Hebel und Margin

Veröffentlicht am 15.06.2009

Mit plakativen Werbesprüchen und reißerischen Videoclips suggerieren uns Anbieter von Derivaten immer wieder, dass jeder Trader, der etwas auf sich hält, eigentlich nur noch mit Hebel handelt. Dabei sind diese Hebel ganz unterschiedlich. Während in Finanzpublikationen bei Zertifikaten und Optionsscheinen Hebel zwischen zwei und zehn zu finden sind, prahlen CFD-Broker gern mit 50 oder 100. Beim Handel an Devisenmärkten werden gerne auch mal 200er-Hebel angeboten. Da stellt sich die Frage, welcher Hebel denn wohl sinnvoll ist. Wie kann es überhaupt zu einer solchen Hebelwirkung kommen?


Zunächst einmal sollte man sich vor Augen führen, dass die Realität des normalen Handels mit Hebel eins verläuft. Wenn man eine Aktie kauft, den vollen Preis bezahlt, und sie später wieder verkauft, so war keinerlei Hebelwirkung im Spiel. Traditionell müssen die meisten Anleger so handeln, da Risikoklassen bei den Hausbanken Privatanlegern oft den Handel mit risikoreichen Produkten verbieten. Wer sich jedoch in die höchste Risikoklasse hinaufgearbeitet hat, den erwarten dort ungeahnte Reichtümer – oder das böse Erwachen.


Traditionelle Hebelprodukte

Traditionell waren schon Optionsscheine mit Hebeln ausgestattet. Auf die genaue Berechnung der verschiedenen Ausstattungsmerkmale von Optionsscheinen können wir hier nicht im Einzelnen eingehen. Es sei nur erwähnt, dass sie die Namen griechischer Buchstaben tragen. Der Hebel zum Beispiel heißt Omega. Dieser Hebel gibt an, um wie viel stärker sich der Wert des Optionsscheins verändert als der zugrunde liegende Basiswert. Besitzt ein Schein auf Allianz den Hebel zehn, so steigt er um 10 Euro im Preis, wenn sich Allianz um 1 Euro nach oben bewegt. Später wurde dieses Prinzip auf Zertifikate übertragen. Sie tragen klangvolle Namen wie „Turbo“, um auf diesen Verstärkungsfaktor hinzuweisen. Doch es gibt auch Zertifikate, die keinen Hebel besitzen, also Wertveränderungen eins zu eins umsetzen, zum Beispiel Bonus- oder Basket-Zertifikate.


CFD-Handel mit Kredit

Bei CFDs liegt der Fall etwas anders. Während der Emittent bei Optionsscheinen und Zertifikaten bei der Hebelbestimmung freie Hand hat, sind CFDs per Definition erst einmal hebellos. Denn CFD heißt „Contract for Difference“, und diese Differenz ist immer der Betrag, um den sich der Basiswert bewegt. Steigt eine Aktie um 1 Euro und man hält einen CFD, so sollte er ebenfalls um 1 Euro steigen. Stimmt auch. Um eine Hebelwirkung zu erreichen, müssen wir also umdenken. Banken möchten gern Geschäfte machen, und auch ein Online-Broker erfüllt für Trader meistens eine Bankfunktion. Eines der Geschäftsmodelle von Banken ist das Verleihen von Geld gegen Zinsen. Was liegt also näher als dem Kunden (hier: Trader) einen Kredit anzubieten? So hat sich eine neue Art von Kreditgeschäft etabliert, bei dem die Bank kurzfristige Kredite vergibt, um Anlagegeschäfte zu finanzieren. Im Gegensatz zu einem Kontokorrentkredit kann sich der Trader jedoch nicht aussuchen, wann er ihn in Anspruch nimmt. Jeder Trade führt automatisch dazu, dass ein Teil der erforderlichen Mittel vom Broker kommt. Nun ist es also möglich, zum Beispiel große Positionen im Währungsmarkt mit Geld zu handeln, das man nicht hat.


Margin

Ein beliebtes Beispiel ist das Währungspaar Euro/US-Dollar, das bei vielen CFD-Brokern mit einem Hebel von 100 angeboten wird. Möchte man 100.000 Euro in US-Dollar tauschen, so gibt man den Auftrag per Mausklick in der Trading-Applikation, und der Broker entnimmt dem Kundenkonto 1.000 Euro (1%), während er 99.000 Euro beisteuert (99%). Der Betrag, der vom Kunden kommt, wird üblicherweise in der Kontodarstellung separat aufgeführt. Da er nur noch untergeordnete Bedeutung hat, also quasi marginal ist, hat er vom Englischen stammend den Namen „Margin“ oder „Marge“. Ein Hebel von 100 entsteht also, wenn der Broker eine 1:100 Margin verwendet, um die Handelsaktionen des Kunden zu finanzieren. Denn mit 1.000 Euro des Kunden werden 100.000 Euro im Markt bewegt. Die Gewinne aus diesem Trade fließen voll auf das Kundenkonto zurück. Würde der Wert des US-Dollar in unserem Beispiel jedoch auf Null fallen, so hätte der Kunde zunächst einmal 1.000 Euro verloren, während der Broker für den Rest gerade stehen müsste, nämlich 99.000 Euro. Da das natürlich nicht in seinem Sinne ist, verpflichten die Geschäftsbedingungen den Kunden zum Nachschießen. Das bedeutet, dass er eventuell auftretende Liquiditätsmängel auf seinem Konto durch Nachzahlung auszugleichen hat. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass Kunden dazu nicht immer in der Lage sind. Deswegen gehen Broker auf Nummer sicher und informieren den Kunden darüber, wenn eine Position so weit ins Minus zu laufen droht, dass das Konto leer wäre. Der englische Name dafür, der auch immer wieder in Deutschland zu hören ist, heißt „Margin Call“. Wer diesen Anruf bekommt, dessen Konto hat ein Problem. Auf dem Umweg der Margin konnten nun auch CFD-Broker Hebel anbieten. Zusätzlich haben sie bei derivativen Basiswerten die Möglichkeit, CFDs zu erfinden, die schon von sich aus einen Hebel besitzen. Ein derivativer Basiswert ist zum Beispiel der DAX oder der S&P 500. Niemand kann sagen, wie viel Geld ein Punkt in einem Index wert ist. Also werden Produkte entwickelt, die ein Vielfaches des Basispunktes wert sind. Das Model stammt aus der Welt der Futures-Kontrakte. Hier ist ein DAX-Punkt 25 Euro wert. Ein Punkt im S&P 500 bewegt 50 Dollar. Damit hat er einen Hebel von 50. Das Modell lässt sich auch bei CFDs einsetzen. Der Hebel bestimmt also, wie viel Gewinn man verbuchen kann, wenn der Basiswert um 1% steigt, wobei sich der Hebel auf die Summe bezieht, die man investiert hat. Die einfache Formel, nach der sich dieser Hebel berechnen lässt, könnte so aussehen: H = 100 / Margin.


Die Schattenseiten des Hebels

In der Werbung wird die positive Seite dieser Hebelwirkung herausgestellt. Auch CFD-Börsenbriefe werben immer wieder mit Musterdepots, die in wenigen Wochen um hunderte oder tausende Prozent gestiegen sind. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Verluste werden durch den Hebel ebenfalls multipliziert. Die Grafik eines fiktiven Kursverlaufs soll das verdeutlichen. Dabei ist der Basiswert grau dargestellt. In der Mitte der Grafik liegt die Null-Linie. Um 10 Uhr wird ein Trade eingegangen. Die grüne Linie zeigt den Wertzuwachs in den nächsten drei Stunden. Zunächst sieht alles gut aus. Der Wert steigt um ca. 50 Euro. Doch am Ende fällt er unter den Einstiegspreis. Das Ergebnis ist negativ. Zum Vergleich ist blau die Kurve eines Derivates oder CFDs mit Hebel drei eingezeichnet. Sie steigt auf 150 Euro, doch sie fällt auch wesentlich weiter unter Null. Am Schluss sind hier 50 Euro Verlust entstanden, dreimal mehr als beim Kauf des Basiswertes. Natürlich kann man beim Handel mit CFDs sowohl dann Profit machen, wenn die Kurse steigen, als auch dann, wenn sie fallen, je nach dem, ob man short oder long gehandelt hat. Auch das erklärt uns die Werbung immer wieder. Dabei kann man innerhalb weniger Tage seinen Einsatz um das X-fache vermehren, wenn man einen entsprechend guten Kurs erwischt hat. Da der geforderte Margin-Einsatz sehr gering ist, kann man durch wenig Einsatz sehr hohe Gewinne erzielen und hohe Summen an der Börse bewegen. Doch die Gefahr darf nicht unterschätzt werden. Die zweite Grafik zeigt ein Konto (grün) mit über 20.000 Euro. Im Fall A sei angenommen, es sind Verluste von ca. 5.000 Euro durch den Handel mit Aktien entstanden (orange). Damit ist das Konto auf ca. 18.000 Euro zurückgegangen. Im Fall B wurde jedoch ein Hebel von fünf verwendet. Die gleichen Verluste haben dazu geführt, dass nicht nur das Konto aufgebraucht wurde, sondern zusätzlich Schulden entstanden sind, die der Kunde ausgleichen muss. Sehr problematisch wird dieser Effekt bei Neulingen, die aufgrund von Chartanalysen versuchen, Trades auszusitzen. Da sie beobachten, dass Kurse fallen und später wieder steigen, schließen sie einen Verlust-Trade nicht. Stattdessen warten sie auf bessere Zeiten, oder kaufen noch nach. Beide Strategien sind nicht grundsätzlich falsch, entstammen aber dem Handel mit Aktien, bei denen man den vollen Preis bezahlt. Auch bei Optionsscheinen, die nur auf Null fallen können, ist ein solches Vorgehen möglich. Bei CFDs und Hebelprodukten, die zusätzliche Schulden verursachen können, ist vom Aussitzen abzuraten.


Fazit:

Hebel stellen einen Multiplikationsfaktor dar, mit dem sich Gewinn und Verlust eines Trades im Vergleich zum Basiswert entwickeln. Die Margin-Konten bei CFD-Brokern erlauben Kunden, große Positionen aufzubauen, deren Gewinne enorm sein, deren Verluste jedoch mehr als das Konto vernichten können.  

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag