„Orphan Deseases“: Wachstumsmarkt für Pharma- und Biotech-Unternehmen

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 21.11.2012
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Aktionärsbrief

Unter dem Fachbegriff werden sehr seltene Krankheiten wie beispielsweise Achondroplasie subsumiert. Nur eines von 15.000 Kindern weltweit kommt als Kleinwüchsiger auf die Welt. Wegen der vergleichsweise geringen Anzahl von Betroffenen scheuten Pharmakonzerne bisher davor zurück, Medikamente zur Behandlung solcher seltenen Krankheiten zu entwickeln. Zum einen sind die Entwicklungskosten enorm hoch. So taxiert das Forschungsunternehmen „InnoThink Center for Research in Biomedial Innovation“, dass die Entwicklungskosten für so ein Präparat bei Roche auf über 5,8 Mrd. € und bei Novartis immerhin noch auf knapp 3,3 Mrd. €. Weiterer Nachteil: Üblicherweise vergehen von der Produktidee bis zur Zulassung des Medikaments zehn bis 15 Jahre. Zudem ist unklar, ob das Präparat die Entwicklungskosten überhaupt jemals wieder einspielen wird. Verständlich also, dass sich die Pharmabranche diesem Bereich bisher nur sehr zurückhaltend genähert hat.


In den vergangenen Jahren hat es aber zunehmend Anstrengungen gegeben, Anreize für die Unternehmen zu schaffen, um in die Entwicklung von Medikamenten gegen seltene Krankheiten zu investieren. So haben die Amerikaner schon 1983 den „Orphan Drug Act“ geschaffen. So wird z.B. dem Unternehmen, das gegen eine bestimmte Krankheit ein Präparat entwickelt, ein Monopol für sieben Jahre zugestanden. Zudem entfallen die Gebühren sowohl für die Zulassung als auch die jährlichen Zahlungen an die FDA. Als Ergebis dieser Bemühungen sind in den USA seit den 80er Jahren bereits über 200 „Orphan Drugs“ zugelassen worden. Europa allerdings hinkt hinterher. Erst 1995 wurde die europäische Gesundheitsagentur EMA gegründet. Im Jahr 2000 wurde dann ein Komitee zusammengestellt, das die Entwicklung von Arzneien gegen seltene Krankheiten koordinieren soll. Auch diesseits des Atlantiks werden Unternehmen mittels bestimmter Maßnahmen ermutigt, Präparate gegen selten Krankheiten zu entwickeln. Z.B. winkt eine Monopolstellung für die ersten zehn Jahre, der Erlass von Gebühren und Unterstützung bei der Zulassung. Mit einem entsprechenden Antrag bei der EMA kann ein Medikament in allen Mitgliedsländern zugelassen werden. Ähnliche Erleichterungen gibt es auch in Japan und Indien.


Die vergangenen zehn Jahre war bisher der produktivste Zeitraum, was die Entwicklung von „Orphan Drugs“ angeht. Laut Zahlen von Thomson Reuters wurden alleine im letzten Jahr Medikamente gegen seltene Krankheiten mit einem Volumen von 50 Mrd. $ weltweit umgesetzt. Die Marktnische wuchs mit 25,8 % pro Jahr überproportional stark. Das Wachstum von Arzneien gegen weit verbreitete Krankheiten legte dagegen nur um 20,1 % pro Jahr zu.


• ACTELION (WKN: A1C 8MF; 44,03 CHF) ist ein wichtiger Player auf dem Markt für „Orphan Drugs“. Die Schweizer haben mit „Tracleer“ ein Präparat gegen pulmonale Hypertonie (Lungenbluthochdruck). Die Krankheit ist sehr selten; es gibt lediglich 30 bis 50 Betroffene pro 1 Mio. Menschen. Tracleer ist mit Abstand der wichtigste Umsatzbringer Actelions: 87 % des Konzernumsatzes werden mit diesem Präparat generiert. Allerdings läuft in drei Jahren der Patentschutz aus. Der Nachfolger „Macitentan“ befindet sich aber bereits in Entwicklung. Im April wurden die jüngsten Studienergebnisse veröffentlicht, die ermutigend waren. Insbesondere was die Nebenwirkungen angeht, kann Macitentan gegen Tracleer und das von Gilead Sciences hergestellte Konkurrenzprodukt „Letairis“ punkten, denn bei den Patienten waren keine erhöhten Leberwerte festzustellen. Macitentan ist zum Erfolg verdammt. Scheitert die Zulassung letztlich doch, wird Actelion den zukünftigen Umsatzwegfall von Tracleer nicht annähernd kompensieren können. Darin liegt das - wenn auch überschaubare - Risiko. Mit einem KGV von 16 ist die Aktie branchenüblich bewertet. Seit dem Anfang Oktober markierten Jahreshoch hat der Kurs um gut 10 % korrigiert. Nicht allzu konservative Anleger können diese Korrektur zum Einstieg nutzen. Stop Loss-Limit: 36,50 CHF.
 

• BIOMARIN (WKN: 924 801; 49,27 $) ist ein begehrtes Übernahmeobjekt. Das Biotech- Unternehmen wird offensichtlich rege umworben. GlaxoSmithKline, Shire und Takeda wurde bereits Interesse an den Kaliforniern nachgesagt. Biomarin hat bereits Medikamente gegen vier verschiedene seltene Krankheiten auf dem Markt. Zudem ist die Pipeline mit attraktiven Kandidaten gefüllt. Erst Anfang November konnte Biomarin melden, dass der Wirkstoff „GALNS“ gegen die seltene Erbkrankheit „Morquio A“ es in die klinische Prüfungsphase III geschafft hat. An der Börse reagierte man mit einem Kurssprung von gut 30 % (siehe AK 45/12). Analysten gehen davon aus, dass GALNS den Zulassungsprozess erfolgreich absolvieren wird. Das Umsatzpotenzial bis 2020 wird auf 500 Mio. $ taxiert. Das wäre ein wichtiger Meilenstein, schreibt Biomarin bisher doch noch rote Zahlen. Risikobereite Anleger kaufen trotz des jüngsten Kurssprungs eine Anfangsposition. Versuchen Sie das Engagement mit einem Kauflimit bei 44,50 $ zu komplettieren! Stop Loss-Limit: 36 $.


• Bei ALEXION (899 527; 94,06 $) handelt es sich um einen Rekordhalter der besonderen Art. Das US-Biotechunternehmen bietet mit „Soliris“ das teuerste Medikament der Welt an. Eine Behandlung mit dem Mittel gegen die sogenannte „paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie“ (PNH) kostet pro Jahr und Patient 400.000 $. Alexion erwirtschaftet mit diesem Präparat gegen die lebensbedrohliche Erkrankung blutbildender Stammzellen ca. 1,2 Mrd. $ Umsatz pro Jahr. Analysten rechnen innerhalb der kommenden drei Jahre sogar noch mit einer Umsatzverdreifachung. Der Erfolg von Soliris spiegelt sich auch im Aktienkurs wider: Seit der Zulassung vor fünf Jahren hat sich der Kurs versechsfacht. Mit einem KGV von 33 liegt die Bewertung aber deutlich über dem Branchendurchschnitt. Ein Kauf empfiehlt sich nur für Anleger, die auf eine Übernahme von Alexion spekulieren.


• SHIRE (WKN: A0M MAG; 1.769 Pence) ist der weltgrößte Anbieter von Medikamenten gegen Aufmerksamkeitsdefizite. Der scheidende Vorstandschef Angus Russell hat die irische Firma seit 1999 durch rund 25 Akquisitionen zum Spezialpharma-Unternehmen geformt. Das KGV von 8 ist niedrig, was auch an den letzten Quartalszahlen lag, die nicht vollends überzeugen konnten. Dennoch ist Shire die konservativste Variante, um in den Bereich „Orphan Deseases“ zu investieren. Der Kursrückschlag der letzten Wochen ist eine gute Einstiegsgelegenheit. Ein Aktienrückkaufprogramm über 500 Mio. $ sollte das verbleibende Abwärtspotenzial abfedern. Stop Loss: 1.400 p.

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