Emissär der Mobilitätsrevolution

Veröffentlicht am 12.08.2010

Die einzige Filiale von Tesla Motors Deutschland liegt im Herzen von München zwischen Marienplatz und dem Szene-Viertel Glockenbach. Die nächstgelegenen Showrooms sind erst wieder in Zürich und Monaco zu erreichen. Zwei Tesla-Roadster, einer orange, der andere vipergelb, ziehen vor dem gläsernen Verkaufsraum an Zapfsäulen Strom – direkt unter den Blicken von täglich Tausenden Passanten. Drinnen kauert ein grau lackierter Roadster hinter seiner Bremsspur in Wagen - länge. Zwischen Heck und Schnauze sind jeweils nur ein paar Meter Platz bis zur vorgehängten Glasfassade.


Craig Davis, Filialleiter in München und Europa- Chef in Personalunion, hatte im Marketing von Coca-Cola und dann bei BMW-Mini gearbeitet, bevor er zu Tesla kam. „Unsere Firma wollte unbedingt nach München, eine Stadt in der Autos zu bauen Tradition hat”, begründet der 42- Jährige die Standortentscheidung. Die Bayern- Metropole sei zugleich umweltorientiert und verfüge über eine sehr solide Kaufkraft. Das nötige Kleingeld muss man schon locker machen können, um sich einen Tesla Roadster 2.5 zuzulegen. In 3,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, Energiekosten von mageren 10 Euro auf eine garantierte Mindestreichweite von 340 Kilometer, ausgefeilte Cutting-Edge-Technolo - gie, keinerlei Emissionen und innovatives Design haben ihren Preis: Bis zu 130.000 Euro kostet ein komplett ausgestattetes Exemplar. „Die Wartezeit beträgt derzeit zwei Monate”, erzählt Davis und weist darauf hin, dass die Fertigungskapazitäten beim englischen Sport - wagen bauer Lotus, wo der Roadster montiert wird, auf 1000 Stück im Jahr begrenzt sind. In 18 verschiedenen Farben lässt sich der Zweisitzer bestellen, sämtliche Sonderwünsche werden berücksichtigt. Beim Tuning-Partner Brabus kann sogar ein tiefer V8-Sound geordert werden, der den für Verkehrsteilnehmer gefährlichen „Tarnmodus” wegbrummelt – beim Tesla sind nur das Rauschen der Luft und das Rollen der Räder zu hören. 280 Roadster wurden in diesem Jahr in Europa verkauft, auf Deutschland kommen 80 Stück, in der Schweiz haben 60 Fahr - zeuge die Ladebuchse gewechselt. Um die Verkaufszahlen zu erhöhen, will Tesla weiter expandieren. Neue Filialen sind noch in diesem Jahr in Mailand, Paris, Hamburg und Wien geplant. Mittelfristig sollen Polen, die Türkei, Japan und Russland hinzukommen „Wir setzen vor allem auf soziale Netzwerke oder bieten potenziellen Kunden exklusive Testfahrten zu ausgewählten Destinationen an”, skizziert Davis die Marketingstrategie. Sogar vor Gymnasien, in Unis präsentiere man den Wagen. Und natürlich sei der elektrisierende US-Brite auf vielen Events vertreten, wo Elektromobilität im Vordergrund steht. Nach Auskunft von Davis haben bereits tatsächlich zahlungskräftige Studenten die spurtfreudige Elektroflunder gekauft. Neben umweltbewussten Auto-Aficionados, die sich zu ihren Bugattis, Porsches und Lamborghinis noch einen Tesla Roadster in die Garage stellen, würden verstärkt auch Zahnärzte, Architekten, IT-Spezialisten und Lohas zugreifen: Mit etwas Glück kann man in München einen Blick auf den silbernen Tesla des Chefs einer Nachhaltigkeitsagentur erhaschen: „Grün, schlau, sexy” steht am Heck. In der Tat scheinen diese Werte inzwischen von vielen Menschen mit dem Tesla assoziiert zu werden. Immerhin ist der Sympathieträger seit 2008/09 auf dem Markt und in den Medien. So weicht beim Einsteigen – besser: Hinablassen – ins orange lackierte Cabrio ein freundlich-interessiert blickender Radfahrer nicht von der Seite. Mädels drehen sich um und lachen in ihr Handy. Passanten verlangsamen staunend den Schritt. Und dann geht’s los: Nach dem Schlüsseldreh steht mit einem dezenten „pling” die Hyper dyna - mik der unglaublichen 13.500 Umdrehungen des Motors zur Verfügung. Der dichte Berufsverkehr zwingt zunächst zum langsamen Fahren. An der nächsten Kreuzung hebt ein Handwerker hinter dem Steuer seines Lieferwagens wissend und anerkennend den Daumen. Die Ampel schaltet auf Grün. Wartende Fußgänger blicken neugierig herüber. Die Kreuzung ist bereits überquert, bevor die Verbrennungsmotoren der anderen überhaupt auf Touren kommen. Der aus Alu und edlem Carbon gefertigte Wagen zieht ab wie eine Rakete. Ein Gefühl wie auf der Achterbahn: Keine Beschleunigung mehr, sondern phänomenaler Schub. Irreal. 248 PS bringt der Strom-Flitzer auf die Straße, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 220 km/h. Dabei wiegt die Batterie, ein Block aus 6831 Lithium-Ionen-Akkus, immerhin 450 Kilo; fast die Hälfte des gesamten Wagengewichts von 1240 Kilogramm. Der Motor nimmt sich mit seinen 40 Kilo daneben klein aus. Dabei sind Beschleunigungsorgien kein Problem für die Batterie: Je schneller man auf der gewünschten Geschwindigkeit ist, desto besser. Und: Beim Bremsen wird Energie zurückgewonnen. Das führt dazu, dass man nach Bergabfahrten mit deutlich mehr Saft im Akku ankommt, als womöglich beim Einsteigen drin war. Brutal beschleunigen und mit Karacho bremsen – im Tesla steht ein gewagter Fahrstil auf wissenschaftlicher Grundlage. Weiter in der Münchner City: Bei einem mit einem normalen Auto ziemlich gewagten U-Turn auf einer Hauptverkehrsstraße drehen sich 30 Passanten – Einheimische, chinesische Touristen und shoppende Araber mit wehendem Burnus –, geschlossen um. Ungläubiges Staunen in ihren Gesichtern. Spritzig und leise geht’s weiter. Der Blick auf die Doppelauspuffanlagen der SUVs, mit denen man wegen der niedrigen Sitzposition leider auf Augenhöhe ist, weckt nur ein müdes Lächeln. Autos mit Verbrennungsmotoren erscheinen nach ein paar Kilometern im Tesla wie Dinosaurier, man bekommt – das ist wirklich erstaunlich – Mitleid. Und dann steht er da. Ein 911er Porsche. An der weißen Linie vor der Ampel. Der Fahrer kann nicht älter als 20 sein. Er sieht herüber und gibt im Leerlauf ein paar Mal provozierend Gas. Die Einladung zum Duell gilt. Mit durchgedrücktem Gaspedal zischt der Tesla wie eine Granate an dem PS-Monster vorbei. Craig Davis macht sein Job sichtlich Spaß. Eine halbe Stunde später als geplant kommen wir wieder vor dem Tesla Showroom an. Seine Freundin sitzt mit seinen zwei kleinen Kindern wartend im Kombi – nicht etwa vorwurfsvoll wegen der Verspätung, nein, sie strahlt stolz.

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