Europäische IT-Dienstleister haben Aufholpotenzial

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 17.06.2015
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Aktionärsbrief

Die Branche verrichtet ihre Dienste meistens im Hintergrund. Branchengrößen wie Atos, Cap Gemini, Accenture oder Cognizant sind oft nur IT-Spezialisten oder Einkaufsmanagern von Unternehmen ein Begriff. Aber auch wenn die meisten Branchenvertreter ihre Dienste eher unauffällig im Hintergrund verrichten, sind sie für ihre Kunden wegen des hohen Wettbewerbsdrucks überlebensnotwendig. Sowohl die Kunden als auch die IT-Serviceunternehmen selbst durchlaufen derzeit einen strukturellen Wandel: Digitalisierung, Migration in die Cloud sowie die Auslagerung von Geschäftsprozessen stehen ganz oben auf der Agenda. Von diesem Wandel profi tieren ganz besonders große US-Dienstleister wie Accenture oder Cognizant. Aber auch die Hauptherausforderer, nämlich indische IT-Dienstleister wie HCL, Infosys oder Wipro, haben sich gut in Stellung gebracht. Europäische Branchenvertreter hinkten bisher etwas hinterher, haben aber mittlerweile aufgeschlossen. Das eröffnet interessante Anlagechancen.


Die wenigsten IT-Dienstleister sind als solche gegründet worden. So sind die französische Atos oder die spanische Indra Sistemas das Produkt von Fusionen. US-Branchengrößen wie IBM oder Hewlett-Packard waren zunächst Hardwarehersteller, bevor sie ihr Geschäftsmodell geändert und sich fortan als Dienstleistungs- oder IT-Beratungsunternehmen verdingt haben.

Analysten werfen IT-Dienstleister oft in einen Korb mit Hardware-, Software- oder Halbleiterherstellern. Dabei sind die einzelnen Geschäftsfelder äußerst heterogen. Insgesamt gilt der Sektor als zyklisch oder sogar als prozyklisch. IT-Beratung und die Begleitung von Transformationsprozessen ist besonders margenträchtig. In dieser Nische sind die Anbieter Accenture und Cap Gemini besonders präsent. Technischer Service, z. B. im Zusammenhang mit Plattformverwaltung oder technischer Infrastruktur für den Endanwender, weisen dagegen deutlich niedrigere Gewinnmargen auf. Auf diesem Feld sind die alteingesessenen IT-Unternehmen wie IBM, Hewlett-Packard oder Unisys besonders stark vertreten. Aber auch günstige indische Wettbewerber wie Infosys, Wipro, TCS oder HCLT fassen in diesem Bereich immer stärker Fuß. Natürlich geht ein großer Teil des Erfolgs der indischen Wettbewerber auf das dortige deutlich niedrigere Lohnniveau zurück. Aber auch westliche Anbieter versuchen sich diesen Standortvorteil mittlerweile zunutze zu machen. So hat beispielsweise Cap Gemini Igate gekauft. Deren rund 31.500 Mitarbeiter werden vorrangig aus Indien Dienstleistungen für Cap Gemini erbringen. Anders ausgedrückt: Indische Mitarbeiter helfen einem europäischen Unternehmen dabei, die indische Konkurrenz in Schach zu halten.

Insgesamt profitieren IT-Dienstleister davon, dass Ausgaben für die Digitalisierung des Geschäftsmodells als Investitionen in die Zukunft gelten. Dagegen werden IT-Ausgaben für das tägliche Geschäft, wie z. B. Buchhaltung, Planung oder Kundenverwaltung, lediglich als Kostenblock angesehen, wo immer wieder der Rotstift angesetzt wird. Zudem profi tieren IT-Serviceunternehmen von der erhöhten Komplexität. Immer mehr IT-Prozesse werden ausgelagert. Mit entsprechendem Erfolg für die Anbieter solcher IT-Outsourcing-Dienstleistungen. So hat Accenture zuletzt mit Outsourcing- Services erstmals mehr umgesetzt als mit dem Beratungsgeschäft.

Die Übernahmetätigkeit in der Branche spiegelt den Nachholbedarf der europäischen Wettbewerber wider. So hat sich Cap Gemini für 4 Mrd. $ den US-Anbieter Igate zugelegt, um seine Präsenz in den USA zu stärken. Atos hat wissen lassen, dass man für rund 1,1 Mrd. $ das IT-Outsourcinggeschäft von Xerox übernehmen will. Damit will man ebenfalls die Präsenz in den USA stärken.

Die M&A-Aktivitäten der europäischen IT-Dienstleister wird sich bis auf Weiteres fortsetzen. Dafür sprechen ihre robusten Bilanzen und hohen Cash-Positionen. Laut einer Studie von Credit Suisse hat Atos im Verhältnis zu seiner Marktkapitalisierung einen Barmittelbestand von 19 %, Computacenter 18 % und Cap Gemini 16 %. Die hohen Cashbestände könnten natürlich auch für Aktienrückkäufe oder Dividendenerhöhungen genutzt werden. Kurstreibend wirkt sich das allemal aus. Aber auch gegen die wachsende indische Konkurrenz muss man sich wappnen. Anbietern aus den USA und auch aus Indien setzt der feste US-Dollar aber gleichermaßen zu. Auch hier liegt der momentane Vorteil bei den europäischen Branchenvertretern.

CAP GEMINI (869 858; 78,05 €) ist der größte IT-Dienstleister aus Europa. Die Aktie ist allerdings längst kein Geheimtipp mehr. 2014 war das Papier mit einem Wertzuwachs von rund 50 % drittbester Wert im CAC 40. Das spiegelt sich auch in der Bewertung wider. Ein KGV von 18,5 für das laufende Geschäftsjahr ist eher am oberen Ende der branchenüblichen Bewertungsbandbreite angesiedelt. Dennoch hat der Kurs insbesondere im Vergleich zur US-amerikanischen Konkurrenz noch Luft nach oben, ist man doch durch die Akquisition von Igate nun jenseits des Atlantiks deutlich besser positioniert.

Auch ATOS (877 757; 67,04 €) hat Chancen. Durch die Übernahme des IT-Outsourcinggeschäfts von Xerox könnte man bald auf den Wachstumspfad zurückkehren. Die Bewertung ist mit einem KGV von knapp 13 verhältnismäßig günstig.

Risikobereite Anleger sollten sich auch die kleineren Branchenvertreter COMPUTACENTER (A14 NH6; 730 p) und TIETO (870 798; 20,27 €) ansehen. Naturgemäß sind kleine Firmen wendiger und flexibler, aber durch die geringere Diversifi zierung auch anfälliger für zyklische Schwankungen. INDRA SISTEMAS hingegen sollte gemieden werden, da der Turn-around weiter auf sich warten lässt.
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