Europäische Elektrotechnik- und Investitionsgüterkonzerne haben es derzeit nicht leicht
Eine pauschale Einschätzung der Branche ist kaum möglich, denn zu unterschiedlich sind die Ausrichtungen der einzelnen Unternehmen bezüglich regionaler Präsenz und Produktportfolios. Die generellen Aussichten werden momentan aber von zwei Hauptfaktoren beeinfl usst: Rapide sinkende Aufträge aus der Öl- und Gasbranche und Risiken auf dem wichtigen Absatzmarkt China. Wie sich jedes einzelne Unternehmen angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen schlägt, hängt von den konkret ergriffenen Maßnahmen ab. Die oben genannten Schwierigkeiten wirken sich vor allem in niedrigem Wachstum und sinkenden Preisen aus. Insbesondere im Bereich Prozessautomatisierung dürfte der Preisdruck anhalten. Es kommt also darauf an, wie jeder einzelne Konzern mit Kostensenkungsmaßnahmen und Anpassungen des Produktportfolios auf die schwierigen Bedingungen reagiert.
Die Berenberg-Bank und die Credit Suisse haben kürzlich die Branche im Rahmen einer Studie näher untersucht. Auch wenn die Einschätzung insgesamt sehr unterschiedlich ausfällt, hat sich dennoch ein gemeinsamer Favorit herauskristallisiert:
• SCHNEIDER ELECTRIC (860 180; 50,89 €) dürfte mit den aktuellen Herausforderungen am besten fertig werden. Das bereits 1836 gegründete französische Unternehmen ist vor allem auf den Gebieten elektrische Energieverteilung und industrielle Automation aktiv. Man bietet aber auch Kühltechnik, Lösungen für Gebäudeautomation, Installations- und Gebäudesystemtechnik sowie Sicherheitstechnik an. 2014 hat man mit weltweit 170.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 25 Mrd. € erzielt.
China wird laut der Studie der Berenberg-Bank nur kurzfristige Auswirkungen auf das Geschäft von Schneider Electric haben. Das Unternehmen ist in hohem Maße wettbewerbsfähig. Punkten kann man auch mit dem aufstrebenden Softwarebereich, der zuletzt noch durch die Zukäufe von Invensys und Aveva gestärkt worden ist. Auch die schlechten Aussichten im Öl- und Gasgeschäft spielen den Franzosen nicht so übel mit wie den anderen Wettbewerbern, da man sich eher auf den Downstream-Bereich konzentriert.
In diesem und im nächsten Jahr dürfte Schneider Electric sogar eine Ausweitung der Margen gelingen. Ursachen hierfür sind ein verbesserter Produktmix, Entlastung durch sinkende Rohstoffpreise, günstige Wechselkursentwicklung sowie Synergien aus Übernahmen. Zudem weist die Aktie einen Bewertungsabschlag zu den Branchenwettbewerbern auf, der so hoch ist wie seit fünf Jahren nicht mehr. Eine Rolle hierfür dürfte gespielt haben, dass man im ersten Halbjahr 2015 zwar noch Umsatz und EBIT hatte steigern können, im Juli aber die Prognose für das gesamte Jahr wegen des Ölgeschäfts und China reduziert hatte. Das sollte im Kurs aber nun weitestgehend eingepreist sein. Schneider Electric dürfte von der anstehenden Erholung in der Baubranche profitieren. Das sollte sich vor allem im Geschäftsbereich Building & Partner positiv niederschlagen.
• Auch LEGRAND (A0J KB2; 48,50 €) sticht positiv unter den Branchenwettbewerbern hervor. Bei dem ebenfalls französischen Unternehmen handelt es sich um den weltweit größten Anbieter von Niederspannungsprodukten für Hausbau und Netze. Die Wurzeln des Unternehmens gehen bis 1860 zurück. 2014 hat man mit 33.500 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 4,5 Mrd. € erzielt. Ebenfalls erwähnenswert: Schneider Electric hatte Legrand 2001 übernommen, musste das Unternehmen aber nach Intervention der europäischen Wettbewerbsbehörden wieder verkaufen. Legrand ging schließlich an die Private-Equity-Investoren KKR und Wendel Investissement, die das Unternehmen schließlich 2006 wieder an die Börse brachten.
Angesichts der aktuell schwierigen Lage ist Legrand gut positioniert. In Europa ist man sehr präsent und das Chinageschäft hat überschaubare Ausmaße. Zudem ist die Abhängigkeit von der Öl- und Gasbranche niedrig. Berenberg geht davon aus, dass bei Legrand die Wahrscheinlichkeit von steigenden Konsensschätzungen am größten ist. Charttechnisch sieht die Aktie indes etwas angeschlagen aus. Es scheint möglich, dass der Kurs noch bis in den Bereich 43/45 € abbröckelt. Spätestens dann sollte sich aber eine Einstiegsposition lohnen.
Die anderen europäischen Branchenvertreter lassen keine nachhaltige Outperformance erwarten. PHILIPS stuft die Credit Suisse als Outperformer mit Kursziel 26 € ein. Die Gewinne sollten sich stabilisieren. Zudem rücke die Abspaltung der Lichtsparte näher, was die Neubewertung vorantreiben könne. Das sehen wir zwar ähnlich, glauben aber nicht, dass ein Kauf von Philips eilt. SIEMENS wird dagegen neutral mit Kursziel 91 € eingestuft. Zwar seien die Kostensenkungen und die Portfoliostraffung positiv einzuschätzen, aber diese Effekte würden durch den harten Kampf um Volumina und den Preisdruck auf den verschiedenen wichtigen Märkten wieder aufgefressen.