Onkel Sam in der Bredouille

kurs plus GmbH
Veröffentlicht von kurs plus GmbH am 16.08.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

PortfolioJournal

Plötzlich war das begehrte Prüfsiegel weg: Standard & Poor’s entzog den USA das AAA-Rating und brachte damit das Fass zum Überlaufen. Die Märkte spielten tagelang verrückt. Doch viel geändert hat sich durch Herabstufung nicht, auch wenn den Vereinigten Staaten große Herausforderungen bevorstehen.


 

Die vergangenen zwei Wochen dürften nicht nur bei US-Präsident Barack Obama für eine Zunahme der grauen Haare gesorgt haben. Immer wieder zeigten sie Medien sorgenvolle Mienen bei den Händlern der Wall Street. Die Abstufung der Bonität für US-Staatsanleihen sorgte letztlich für ein Börsen-Beben rund um den Globus. Schon in den Wochen zuvor hatte die anhaltende Euro-Schuldenkrise und das anhaltende politische Gerangel um die Erhöhung der Schuldengrenze in den USA für steigende Nervosität gesorgt.

Es folgte ein fast zweiwöchiger Ausverkauf an den Märkten, wobei sich die Wall Street noch verhältnismäßig wacker schlug – wenn man den Dax zum Vergleich heranzieht. Der Dow Jones notierte am 21.07. noch bei rund 12.700 Punkten. Bis zum 10.08. sank der Leitindex auf 10.700. Auch der Nasdaq 100 musste deutlich Federn lassen. Von 2400 Punkten am 26.07. sackte das Börsenbarometer binnen zwei Wochen auf knapp über 2000 Zähler ab.

Von den zwischenzeitlichen Tiefstständen haben sich sowohl Dow Jones als auch der Nasdaq 100 besonders gegen Ende der letzten Woche wieder ein deutliches Stück entfernt. Die Hoffnung, dass die Talsohle durchschritten ist, mehrt sich an den Märkten.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie die mittelfristigen Perspektiven der größten Volkswirtschaft der Welt sind. Immer noch kursiert die Angst vor dem Double Dip, also dem Rückfall in die Rezession, nachdem die Finanzkrise von 2008 bereits überwunden schien. In einer Sache sind sich die meisten Experten hingegen einig: Fundamental hat sich durch die Änderung des Ratings durch S&P nicht viel geändert, zumal Fitch und Moody’s ihre Einschätzungen beibehalten wollen.

„Das Downgrade der USA hat kaum praktische Auswirkung, weil es keine echte Alternative zu US-Staatsanleihen gibt. Die nächstgrößten Märkte für Staatsanleihen sind diejenigen Japans und Italiens. Und wer will die schon im Portfolio?“, fragt Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds.

Trevor Greetham, Director Asset Allocation der Fondsgesellschaft Fidelity International, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: „Die Kreditaufnahmekosten der USA könnten nach Meinung verschiedener Experten um etwa 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen. Eine gewaltige Summe, deren Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft von der Größe Amerikas sich aber in Grenzen halten dürften.“

Die USA müssen schon jetzt einen signifikanten Teil ihres Budgets über Kredite finanzieren. Das Haushaltssaldo beträgt laut OECD minus 10,1 Prozent in 2011. Die 14,6 Billionen US-Dollar Staatsschulden verursachen bereits jetzt 500 Milliarden Dollar Zinsen pro Jahr. Einige Bundesstaaten wie Kalifornien sind bereits in ernsthaften Schwierigkeiten.

Das Defizit des Bundes soll mit einem drastischen Sparprogramm bekämpft werden. In den kommenden zehn Jahren will die US-Politik 2,5 Billionen US-Dollar einsparen. Auf diesen Schuldenkompromiss haben sich Demokraten und Republikaner vor zwei Wochen geeinigt. „Diese Herausforderungen können nicht mit kurzfristigen Reparaturmaßnahmen bewältigt werden, sie benötigen vielmehr mehrjährige Anstrengungen“, mahnte die Investmentgesellschaft BlackRock in einem Marktkommentar. Steuererhöhungen hingegen konnten die Konservativen verhindern. Dabei machen die Staatseinnahmen nur rund ein Drittel des BIPs aus, hierzulande sind es 43,2 Prozent. Wo letztlich der Roststift angesetzt werden soll, legt eine Kommission fest. Vor allem bei Sozialleistungen, dem extrem teuren Gesundheitswesen und dem gigantischen Militäretat gelten Einschnitte als sicher. „Auch nach der Einigung über die Schuldengrenze zwischen Präsident Obama und dem Kongress zeichnet sich auf absehbare Zeit, d.h. vor den Wahlen Ende 2012, kein drastischer Sparkurs ab“, schätzt die Helaba. Es stellt sich nur die Frage, wie die USWirtschaft auf ein solches Kürzungsprogramm reagiert. Rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen aus dem Binnenkonsum. Zum Vergleich: In Deutschland beläuft sich dieser Wert auf 50 Prozent. Doch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit von neun Prozent und das schwache Wachstum (im zweiten Quartal 1,3 Prozent), das nicht nur auf Sondereffekte wie das Beben in Japan sowie erhöhte Energieund Nahrungsmittelpreise zurückzuführen ist, lässt auf keine schnelle Besserung hoffen.

„Für diese Verlangsamung gibt es mehrere Ursachen. Der wichtigste Faktor war sicher der unerwartet kräftige Anstieg der Energieund – in geringerem Umfang – der Nahrungsmittelpreise. Dieser belastete insbesondere den privaten Konsum, der verglichen mit dem Jahresende 2010 erheblich an Fahrt verloren hat und in den Monaten April bis Juni real sogar rückläufig war“, heißt es in einer Anlayse der Helaba.

Hinzu kommt, dass sich die Wirtschaft in der letzten Dekade zu sehr auf Immobilien und die Finanzbranche konzentrierte.

Beide Bereiche beflügelten sich gegenseitig, der Traum vom Haus wurde für Jedermann greifbar – auf pump, versteht sich. In den letzten 25 Jahren verdoppelte sich das Verhältnis vom eigenen Einkommen zum Schuldenstand. Der Knall, von dem sich die Vereinigten Staaten immer noch nicht erholt haben, kam 2008.

Dennoch soll es langsam aufwärts gehen. Für das laufende Jahr rechnet die Helaba mit einem Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. 2012 soll die Wirtschaft um 2,2 Prozent wachsen. Diese Raten sind allerdings zu gering, um beim Bundeshaushalt für Entspannung zu sorgen. Erste positive Anzeichen für einen Aufwärtstrend gibt es bereits. Im Juni stiegen die Bauausgaben überraschend auf ein Sechs-MonatsHoch. Die Anträge für Arbeitslosenhilfe gingen zuletzt außerdem leicht zurück. Dass sie Notenbank Fed ihre Politik des billigen Geldes mittelfristig fortsetzen will, kam an den Märkten ebenfalls gut an.

Neben negativen Stimmen gibt es insofern auch Optimisten, die der weiteren Entwicklung auf den Aktienmärkten auch positiv entgegensehen. „Grundsätzlich deuten die Wirtschaftsund Unternehmensdaten auf keine deutliche Wirtschaftsverlangsamung hin. Im verarbeitenden Bereich geht es der US-Wirtschaft weiter gut. Darüber hinaus haben auch Unternehmen, die in hohem Maße vom Heimatmarkt abhängen, sehr positiv überrascht“, erklärte Mikio Kumada, Global Strategist LGT Capital Management, Ende Juli. US-Aktien dürften von daher früher oder später zu neuen Höchstständen aufbrechen.

Fidelity-Mann Trevor Greetham sieht momentan sogar Chancen für US-Werte: „Im Nachhinein erweisen sich solche Phasen häufig als exzellente Kaufgelegenheiten. Deshalb sollten Anleger an ihrem langfristigen Horizont festhalten, selbst wenn es kurzfristig etwas ungemütlich werden könnte.“ Auch Jens Wilhelm ist Vorstand von Union Investment und zuständig für das Portfoliomanagment, rät Anlegern zur Besonnenheit: „In einer Phase hoher Verunsicherung sollten die fundamentalen Daten nicht aus dem Blick geraten. Nach unserer Einschätzung ist nicht mit einem Abrutschen der Weltwirtschaft in eine Rezession zu rechnen.“ 

 

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