In der Wahrnehmung von Emerging und Developed Markets ist ein Umdenken angebracht
Frankfurter Börsenbrief
Die globale Überliquidität hat sicherlich an vielen Stellen der Asset-Märkte zu Verwerfungen geführt, mitunter wohl auch zu kleineren Blasenbildungen. Aber der Markt ist immer noch in der Lage, Risiken zu unterscheiden, und daran ändert auch der Dubai-Schluckauf wenig. Im Gegenteil - die Stolperfalle schärft die Sinne, doch das Ergebnis dürfte anders ausfallen, als man dies erwarten könnte. Indikativ ist dabei wohl, daß Libanon in jüngerer Zeit ohne große Mühe 500 Mio. Dollar einsammeln konnte (teils sogar mit langer Laufzeit von 15 Jahren). Ebenfalls ein interessantes Schlaglicht ist, daß die Rating-Agentur Fitch die Türkei gleich um 2 Stufen hochsetzte auf BB+. Damit ist das frühere Sorgenkind unter den Emerging Markets nur noch eine Stufe von einem Investment-Grade im Rating entfernt.
Gerade einige Emerging-Markets hingegen haben dicke Pluspunkte auf ihrer Seite. Während in der westlichen Welt mitunter die öffentlichen Verschuldungen explodierten, ergab sich bei einer Reihe von Ländern ein extremer Anstieg bei den Devisenreserven. Musterbeispiel ist hier natürlich China, wo die Reserven von etwa 450 Mrd. Dollar noch im Jahr 2004 auf inzwischen etwa 2,27 Billionen Dollar hochgefahren wurden. Indien steht für etwa 286,7 Mrd. Dollar, Südkorea für etwa 270,9 Mrd. Dollar. Die russischen Reserven (Gold und Devisen) sind mit etwa 441,7 Mrd. Dollar anzusetzen. Mit derartigen Polstern stehen die Länder in einer völlig anderen Situation und können sogar Investment-Chancen wahrnehmen (wie beispielsweise China in Afrika).
Dazu kommen deutlich attraktivere Wachstumsraten in einigen Regionen. China schaffte im dritten Quartal ein Wachstum von 8,9 %. Indien kam auf plus 7,9 %. Damit ergibt sich eine erhebliche Magnetwirkung für Kapital in einzelnen Emerging Markets. Indikativ: Der indische Sensex Index schaffte vom jüngeren zyklischen Tief plus 114 %, der brasilianische Bovespa bringt etwa plus 132 % auf die Waage. Wenn man es breiter betrachtet fällt z.B. der e-Mini MSCI Emerging Markets Index auf mit plus 104 %. Dies steht gegen einen Zuwachs beim S&P 500 von 64 %. Ebenfalls indikativ ist, daß bei Neuemissionen gerade auch von Emerging-Market-Börsen wie Hongkong, Shanghai, São Paulo, Kuala Lumpur, Bombay usw. Kapital eingesammelt werden konnte. Hier in Deutschland gelang noch nicht einmal der Börsengang der eher defensiven Concessions-Sparte von Hochtief. Emerging Markets können derzeit also eine Menge Kapital anlocken, was in diesen Zeiten ein wichtiges strategisches As im Ärmel ist und zukünftig noch stärker in den Fokus rücken könnte.
Fazit: Emerging Markets sind nicht mehr blind auch mit höherem Risiko gleichzusetzen. Vielmehr sollte man differenziert denken und den Ball so spielen, wie er kommt.