Für viele Staatsfonds geht es jetzt ans Eingemachte

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 27.01.2016
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Aktionärsbrief

Bis Mitte 2014 ist das Vermögen der sogenannten „Sovereign Wealth Funds“ stetig gestiegen. Die Zuflüsse der größten Fonds haben sich dabei vor allem aus Einnahmen aus dem Verkauf von Rohöl gespeist. Ende 2015 belief sich das Volumen der Staatsfonds weltweit auf 7,2 Billionen, womit sich der Betrag innerhalb von 10 Jahren knapp vervierfacht hat. Ungefähr 4 Billionen $ und damit mehr als die Hälfte dieses Volumens stammt aus Öl- und Gaseinnahmen. Entsprechend der Abhängigkeit von Rohstoffverkäufen ist es nicht verwunderlich, dass die Liste der größten Fonds von Ländern wie Norwegen, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Kuwait angeführt wird.


Mitte 2014 wurde dann das bisher gültige Procedere auf den Kopf gestellt. Der Ölpreis ist deutlich zurückgegangen. Der Rückgang summiert sich seitdem auf 75 %. Damit ist der Kapitalzufluss für die Staatsfonds empfi ndlich zusammengeschrumpft und einer der wichtigsten Treiber für den Vermögensaufbau der entsprechenden Länder entfallen. Sinn und Zweck der Staatsfonds ist neben einer rentierlichen Investition nämlich auch die Diversifi kation, um die Abhängigkeit vom Ölgeschäft zu reduzieren, aber auch, um sich Speck für schlechte Zeiten anzufuttern. Die nur noch spärlich tröpfelnden Zuflüsse sind ein großes Problem für die betroffenen Länder. Durch den implodierten Ölpreis geraten jetzt die Haushalte in Schiefl age. Denn bisher sind die Staatsausgaben nicht nur von den Öleinnahmen gespeist worden, sondern auch von der Verzinsung
des investierten Kapitals.

Die Haushalte der ölexportierenden Länder sind mittlerweile nur noch Makulatur. Denn die Kalkulationsgrundlage war ein deutlich höheres Ölpreisniveau. So benötigt Saudi-Arabien einen Ölpreis von gut 100 $ pro Barrel, um einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können. Katar und Norwegen hingegen haben mit 50 $ gerechnet. Mittlerweile notiert das Barrel Rohöl aber nur noch bei gut 28 $, so dass einige Regierungen nun gezwungen sind, mit dem Verkauf ihres Tafelsilbers zu beginnen, um die entstandenen Haushaltslöcher zu stopfen. Norwegen will allerdings erst im Laufe dieses Jahres damit beginnen, Aktiva aus dem Staatsfonds zu verkaufen.

Der Haushalt von Saudi-Arabien ist besonders stark vom implodierten Ölpreis in Mitleidenschaft gezogen worden. Der IWF taxiert das Haushaltsdefi zit für 2015 gemessen am BIP auf über 20 %. 2013 hatte der Haushalt Saudi-Arabiens dagegen noch einen Überschuss ausgewiesen. Kuwait hingegen hat das Glück eines Haushaltsüberschusses, allerdings sinkt dieser im Vergleich zu 2013 rapide.

Die Einschläge für die Haushalte kommen jedoch auch noch von einer anderen Front: Dem Devisenmarkt. Denn nun rächt sich das Verfahren vieler ölexportierender Länder, ihre Währungen an den US-Dollar zu koppeln. Ein plastisches, wenn auch nicht besonders bedeutsames Beispiel, lieferte Aserbaidschan. Das ölreiche Land zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus bestreitet rund zwei Drittel seines BIPs aus dem Export von Rohöl und Erdgas. Aufgrund der schwindenden Währungsreserven sah sich Aserbaidschan im vergangenen Jahr gleich zwei Mal gezwungen, den Manat abzuwerten. Aktuell gerät Saudi-Arabien verstärkt unter Druck. Zwar sitzt man trotz des Ölpreisrückgangs immer noch auf Vermögenswerten in Höhe von knapp 670 Mrd. $, aber es werden täglich weniger. Gleichwohl befi ndet sich Saudi-Arabien von allen Ölförderländern in der komfortabelsten Situation, dauert es doch auf Basis des aktuellen Ölpreises gut fünf Jahre, bis die Reserven vollständig aufgebraucht sind. Dennoch gerät der saudiarabische Rial unter Druck. Die Regierung beharrt zwar weiterhin auf das bei 3,75 Rial/$ festgezurrte Wechselkursverhältnis, aber Spekulanten beginnen nun immer mehr auf eine Abschwächung des Rials zu setzen.

Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate befinden sich nur auf den ersten Blick in einer noch komfortableren Position. Ihr Kapitalpuffer reicht nominell für 20 oder mehr Jahre, allerdings basiert diese Berechnung auf einem Ölpreis von 50 $. Dieses Niveau ist mittlerweile völlig unrealistisch geworden.

Als Goldman Sachs zum Jahresende die Prognose für das Barrel Öl auf 20 $ zurücknahm, wurde man vielfach dafür belächelt. Heute scheint diese Prognose erreichbar, wenn nicht sogar ein bisschen zu konservativ. Alleine in diesem Jahr hat der Ölpreis um rund 8,40 $ oder knapp 23 % nachgegeben. Hält die derzeitige Dynamik an, wäre der Ölpreis Mitte Februar bei 20 $ angekommen. Das erscheint möglich, ist aber nicht unsere Prognose. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass sich diese hohe Abwärtsdynamik der vergangenen Wochen weiter so fortsetzt, auch wenn es per saldo weiter abwärts gehen dürfte.

Sollte der Ölpreis tatsächlich auf 20 $ abrutschen, wird es für viele Staatsfonds vom Golf noch enger. Denn dann müssten sie im laufenden Jahr weitere Aktiva im Wert von 494 Mrd. $ verkaufen, um die Löcher in ihren Haushalten zu stopfen. Das hat Goldman Sachs errechnet. Die Nachrichtenagentur Reuters hingegen will erfahren haben, dass der saudische Staatsfonds SAMA Foreign Holdings bereits damit begonnen hat, Vermögenspositionen aus ihrem Fonds zu verkaufen.

Damit wäre eine neue Phase der Staatsfonds eingeläutet: Nach Jahrzehnten des rasanten Vermögensaufbaus würde nun die Phase der Vermögenserosion beginnen. Wie lange diese andauern wird, ist offen. Fest steht aber, dass die Aktienmärkte die Hauptleidtragenden sind, liegt die Aktienquote bei den großen Staatsfonds doch bei stattlichen 60 %.
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