E.ON: Gutes Chance/Risiko-Verhältnis für langfristige Investoren

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 10.12.2015
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Die Top 100 der sharewise-Nutzer zählen zurzeit die Aktie der E.ON SE zu ihren Topfavoriten. Schauen wir mal, ob die Aktie wirklich so aussichtsreich ist.


UNTERNEHMENSPROFIL

E.ON zählt sich selbst zu den größten privaten Energieunternehmen der Welt. Dabei setzt der Konzern sowohl auf die konventionelle (Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke) als auch auf die regenerative (Biomasse, Solarenergie, Wasser- und Windkraft) Energieerzeugung. Darüber hinaus ist das Unternehmen auch noch in der Erdgasförderung, im Gas- und Stromhandel sowie im Netzausbau und Vertrieb tätig.

Mit Hilfe der jeweiligen Regionalversorger kann E.ON eine sichere und zuverlässige Stromübertragung garantieren und deckt im Erdgasbereich, über die Tochter E.ON Ruhrgas, die komplette Wertschöpfungskette ab. Die Gesellschaft verfügt über Produktionsstandorte in Europa, Nordamerika und Russland und ist über Partnerschaften auch in Brasilien und der Türkei aktiv.

Vor gut einem Jahr, im November 2014, gab der Konzern unter Führung von CEO Dr. Johannes Teyssen bekannt, sich in Zukunft auf die Bereiche Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen fokussieren zu wollen. Daher möchte man das bisherige Kerngeschäft der konventionellen Energieerzeugung abspalten und an die Börse bringen. Nach derzeitigem Stand sollten diese Pläne bis Mitte 2016 umgesetzt werden.


KLEINE UNTERNEHMENSGESCHICHTE

E.ON entstand im Jahr 2000 aus der Fusion der beiden Mischkonzerne VEBA und VIAG. Im November 2001 meldete E.ON die Übernahme der Mehrheit an Ruhrgas beim Bundeskartellamt an, was von der Behörde abgelehnt wurde. Dank einer Ministererlaubnis konnte diese Übernahme nach einigen juristischen Streitigkeiten mit Mitbewerbern aber letztlich doch noch vollzogen werden.

Anschließend erfolgte dann, zur stärkeren Fokussierung auf das Gas- und Stromgeschäft, die Trennung von Degussa, womit zugleich eine der Auflagen der Ruhrgas-Übernahme erfüllt wurde. Ebenso zog sich der Konzern komplett aus dem Mobilfunkgeschäft (One, Viag Interkom) und dem Wasserversorgungsgeschäft (Gelsenwasser) zurück und veräußerte auch seine Beteiligung an der Immobiliengesellschaft Viterra. Im Gegenzug wurden dafür zahlreiche neue Beteiligungen in Osteuropa erworben, was aufgrund der dortigen Privatisierungswelle möglich wurde. Im zweiten Quartal 2005 äußerte sich der damalige E.ON-CEO Dr. Wulf Bernotat dahingehend, dass man den Umbau zu einem "lupenreinen Energiekonzern" jetzt nahezu abgeschlossen habe.

Dennoch erfolgte im Februar 2006 ein Kaufangebot für den spanischen Konkurrenten Endesa in Höhe von knapp 30 Mrd. Euro. Damit hoffte man den katalanischen Konkurrenten Gas Natural, der ebenfalls an einer Übernahme von Endesa interessiert war, ausstechen zu können.

Nachdem der spanische Baukonzern Acciona und der italienische Konkurrent Enel sich jedoch mit jeweils 10% des Aktienkapitals bei Endesa einkauften, zog sich E.ON schließlich im April 2007 zurück und verkaufte sein Endesa-Aktienpaket an die beiden Unternehmen, die sich anschließend Endesa untereinander aufteilten. Dafür erhielt E.ON im Gegenzug ein Beteiligungspaket mit Aktivitäten in Frankreich, Italien, Polen, Spanien sowie in der Türkei im Wert von ca. 10 Mrd. Euro.

Nachdem Johannes Teyssen im Mai 2010 sein Amt als neuer CEO angetreten hatte, gab er kurze Zeit später ein umfassendes Restrukturierungsprogramm unter dem Namen "Cleaner & Better Energy" bekannt. Demnach sollte der Konzern verstärkt außerhalb Europas wachsen und sich auf die Reduktion seiner CO2-Emissionen konzentrieren. Um diese Vorhaben auch finanziell stemmen zu können, sollten die hohen Finanzschulden durch verstärkte Desinvestitionen (sprich: Unternehmensteilverkäufe), deutlich reduziert werden. Insgesamt sollten die Verkäufe von Beteiligungen rund 15 Mrd. Euro in die Kassen spülen, was auch gelang.

Dennoch verordnete Teyssen dem Konzern einen Sparkurs im Zuge dessen 3000 deutsche Beschäftigte in den Vorruhestand geschickt und bis zu 2500 Angestellte in eine Transfergesellschaft überführt wurden. Weltweit kündigte E.ON sogar die Streichung von 11.000 Arbeitsplätzen an. Nach einem Milliardenverlust im Geschäftsjahr 2014 kündigte E.ON an, zukünftig auf fossile Energien verzichten zu wollen und arbeitet zurzeit an der Ausgliederung und Abspaltung dieser Geschäfte.


HEUTIGE UNTERNEHMENSSTRUKTUR

Heute führt E.ON alle seine geschäftlichen Aktivitäten innerhalb und außerhalb Europas länderübergreifend in fünf sogenannten globalen Einheiten. Diese sind: Erneuerbare Energien, Exploration & Produktion, Erzeugung, Globaler Handel sowie Technologien.


AKTUELLE GESCHÄFTSENTWICKLUNG

Im Geschäftsjahr 2013 erzielte E.ON noch einen Jahresumsatz von knapp 120 Mrd. Euro (-9,4%) sowie ein EBIT von gut 5,6 Mrd. Euro (-20%). Dies führte zu einem Konzernüberschuss von knapp 2,5 Mrd. Euro (-6,9%) respektive einem sogenannten nachhaltigen Konzernüberschuss von gut 2,1 Mrd. Euro (-49,2%). Das Ergebnis je Aktie lag bei 1,10 Euro, was E.ON die Ausschüttung einer Dividende von 0,60 Euro je Aktie (-45,5%) erlaubte.

Im Geschäftsjahr 2014 reduzierte sich der Jahresumsatz um weitere rund 7% auf nur noch knapp 111,6 Mrd. Euro bei einem EBIT von nur noch knapp 4,7 Mrd. Euro (-17%). Letztlich verzeichnete E.ON mit 3,13 Mrd. Euro so seinen bisher größten Verlust in der Geschichte des Unternehmens. Der nachhaltige Konzernüberschuss, der als Basis der Dividendenzahlung gilt, sank um gut 24% auf nur noch ca. 1,6 Mrd. Euro. Trotz eines Ergebnis je Aktie von -1,64 Euro zahlte E.ON jedoch immer noch eine Dividende in Höhe von 0,50 Euro je Aktie.


ENERGIEWENDE BELASTET

Hauptgrund für den schleichenden Einbruch der Geschäfte bei E.ON ist die von Bundeskanzlerin Angela Merkel quasi über Nacht ausgerufene Energiewende in Deutschland. Nachdem die von Merkel geführte Bundesregierung den von der Vorgänger-Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgehandelten Atomausstieg zunächst revidiert hatte, kam es mit dem Supergau im japanischen Atomkraftwerk Fukushima nämlich zu einem abrupten Politikwechsel. So wurde die erst wenige Wochen zuvor vom Kabinett beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke aufgehoben und quasi par ordre du mufti sofort mit dem Atomausstieg begonnen. Die Begründung der Bundeskanzlerin, sie habe nach dem Supergau in Japan noch einmal völlig neu nachgedacht, ist dabei an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Denn immerhin ist Frau Merkel studierte Physikerin, sodass ihr die Gefahren der Kernenergie auch vor diesem Supergau geläufig gewesen sein mussten.

Damit Sie mich hier nicht falsch verstehen! Auch ich bin mir der Gefahren, die von der Kernkraft ausgehen, absolut bewusst. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist daher ein durchaus hehres Ziel. Nur stellt sich mir die Frage, wie man erst die Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland verlängern und nur wenige Wochen später dann eine völlige Kehrtwende in seiner Politik machen kann.

Diese Art einer wenig vorausschauenden Politik, die mittlerweile fast schon zum Markenzeichen von Frau Merkel geworden ist, hat zu absurden Begleiterscheinungen geführt. So muss Deutschland in Spitzenlastzeiten Strom aus Ländern wie Frankreich oder Tschechien importieren, der dort – Sie ahnen es – in deutlich unsichereren Atomkraftwerken erzeugt wird als es unsere, inzwischen abgeschalteten, gewesen wären.

Ferner hat sich die (energieintensive) deutsche Industrie mit der Drohung massenweise Arbeitsplätze ins Ausland zu verlegen nahezu vollständig der Finanzierung der Energiewende entziehen können. So wird die Energiewende quasi ausschließlich von uns privaten Verbrauchern finanziert, was wiederum der Grund dafür ist, dass wir in Deutschland trotz weltweit sinkender Energiekosten zurzeit die höchsten Energiekosten haben.

Zu guter Letzt leiden die Energieversorger wie E.ON und auch RWE sowie deren Aktionäre massiv unter dieser Politik. Zwar muss man dem Management dieser Konzerne vorwerfen, dass sie viel zu lange auf die konventionelle Energieerzeugung gesetzt haben. Allerdings hatten sie durch die sehr abrupte politische Kehrtwende der Bundeskanzlerin zuletzt dann auch keinerlei Möglichkeiten mehr auf die veränderte Sachlage zu reagieren. Die aktuelle Krise bei E.ON und auch RWE würde ich daher nur zu 20% dem Management ankreiden, wobei die aktuellen CEOs noch am allerwenigsten Schuld tragen (da noch zu kurz im Amt). Ich halte daher den nun eingeschlagenen Kurs von CEO Teyssen für richtig, wenngleich die vollständige Umsetzung der neuen Strategie sicherlich einige Jahre dauern wird.


ZUKÜNFTIGE GESCHÄFTSENTWICKLUNG

Es fällt mir an dieser Stelle sehr schwer die zukünftige Geschäftsentwicklung zu prognostizieren. Schließlich arbeitet E.ON an der Abspaltung seines langjährigen Kerngeschäfts und somit wird die neue E.ON sicherlich ein deutlich zusammengeschrumpftes Unternehmen sein. Dafür aber wird dieser neue Konzern auch deutlich stärker wachsen als dies der alte schwerfällige Supertanker noch konnte.

Analysten prognostizieren für den Konzern in seiner aktuellen Form im laufenden Geschäftsjahr 2015 einen Gewinn je Aktie von 0,81 Euro, was ich für etwas zu optimistisch halte. Im kommenden Geschäftsjahr soll der Gewinn je Aktie dann auf 0,75 Euro sinken und 2017 auf 1,11 Euro je Aktie ansteigen. Ich würde für 2015e nur mit einem Gewinn je Aktie von 0,75 Euro und für 2016, auch wegen der anfallenden Kosten im Zuge der Abspaltung mit einem Gewinn je Aktie von maximal 0,65 Euro kalkulieren. Demnach wäre die Aktie zurzeit mit einem KGV von rund 11 bewertet, was für einen solch kriselnden Konzern nicht gerade günstig erscheint. Zumal das KGV 2016e auf Basis meiner pessimistischer Gewinnschätzung sogar auf rund 13 steigt.

Turn-Around nicht nur möglich, sondern inzwischen sehr wahrscheinlich

Allerdings sind solch vergleichsweise hohen Bewertungen bei Turn-Around Kandidaten nicht ungewöhnlich. Und als einen Turn-Around Kandidaten sehe ich E.ON zurzeit, erst Recht wenn im kommenden Jahr die Abspaltung des alten Kerngeschäfts erfolgt und man sich in Zukunft verstärkt den regenerativen Energien widmet.

Konkret glaube ich, dass die neue geschrumpfte E.ON ihren Umsatz in den nächsten Jahren um mindestens 4-5% p.a. und ihren Gewinn sogar überproportional um mindestens 8-9% p.a. steigern dürfte. Daraus würde sich sodann auch ein KGV von 16-18 rechtfertigen lassen, Sie kennen unsere Regel, dass wir im Heibel-Ticker ein KGV in Höhe von maximal der doppelten prozentualen Wachstumsgeschwindigkeit für einen Marktführer tolerieren. Aber einer der Marktführer in Deutschland ist E.ON angesichts des ja immer noch existierenden Oligopols auf dem deutschen Energiemarkt wohl zweifellos.


FAZIT: LANGFRISTIGE ANLEGER KAUFEN UND TRÖSTEN SICH MIT DER DIVIDENDE ÜBER DIE WARTEZEIT

Vor diesem Hintergrund glaube ich daher, dass die E.ON-Aktie – genau wie auch die ja ebenfalls im DAX gelistete RWE-Aktie – inzwischen tatsächlich endlich ihren Boden gefunden haben dürfte. Nach Kursverlusten von nochmals über 50% im abgelaufenen Geschäftsjahr ist diese Aussage für viele von Ihnen sicherlich nicht sonderlich gewagt. Ich sehe dies jedoch etwas anders, denn gemäß der alten Börsenweisheit "The trend is your friend" könnte die Aktie durchaus noch weiter fallen. Letzten Endes ist nämlich im Zweifel bei jeder Aktie erst bei Null Schluss.

Aber aus meiner Sicht ist E.ON nach langen Jahren des Dahinsiechen langsam reif für eine Trendwende. Die verkorkste Energiewende wird mit der Abspaltung des alten Kerngeschäfts abgehakt, und die neue E.ON dürfte mittel- bis langfristig daher eher positiv überraschen. Zwar kann es etwas dauern bis die Anleger auf den Turn-Around von E.ON aufmerksam werden, sobald dies jedoch geschieht, winken hier deutliche Kursgewinne. Bis dahin trösten sich langfristige Anleger einfach mit der durchaus ansehnlichen Dividende, wenngleich diese wohl nochmals gekürzt werden muss. Aber selbst eine Dividende von nur 0,35 Euro bis 0,40 Euro je Aktie bedeutet eine Rendite von über 4% p.a, was im aktuellen Nullzinsumfeld nicht schlecht ist.

Langfristige Anleger schlagen daher bei E.ON zu Kursen zwischen 7,00 und 8,00 Euro zu. Das Kursziel liegt anschließend auf Sicht der nächsten 24 Monate zwischen 10,00 und 12,00 Euro zzgl. der Dividende, was einer Gesamtrendite von über +40% respektive über +20% p.a. entspräche. Dabei sollte ein Stoppkurs knapp unterhalb der Marke von 7,00 Euro (z.B. bei 6,72 Euro) die Position gegen allzu große Kursverluste absichern.

 
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