Ende der Liquiditätsflutung in Sicht
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
30.05.2013
USA +4,9%, Deutschland +0,6% und Japan -5,7% - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Der Grund dafür ist ganz einfach: Die USA laufen rund, der Nikkei hatte sich selbst überholt, und in Deutschland zweifelt man noch am Termin der Konjunkturerholung. Diese Woche war sehr spannend, denn Anleger haben ihr Verhalten verändert.
In den USA ist das Geschrei über die jüngsten Aussagen der US-Notenbank groß
Ein Ende der Liquititätsflutung könnte schon bald diskutiert werden. Doch das Angstgeschrei findet überwiegend in den Medien statt, Anleger greifen beherzt zu. Nur Zocker lieben unendliche Liquiditätsflutungen, denn das treibt die Aktienkurse künstlich in die Höhe. Anleger jedoch wollen ein vernünftiges Bewertungsniveau in Relation zur Konjunkturentwicklung, und so wünscht man sich eine Gesundung der Konjunktur. Fed-Chef Ben Bernanke ist clever genug um zu erkennen, wann er die Liquiditätsflutung zurückfahren kann ohne die Konjunkturerholung im Keim zu ersticken. Und so sehen Anleger die aufkommende Diskussion über ein mögliches Ende der lockeren Geldpolitik als Zeichen dafür, dass die Unternehmen gute Geschäfte in einer gesunden Konjunktur machen.Entsprechend findet nun ein Wechsel von Dividendentiteln zu Wachstumstiteln in den USA statt. "Sektorrotation" wird das im Börsenjargon genannt: Dividendentitel werden verkauft und Wachstumstitel werden gekauft. Nicht dass Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen schlechte Konjunkturaussichten hätten, sondern Anleger versprechen sich von Wachstumsaktien einen größeren Profit. Die Sicherheit einer Dividende ist im Konjunkturaufschwung nicht mehr so wichtig. Die Chance auf einen Kursgewinn bei einem Wachstumsunternehmen ist größer als zuvor.
Selbst in unserem Heibel-Ticker Portfolio ist zu sehen, dass fast ausnahmslos die Dividendentitel mit einem Minus aus der Woche gehen, während die Wachstumstitel ein Plus verzeichnen. Selten habe ich eine Sektorrotation so deutlich ausgeprägt gesehen.
In Deutschland weiß man nicht so recht, was man von den Diskussionen in den USA so halten soll
Für die Club-Med Länder wäre ein Ende der Liquiditätsflutung durch die EZB zu früh, Deutschland braucht das billige Geld schon lange nicht mehr. Die Euroland-Schuldenkrise hat sich beruhigt, und vielleicht sind ja schon bald erste positive Konjunkturdaten aus dem Süden Europas zu sehen.Aus den Wochengewinnern und -verlierern im DAX kann ich kein klares Bild erkennen, Gewinner und Verlierer sind bunt durch die Branchen und ungeachtet der Dividendenpolitik oben und unten in der Performanceliste zu finden. Es gab in den vergangenen Wochen viele Unternehmensmeldungen, Zahlen und Prognosen, und so nehme ich an, dass die neuen Informationen nunmehr verarbeitet wurden.
Für Japan ist die Meldung aus den USA über ein bevorstehendes Ende der Liquiditätsflutung der Finanzmärkte eine Hiobsbotschaft. Der Nikkei hat seit Jahresbeginn bereits über 40% zugelegt. In den vergangenen zwei Wochen gab er wieder ein Viertel davon ab. Der Sommer steht bevor, Premier Abe hat durch seine angekündigte lockere Geldpolitik den Nikkei in den Orbit katapultiert, und Zocker haben einen guten Schnitt gemacht. Jetzt werden die Gewinne eingesackt, die Koffer gepackt, und es geht ab in den Urlaub. Nach dem Sommer wird dann geschaut, ob die angekündigte Liquiditätsflutung in Japan auch greift oder nicht. Doch jetzt ist erstmal die Luft raus.
So schön wie er auf dem Papier aussieht, ist der Erfolg der Spekulanten in Japan aber auch nicht: Der Yen hat im gleichen Zeitraum 16% gegenüber dem Euro und 15% gegenüber dem US-Dollar verloren. Die Hälfte des heute auf dem Papier stehenden Kursgewinns im Nikkei hat man also durch den Wechselkurs wieder verloren. Bleiben 16% Gewinn, und die sehen gegenüber dem Jahresplus von 17% im Dow Jones nicht mehr so toll aus wie ohne Berücksichtigung des Wechselkurses.
Schauen wir uns also einmal die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES
Sie kennen meine Einstellung: Eine Geldpolitik mit einem Leitzins unter 2% ist konjunkturfördernd. Wir haben weltweit bei den wichtigsten Volkswirtschaften einen Leitzins nahe Null. Zusätzlich, da der Zins nicht so gerne ins Negative gedreht wird, gibt es diverse Liquiditätsmaßnahmen, die ebenfalls konjunkturfördernd wirken.
Es wird im weiteren Jahresverlauf diskutiert, wann zunächst diese zusätzlichen Liquiditätsmaßnahmen zurückgefahren werden können. Erst anschließend wird man sich an den Leitzins machen und ihn schrittweise anheben. Bis wir ein Niveau von 2% erreicht haben, betrachte ich die Notenbankpolitik weiterhin als konjunkturfördernd. Es besteht also kein Grund zur Panik, Unternehmen werden weiterhin kräftig investieren.
Zinspolitik wird auf regionale Unterschiede achten
Während die USA also offensichtlich schon einen Schritt weiter sind, dürfte in Europa die lockere Geldpolitik noch ein wenig länger anhalten. Und auch hier gibt es zusätzliche Liquiditätsmaßnahmen wie das Aufkaufen von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt oder ähnliches, was in einem ersten Schritt zurückgefahren werden wird, bevor man sich dann an den Leitzins macht.Und Japan hat erneut eine lockere Geldpolitik ausgerufen, nicht zuletzt, um das hohe Preisniveau Japans zu senken und japanische Unternehmen auf dem Weltmarkt wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Der Nikkei ist also nicht eingebrochen, weil man negative Auswirkungen einer restriktiven Geldpolitik in den USA oder Europa auf Japan fürchtet, das Gegenteil wird der Fall sein. Nein, es wurden Gewinne mitgenommen, weil die bullischen Prognosen eingetreten sind. Nun wartet man darauf, dass die getroffenen Entscheidungen auf die japanische Wirtschaft durchschlagen, bevor man erneut im Nikkei spekuliert.
Schauen wir uns einmal an, wie die Stimmung sich in diesen Tagen entwickelt.