EZB präsentiert Waffenarsenal der Zukunft

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 02.08.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Wie erwartet konnte EZB Chef Mario Draghi die hoch gesteckten Erwartungen an die gestrige Notenbanksitzung nicht übertreffen, die Börsen brachen in Folge der ausgebliebenen konkreten Aktionsankündigungen ein. Ich habe mir die anschließende Pressekonferenz angehört und konnte mir ein Bild von Mario Draghi machen.


Ich halte Mario Draghi für einen gerissenen Hund

Er spielt mit dem Feuer. Seine Formulierungen sind stets wohl gewählt, doch er sagt Dinge, mit denen er die Phantasie der Zuhörer, also der Presse sowie der Finanzwelt, auf Reisen schickt.

Vor einer Woche sagte er in seiner Rede in London, ausgerechnet in London, wo der Markt seit Jahren mit Liquidität überschwemmt wird und von wo aus man selbiges von der EZB verlangt, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. Es ist keine besonders inhaltsvolle Aussage, denn es ist ja gerade die Aufgabe der EZB, sich um den Euro zu kümmern, und natürlich wird die EZB alles in ihrer Macht stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen. Warum also trifft er eine solche Aussage?

Und so sagte er auf der einen Seite, der Euro werde bleiben und die EZB werde alles dafür tun. Und auf der anderen Seite schränkt er ein, dass die EZB natürlich nur die Mittel verwenden werde, die ihr zustehen. Wenn also ein spanischer Journalist nachfragt, ob "alles" bedeute, dass unlimitiert Liquidität zu Verfügung stehe, dann nickt Draghi bedeutungsvoll und wiederholt, man werde alles tun, was notwendig sei und über eine Obergrenze habe man bislang noch nicht gesprochen.

Wenn dann ein deutscher Journalist fragt, ob dies bedeute, dass die EZB eigenständig Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt einkaufe, dann kehrt er die Einschränkung in den Vordergrund, dass man natürlich nur das tun werde, was der EZB erlaubt sei, und für Staatsanleihemärkte auf dem Sekundärmarkt müsse das entsprechende Land schon Hilfe aus dem EFSF oder später ESM erhalten, sodass also bereits strukturpolitische Änderungen umzusetzen seien. Ohne Strukturreformen also keine Staatsanleihekäufe.

Und genau an diesem Punkt streiten sich Bundesbankpräsident Weidmann und EZB-Chef Draghi: Die deutsche Position ist, dass Staatsanleihekäufe auch auf dem Sekundärkmarkt der EZB nicht erlaubt seien. Es sei eine unerlaubte Erleichterung des Drucks der Finanzmärkte auf das Land, und genau dieser Druck sei erforderlich, um Reformen durchzusetzen.

Draghi hingegen sagt, dieser Druck sei ungerechtfertigt, also ein Fehler des Marktes, denn wenn ein Land die vorgeschriebenen Reformen umsetze, dann sei es ja schon auf dem Weg der Besserung und verdiene ein wenig Schützenhilfe bei den ausgeuferten Finanzierungskosten.

Ich habe mich in den vergangenen Wochen nochmals intensiv mit den puristischen Forderungen der österreichischen Schule auseinander gesetzt. Toll, wie die sich mittel- und langfristig ein funktionierendes Finanzsystem vorstellen. Leider halte ich dieses schöne Ziel für derzeit europaweit nicht durchsetzbar. Wir müssen uns hier mit der Realität anfreunden.

Deutschland in der EZB hat kaum noch etwas zu sagen

Bei der Abstimmung über die Formulierung "die EZB werde den Euro mit allen Mitteln retten" hat sich Weidmann enthalten. Er kann natürlich nicht dagegen stimmen, den Euro zu retten. Doch er fühlt sich nicht wohl mit dem Vorgehen Draghis, der diese Formulierung nutzt um der Politik aufzuzeigen, wie sie die Kasse der EZB für weitere Liquiditätsflutungen öffnen kann.

Es wird so kommen, dass die EZB Staatsanleihen von Spanien und vielleicht auch von Italien aufkaufen wird. Es wird auch so kommen, dass der ESM vergrößert wird, die Spirale wird sich weiterdrehen. Und das wird dazu führen, dass die Wirtschaft wieder ein wenig besser laufen kann, die Kurse der Aktien werden steigen.

Auf der anderen Seite werden die strukturellen Probleme nicht zufriedenstellend gelöst. Das Misstrauen der Banken untereinander sowie gegenüber der Wirtschaft wird anhalten, die EZB wird auch mit einem über Jahre hinweg rekordniedrigen Leitzins den Finanzkreislauf kaum in Schwung bringen. Für uns heißt das ganz klar: Finger weg von niedrig verzinsten Staatsanleihen, schauen Sie sich nach attraktiven Unternehmensanleihen sowie nach cashflow-starken Dividendenaktien um.

Insbesondere die angelsächsischen Finanzmärkte haben das Ergebnis der jüngsten EZB-Sitzung enttäuscht aufgenommen. Dort ist man gewohnt, Taten zu sehen. Und Taten gab es keine. Lediglich Ankündigungen, das Aufzeigen von Möglichkeiten. Auf der anderen Seite sind die Deutschen nun offiziell erleichtert, dass es keine Taten gab, die über das Mandat der EZB hinausgehen. Doch die Stichelei kann auch in Deutschland nicht gefallen.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


Der Goldpreis ist um 1,7% zurückgegangen. Ich habe den Eindruck, der Goldpreis wartet nur noch auf den richtigen Augenblick für den nächsten Höhenflug. Nachdem der Ankündigung Draghis von letzter Woche gestern keine Taten folgten, kam der Goldpreis wieder etwas zurück. Doch es ist in meinen Augen nur eine Frage der Zeit, bis der Widerstand Deutschlands gebrochen wird und erneute Liquiditätsspritzen für einen neuen Höhenflug sorgen werden.

Meinen Rat kennen Sie: Kaufen Sie Goldbarren oder -münzen. Bevor Sie auf eine Goldmine setzen, würde ich lieber in Michael Phelps investieren. Der fischt mehr Gold aus dem Wasser als Minenbetreiber finden können.

Einen neuen Höhenflug erwarte ich ebenfalls für den Aktienmarkt, und damit liege ich auf der Linie der Privatanleger. Bei den Analysten habe ich den Eindruck, dass diese von der aktuell begonnenen Rallye noch nicht viel wissen wollen und zunächst ihre Kursziele weiter nach unten anpassen. Kein Wunder, wurde doch in den jüngsten Quartalsberichten von den Unternehmenslenkern keine Gelegenheit ausgelassen, um auf die schwere konjunkturelle Situation hinzuweisen und die Erwartungen zu dämpfen. In meinen Augen haben wir hier das richtige Mix für eine Reihe positiver Überraschungen im Herbst.

Schauen wir einmal auf die Entwicklung der Stimmung:\n

SENTIMENTDATEN


Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

Kaufen / Verkaufen
13.07.- 20.07. (256): 54% / 21%
20.07.- 27.07. (332): 40% / 16%
27.07.- 03.08. (313): 41% / 19%

Kaufempfehlungen der Analysten
Fresenius SE, BMW, K+S

Verkaufsempfehlungen der Analysten
SGL Carbon, JCDecaux S.A., Pearson Plc.

Privatanleger
29. KW: 57% Bullen (151 Stimmen)
30. KW: 46% Bullen (129 Stimmen)
31. KW: 57% Bullen (150 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
JCDecaux, Commerzbank, Drillisch

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Knight Capital, BNP Paribas

Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: 
http://www.sharewise.com?heibel 

Insbesondere bei den Analysten sehen wir, dass die jüngsten Kursanstiege dazu genutzt werden, die Kursziele nach unten anzupassen. Wo man den Ausverkauf der vergangenen Monate verschlafen hatte, bietet sich nun die Gelegenheit, mit intelligenten Argumenten eine pessimistischere Neueinschätzung vorzunehmen, ohne das Gesicht zu verlieren. So will man sich auf den nächsten Abwärtsschub vorbereiten.

In meinen Augen ist das natürlich falsch, denn es sorgt nur dafür, dass die Analysten im angelaufenen Aufwärtstrend mit ihren Kurszielen zu niedrig liegen und in die steigenden Kurse hinein dann wieder Unternehmen hochstufen müssen.

Privatanleger liegen in diesen Tagen in meinen Augen mit ihrer Einschätzung besser. Auch heute zeigt sich, dass die Aussagen Draghis nicht negativ waren, sondern so positiv wie es bei der EZB im Rahmen der ihr gesteckten Möglichkeiten eben ging.

Auch die folgenden Top-Analystenziele sollten Sie vor dem Hintergrund sehen, dass viele der aufgelisteten Aktien in den vergangenen Monaten kräftig eingebrochen sind.

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Commerzbank, Daldrucp, Klöckner, Tui und Morphosys sind allesamt in den vergangenen Monaten kräftig zurückgekommen, und Analysten nutzen die jüngsten Kursaufschläge, um ihre Kursziele anzupassen und mit einem blauen Auge davon zu kommen.

Die Volkswagen Vorzüge wurden von Goldman Sachs in die "Conviction Buy List" aufgenommen, die Liste der überzeugten Kaufempfehlungen, mit einem Kursziel von 261 Euro (Kurs aktuell: 139,60 Euro, Xetra 13:03 Uhr). VW erobert den Weltmarkt und ist nur einen Bruchteil von Toyota wert.
 

BRISTOL-MEYERS SQUIBB UNTER BESCHUSS, MARKET-MAKER FEHLEN


Gestern hat Bristol-Meyers überraschend sein Hepatitis-C Medikament, das sich in der Phase II des Zulassungsverfahrens befand (es gibt III Phasen), vom Markt genommen. Das Medikament sollte einmal einen Jahresumsatz von 800 Mio. USD erzielen. Bei einem Jahresumsatz von 20,5 Mrd. USD für den Bristol-Meyers Konzern war das Hepatitis-C Medikament sicherlich kein erfolgskritisches Medikament, aber es hätte einen guten Beitrag zum Konzerngewinn geleistet.

Es ist also verständlich, wenn die Aktie in Folge dieser Meldung von enttäuschten Anlegern verkauft wird. Die Aktie notiert auf einem KGV von 16 und zahlt eine Dividende von rund 4,2%. Erst Anfang des Jahres hatte Bristol-Meyers 2,5 Mrd. USD für das Unternehmen bezahlt, das das Hepatitis-C Medikament entwickelt hatte. Diese 2,5 Mrd. USD sind nun weitgehend futsch.

Die Marktkapitalisierung brach jedoch nicht um 2,5 Mrd. USD ein, sondern um 6 Mrd. USD. Der Kurs brach nicht um einen in meinen Augen angemessenen Wert von 5% ein, sondern um 10%. Ich habe Ihnen dieses Beispiel herausgesucht, um Ihnen aufzuzeigen, dass computergesteuerte Börsen heute noch nicht in der Lage sind, den Parketthandel, die Market-Maker von früher zufriedenstellend zu ersetzen.

Früher, in der guten alten Zeit, gab es Händler auf dem Börsenparkett, die genau diese Faustrechnung aufmachen konnten, wie ich Sie Ihnen hier vorgerechnet habe. Wenn der Kurs um mehr als 5% einbrach, dann hätten sie selbst die Aktien gekauft, wohlwissend, dass in wenigen Tagen, wenn nicht Stunden, andere Anleger wieder zugreifen werden.

Es ist nun einmal häufig so, dass Verkäufer bei schlechten Meldungen umgehend aktiv werden und den Kurs damit in den Keller peitschen. Sodann dauert es eine Weile, bis Anleger auf das günstige Kursniveau aufmerksam werden, ein wenig Research betreiben und die Aktien dann einsammeln. 4,2% Dividendenrendite bei einem KGV von 16, da gibt es eine ganze Reihe von institutionellen Anlegern, die sich so einen defensiven Wert gerne ins Portfolio legen.

Doch zuvor müssen sie ein wenig telefonieren: Liegt da noch irgendwas anderes im Argen? Wie sieht die "Pipeline" aus, also wie viele erfolgsversprechende Medikamente befinden sich in der Testphase, und wie stehen die Chancen auf eine Marktzulassung? Wenn die Beantwortung dieser Fragen keine roten Fahnen enthält (Warnungen!), dann greift man zu. Doch Investoren sind, anders als Trader und Spekulanten, Menschen, und Menschen benötigen Zeit, um den Telefonhörer aufzunehmen, um Informationen zu verarbeiten und um Entscheidungen zu treffen.

In dieser Zeit haben enttäuschte Anleger einen Kursverlust eingeleitet. Computergestützte technische Analysesysteme haben den begonnenen Abwärtstrend erkannt und springen durch Leerverkäufe auf den Trend auf, verstärken ihn also. So öffnete die Aktie mit einem Minus von 7% und wurde im Tagesverlauf auf -10% herunter geprügelt.

Investoren, die ein solches Kursverhalten sehen, werden nun noch ein wenig abwarten, bis sich dieses Spiel ausgespielt hat. Warum in ein fallendes Messer greifen, wenn man gemütlich zuschauen kann, bis dieser tödliche Kreislauf ausläuft?

Die Aufgabe des Market-Makers der alten Tage des Parketthandels war es, solche heftigen Kursschwankungen auszugleichen. Man erwartete vom Händler, dass er solche Überreaktionen erkennt und mit seinem eigenen Geld schnell in die Presche springt, was unterm Strich dann für die meisten Market-Maker zu einem ansehnlichen Wohlstand führte.

Für den Kleinanleger war die Präsenz der Market-Maker bei allem Neid auf ihr Einkommen dennoch für die Nerven beruhigend. Diese Beruhigung gibt es heute nicht mehr. Die Kurse schwanken heftig mit den Stimmungen der Anleger, ungebremst und durch den computergestützten Handel immer schneller.

Das ewige Argument der Börsenbetreiber und der Trader, sie versorgten die Märkte mit Liquidität, sodass zu jeder Zeit ein Gleichgewichtspreis gefunden wird, ist in meinen Augen falsch (ich habe das ja schon öfter ausgeführt). Die Geschwindigkeit, mit der Trader Meldungen handeln, verunsichert Investoren, hält sie von der Börse fern und schadet so der Funktion der Börse als Anlageort für die Altersvorsorge. Wer möchte gerne zusehen, wie seine Altersvorsorge binnen weniger Minuten einmal um 10% in den Keller rauscht, auch wenn der Spuk dann eine Woche später vielleicht wieder vorbei ist?

Ich werde mal schauen, ob ich dem Handel bei Bristol-Meyers heute und Anfang nächster Woche entnehmen kann, wann der Spuk endet. Wenn ja, werde ich an meine Kunden eine Trading-Benachrichtigung aussenden. Doch ich will nicht ausschließen, dass ich die Bodenbildung erst erkenne, wenn der Kurs schon wieder 5% höher steht. Heute Vormittag ist es in jedem Fall noch zu früh.
 
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