Salesforce.com cor explosiver Situation

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 28.01.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

DAS ENDE DES CLOUD COMPUTING? F5 Networks hat vermeintlich schlechte Zahlen abgeliefert. Die Ursache dafür war ein überraschend starker Bestelleingang Ende September, als insbesondere Kunden aus der Finanzbranche F5 mit Bestellungen überschwemmten. Ich hatte vergangenen Freitag für die Heibel-Ticker PLUS Kunden die Hintergründe aufgezeigt.


Kurz gesagt: Der Bestellschub hat das Management von F5 geblendet, die Prognosen wurden zu hoch angesetzt und vergangene Woche folgte das enttäuschende Quartalsergebnis des vierten Quartals, in dem dieser einmalige Bestellschub eben abebbte. Nicht nur F5 wurde ausverkauft, sondern alles was mit Cloud Computing und dem neuen Trend zu verteilten Daten- und Anwendungshaltung bis hin zur Datensicherung in Verbindung gebracht wurde. Als sei dies nicht genug hat kurz darauf noch der Anbieter von Virtualisierungssoftware VMWare das explosive Wachstum als nicht unbedingt nachhaltig bezeichnet, sondern nur einen verhaltenen Ausblick gegeben. In meinen Augen nichts weiter als die gebotene Vorsicht des Managements, um sich selbst nicht zu sehr unter Erwartungsdruck zu setzen. Gestern Abend nun hat der Betreiber einer der größten Clouds, Amazon.com, ein schlechtes Quartalsergebnis vermeldet: Umsatz und Gewinnmargen des Weihnachtsgeschäfts blieben hinter den Erwartungen zurück. Die Aktie notiert heute mit 5% im Minus. Es wird nun spannend: Was wird der pure Cloud-Vertreter wohl in diesem Quartal vermelden? Salesforce.com hat in den vergangenen Quartalen immer wieder für positive Überraschungen gesorgt. Die Aktie notiert auf einem KGV von aktuell 233! (ttm ˆ trailing twelve months, also in Bezug auf den Gewinn der letzten 12 Monate). Mit Wachstumsraten von durchschnittlich 50% über fünf Jahre, und zuletzt sogar 85% im Umsatz, hat Salesforce.com wenn überhaupt dann nur ein Problem: Wie können all die Zahlungseingänge schnell genug verbucht werden? Vor den Hiobsmeldungen von F5, VMWare und Amazon notierte Salesforce.com bereits bei 150 USD. Seither ist der Kurs unter 125 USD geprügelt worden. Um meine Idee besser zu verstehen, muss ich Ihnen noch ein paar Hintergründe zur Börse erklären: Mit nach wie vor exorbitant hohen Wachstumsraten, erwartet werden durchschnittlich 30% p.a. für die nächsten fünf Jahre, ist Salesforce.com in einer kleinen elitären Gruppe von Wachstumsaktien. Es gibt vielleicht nur zwei Hände voll Aktien mit einer Marktkapitalisierung größer als eine Milliarde USD mit Wachstumsraten größer 20%. Und große Hedgefonds sowie Wachstumsfonds müssen genau solche Aktien in ihr Portfolio holen. Der Aktienkurs von Salesforce.com wächst also schon lange nicht mehr aus ≥fundamentalen„ Gründen, sondern vielmehr aus technischen Gründen: Bestimmte institutionelle Anleger müssen diese Aktie im Portfolio haben, koste es was es wolle. Solange das ≥Momentum„, also eine Reihe technischer Indikatoren, die für einen anhaltenden Kursanstieg sorgen, in Ordnung ist, bleiben diese wachstumsorientierten Institutionellen engagiert. Wenn das KGV nicht mehr als Rechtfertigung für das hohe Kursniveau herhalten kann, bedient man sich anderer Argumente wie beispielsweise ≥das Potential„, das Cloud Computing hat. Vergleiche zu Intel oder Microsoft werden angestellt, die in jungen Jahren die Marktbeherrschung sicherten und über zwei Jahrzehnte davon profitierten. So sei diesen Argumenten zufolge Salesforce.com mit den aktuellen 16 Mrd. USD Marktkapitalisierung noch deutlich unterbewertet, da es eigentlich eine Marktkapitalisierung über 100 Mrd. USD verdiente. Es gibt aber auch noch eine andere Gruppe institutioneller Anleger (kurz: Instis), die gerade das Gegenteil dessen tun, was die wachstumsorientierten Instis tun. Diese sehen das KGV von 233 und beobachten die Aktie schon seit langer Zeit. Sie warten darauf, diese Aktie zu shorten. Früher oder später muss eine so hohe Bewertung doch mal einbrechen, oder? Und genau für solche Fälle sind Hedgefonds konzipiert worden: Sie sollen auch an fallenden Kursen verdienen, und wenn die Kurse einmal fallen, dann ist bei Salesforce.com ein extrem großer Fall zu erwarten. F5, VMWare und Amazon haben nun Argumente für die short- orientierten Hedgefonds geliefert. Wenngleich man vielleicht den Ausverkauf von 150 auf 125 USD bereits verpasst hat, so ist aus fundamentaler Sicht ein weiterer Kurseinbruch um 90% durchaus möglich. Viel zu lukrativ, um so eine Chance links liegen zu lassen. Ich gehe daher davon aus, dass short- orientierte Hedgefonds in den vergangenen zwei Wochen tonnenweise Salesfocrce.com geshortet (zu deutsch: leerverkauft) haben. Kurz zur Erinnerung: Shorten oder auch Leerverkaufen ist das Verkaufen einer Aktie, die man nicht besitzt. Man verspricht, dem Käufer der nicht vorhandenen Aktien, diese zu einem späteren Zeitpunkt zu liefern, in der Hoffnung, sie in der Zukunft dann günstiger einkaufen zu können als man sie heute verkauft hat. Man spekuliert also auf fallende Kurse. Nun wird Salesforce.com erst am 23. Februar sein Quartalsergebnis veröffentlichen. Bis dahin tappen die wachstumsorientierten sowie die short-orientierten Instis im Dunkeln. Die jüngsten Ereignisse haben nun beiden Instis die Möglichkeit gegeben, sich stark in Salesforce zu engagieren. Die wachstumsorientierten Instis bekamen ≥günstige„ Einstiegskurse ohne eine schlechte Meldung aus dem Hause von Salesforce.com. Sie können also hoffen, dass F5, VMWare und Amazon hausgemachte Probleme haben, die nicht für Salesforce.com zutreffen. Die short-orientierten Instis können den Beginn des Ausverkaufs verzeichnen und müssen nun dabei sein, wenn der Kurs noch bis auf 20 USD geprügelt werden sollte. Am 23. Februar, wie gesagt,  wird Salesforce.com nun Quartalszahlen vorlegen. Entweder es gelingt dem Unternehmen erneut, die Erwartungen positiv zu übertreffen. Dann würden die short- orientierten Instis aus Panik vor einer weiteren Kursverdopplung, die sie teuer zu stehen käme, ihre offenen Leerpositionen schleunigst eindecken. Eine Kursexplosion nach oben wäre die Folge. Oder Analysten finden ein Haar in der Suppe von Salesforce.com. Bei einem KGV von 233 muss wirklich alles perfekt sein: Die exorbitant hohe Wachstumsrate muss nicht nur exorbitant hoch bleiben, sondern sich noch weiter beschleunigen. Der Gewinn muss sodann noch überproportional zum Umsatzwachstum ansteigen. Und das Management muss eine rosige Zukunft malen, eine Welt, in der jeder Mensch die Dienste von Salesforce.com nutzt. Bis zum 23. Februar, bis Salesforce.com Quartalszahlen liefert, rechne ich kaum mit einem Kursschub nach oben, denn es gibt kein Argument, das die short-orientierten Instis zum Aufhören bringen würde. So wäre für all jene, die Salesforce.com im Depot haben, nun ein guter Zeitpunkt, einen Call-Optionsschein auf die eigenen Aktien zu schreiben und als Stillhalter zu verkaufen. Man würde eine Laufzeit bis vor den Quartalszahlen und einen Bezugspreis wählen, der etwas über dem aktuellen Kursniveau liegt, also etwa 130 USD. Für die Februar-Calls mit dem Bezugspreis von 130 USD erhalten Sie derzeit 6,15 USD. Gleichzeitig könnte man Call-Optionsscheine mit einer längeren Laufzeit, also beispielsweise Mai, kaufen, um von einem erwarteten Kursanstieg bei Salesforce.com zu profitieren, wenn die Quartalszahlen gut ausfallen. Durch die Einnahmen aus dem Verkauf des kurzläufigen Call-Optionsscheins kann man die Gebühren und den Zeitwertverlust aus der längerfristigen Call- Spekulation decken. Allerdings muss man tatsächlich am Rechner sitzen, wenn die Quartalszahlen veröffentlicht werden, damit man schlimmstenfalls schnell verkaufen kann, wenn die Zahlen schlecht ausfallen. Nun, soweit eine Betrachtung dieser explosiven Situation. Ich halte diese Idee weder für den Heibel-Ticker noch für eine Tradingidee für geeignet, das Gemisch ist für meinen Geschmack zu explosiv. Wir können die Situation aber gemeinsam beobachten und hinterher auswerten, vielleicht können wir dann in der Zukunft einmal so eine explosive Situation für uns nutzen. Bitte also diesmal nur gucken! Schauen wir einmal, was sonst noch in der Woche passiert ist: OBAMAS ≥STATE OF THE UNION„ REDE POSITIV Obama hat die traditionelle State of the Union Rede gehalten. Jährlich bezieht der US-Präsident in dieser Rede Stellung zur aktuellen politischen Situation und adressiert die Themen, die im Neuen Jahr angegangen werden sollen. Mir ist an seiner Rede vieles aufgefallen, was er NICHT gesagt hat. Noch vor einem Jahr, als die Republikaner nichts zu sagen hatten, hackte er auf Banken herum, meckerte über die zu hohen Pillenpreise, sowie das teure Gesundheitssystem und versprach eine Reihe von Subventionen und Förderprogrammen. Heute, mit den Republikanern als Regierungspartnern im Nacken, ist Obama wesentlich unternehmerfreundlicher. Er sprach von dem zu hohen Staatsdefizit, von verlässlichen Wirtschaftsbedingungen und Planungssicherheit, sowie von Innovationen, die sich für die Unternehmen lohnen müssen. Kein Wort über Subventionen, über Steuernachlässe und neuen Auflagen für Banken. In meinen Augen also ein völlig neuer US-Präsident. Er traf den richtigen Ton um die Rekordstände des Dow Jones nicht zu gefährden. Mehr war von ihm aus Anlegersicht nicht zu erwarten. BERICHT ÜBER DIE GRÜNDE DER FINANZKRISE Im Mai 2009 wurde eine zehnköpfige Kommission eingesetzt, um die Hintergründe der Finanzkrise aufzuarbeiten. Das Ergebnis liegt nun vor, auf 576 Seiten wird überwiegend menschliches Versagen angeklagt. Einzelne Manager, CEOs, Regierungsverantwortliche und Vorsitzende von Aufsichtsbehörden werden beschuldigt, weggeguckt, nicht genau genug hingesehen zu haben, überlastet und überfordert gewesen zu sein oder wie im Fall vom Goldman Sachs CEO Lloyd Blankfein aggressiv an der Verbreitung der gefährlichen Papiere, die später zum Kollaps des Finanzsystems geführt hätten, beteiligt gewesen zu sein. Die Ahnungslosigkeit, hinter der sich die meisten Verantwortlichen versteckten, ließ dieser Bericht nicht als Entschuldigung zu und es wird nun erwartet, dass einige rechtliche Folgen aus dem Bericht abgeleitet werden. Vorsitzender der Kommission war ein Parteigenosse Obamas, ein Demokrat. Es wundert  also nicht, dass die Republikaner eine eigene Version zur Aufarbeitung der Finanzkrise angekündigt haben. Darin werde dann der Schwerpunkt verstärkt auf den systemischen Fehlern liegen. Letztlich habe das System die Verantwortlichen zu bestimmten Aktionen motiviert, deren Folgen kaum überschaubar waren, so der dort zu erwartende Tenor. In meinen Augen läuft alles auf die Frage hinaus, warum Manager mehr Zeit mit der Gewinnmaximierung verbringen, als mit der Frage nach der moralischen Vertretbarkeit des Geschäfts. Bei inhabergeführten Mittelständlern mag man solche Überlegungen manchmal noch vorfinden. In der Finanzbranche, die mit ihren überzogenen Gehältern nicht gerade die moralisch gefestigten Menschen anzog, war eine solche Einsicht nicht zu erwarten. Ich denke, dass inzwischen ziemlich offensichtlich ist, wie die Finanzkrise entstanden ist. Ob man die fehlende Moral in bestimmten Kreisen dafür verantwortlich macht oder einfach zugibt, dass 80 Jahre alte Regeln irgendwann nicht mehr ernst genommen werden, erinnert mich an Haarspalterei. Der Ruf nach einer stärkeren internationalen Reglementierung des Bankgeschäfts, in den auch Ihr Autor meist einstimmt, sieht, wenn man die Geschichte aus der Vogelperspektive betrachtet, aus wie ein verlorenes Spiel. Neue, härtere Regeln werden auch nicht befolgt, wenn das Verständnis der Menschen nicht geändert wird. Banker, die sich jetzt schon wieder Millionen-Boni einstecken, weil sie sie ≥verdient„ haben, übersehen ihre Rolle des vertraulichen Mittelmanns, der von beiden Vertragsseiten mit Wissen versorgt wird und dieses eigentlich nicht zum eigenen Vorteil nutzen darf. Es geschieht aber schon wieder, und so kommt mir der Ruf nach mehr Regulierung vor wie eine Beschäftigungstherapie, mit der man die Struktur des Finanzsektors aber kaum verändern wird. Eine gute Zusammenfassung des Berichtes können Sie hier lesen: http://www.ftd.de/politik/international/:agenda-wie-gier-die- finanzkrise-machte/60004079.html?mode=print Mein Vorschlag? Nun, genau das, was ich schon vor einem Jahr formuliert habe: Trennung des Bankgeschäfts vom Investmentbanking. Chinesische Mauern, wie sie offiziell schon lange existieren, haben offensichtlich versagt.
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