus Frankreich zu hören.

Die Angst, Deutschland könne sich also einer Einigung verwehren, halte ich für übertrieben. Dennoch wird an den Finanzmärkten dieses Szenario gerade eingepreist.

Die andere Angst, auch Deutschland könne nicht in der Lage sein, die Euro-Schuldenkrise zu lösen, selbst wenn es wollte, kann ich verstehen. Ich habe mehrfach von Angela Merkel gefordert, den Weg aus der Krise nicht technokratisch, also Schritt für Schritt ohne schlimme Fehler, zu beschreiten, sondern frühzeitig ein Ziel auszugeben. Wie könnte das Europa von Morgen aussehen? Wie soll die europäische Integration konkret aussehen? Welche Bereiche der Wirtschaftspolitik müssen abgegeben werden? Und müssen auch wir Deutschen, die wir verhältnismäßig gut haushalten können, Rechte abgeben?

Diese Fragen sind zumindest seit 19 Jahren offen. 1992 wurde das Konzept des Euros gezimmert und damals haben wir an der Universität, ich war übrigens Student von Prof. Bofinger, die fehlende Wirtschaftspolitische Integration kritisiert. Die drei Maastricht-Kriterien (60% Gesamtschuldung, 3% Neuverschuldung und das Verbot, für die Schulden anderer Mitgliedsländer einzuspringen) wurden schon damals als nicht nachhaltig kritisiert, solange kein Durchgriff auf die Arbeitsmärkte für die EU besteht.

 

Heute bricht das System genau aus den Gründen zusammen, die vor 19 Jahren kritisiert wurden und unsere Regierung hat noch immer kein Konzept, wie es besser aussehen könnte.

In Spanien ist der Zins für 2 Jahre laufende Staatsanleihen heute auf 7,9% angestiegen, obwohl die Konservative Partei am vergangenen Wahlsonntag die absolute Mehrheit erzielte. . Erst im Oktober noch stand der Zins bei 4,5% und wurde damals schon als exorbitant bezeichnet. Die Zinsen in Italien sind nun trotz des ausgewiesenen Ökonomen Monti an der Spitze bereits über das Niveau gestiegen, das am Ende der Berlusconi-Ära bestand.

Inzwischen kann Deutschland allein Euroland nicht mehr retten. Fraglich ist, ob der IWF in großem Stil helfen muss oder ob der Druck der Finanzmärkte ausreicht, um sämtliche Euroländer zu harten Einschnitten zu bewegen und diese dann aus eigener Kraft wieder ihren Haushalt gesunden können.

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