Die Zeit nach dem Grexit
Ich habe soeben die Abschlusskommentare aus dem Europaparlament gehört. Die Rede von Tsipras war voll von Belehrungen für die Eurogruppe und voll von Polemik. Er habe keinen Plan, auch keinen geheimen, wie es weitergehen solle. Abschließend sagte er, dass ein alter griechischer Philosoph einmal empfohlen habe, Regeln in Ausnahmesituationen zu brechen.
Grexit akzeptiert
Die Rede von Junker war voll von Richtigstellungen über Inhalte
der geheimen Verhandlungen.
Und die Rede von Ratspräsident Tusk enthielt den Hinweis, dass
man Hilfe doch am besten von seinem Freund und nicht Feind
holen solle, ein Hinweis auf die Reise Tsipras nach Russland,
und dass man seinen Freund doch nicht anfeinden und blosstellen
solle.
Das sind in meinen Ohren Reden von Menschen gewesen, die sich
mit dem Grexit abgefunden haben. Schuldzuweisungen,
pholosophische Rechtfertigungen für das eigene, gescheiterte
Verhalten und kein einziger Hinweis auf die nächsten Schritte,
auf den guten Willen und kein Lob mehr für den
Verhandlungspartner. So findet man keine Lösung, so versucht
man es nicht einmal.
Gedankenfrist gesetzt
Die heute formulierte siebenundneuzigste Deadline am kommenden
Sonntag ist also eine Gnadenfrist für Griechenland und
Euroland, sich auf den Grexit vorzubereiten. Das Rote Kreuz hat
seine Hilfsmaschinerie angeworfen.
Die Presse stellt immer wieder neue Halme vor, an denen sich
die Verhandlungspartner festhalten würden, doch ich habe
inzwischen den Eindruck, dass es Halme der Presse sind, die den
Grexit einfach nicht wahrhaben wollen.
Keine Lösung in Sicht?
Schon heute früh hatte ich den Eindruck, dass es keine Lösung
geben kann: Die Eurogruppe hat Griechenland gebeten, doch nun
selbst einmal zu formulieren, wie die Hilfe aussehen könnte,
die sie sich von der EU wünscht. Wder der neue Finanzminister,
noch Alexis Tsipras haben diesem Wunsch folgend auch nur
ansatzweise einen Lösungsweg aufgezeigt, der zielführend sein
könnte, also nicht gegen diverse Regeln der EU verstößt (no
bailout, Eigenverantwortung).
Und auch aus einer noch anderen Perspektive sieht Francois
Holland mit seiner Aussage, Griechenland auf jeden Fall im Euro
zu halten, ziemlich isoliert aus. Zum einen gibt es diverse
Länder in der Eurozone, die mit den vermeintlich drakonischen
Reformauflagen der EU gut gefahren sind. Diese werden nun nicht
akzeptieren, dass Griechenland weiteres Geld erhält, ohne
reformen umsetzen zu müssen.
Zum anderen gibt es in der EU Länder deren Bürger noch ärmer
sind als die Griechen. Auch dort wird man der griechischen
Forderung niemals zustimmen, Schulden zu erlassen, ohne
Gegenleistungen zu erbringen.
Euro - Vergangenheit für Griechenland
Der Drops ist gelutscht: Griechenland wird den Euro abgeben. Ob
die Drachme oder der Rubel kommt, weiß ich nicht.
Ich gehe davon aus, dass die Börse diesen Schritt mit
Kursgewinnen feiern würde, wenn da nicht noch ein anderes
Problem wäre: China.
Vor dem ganzen Griechenland-Trubel sind die dramatischen
Kursverluste Chinas bislang gar nicht ans Licht gekommen. 30%
hat der chinesische Aktienindex bereits in den vergangenen
Wochen verloren, der Ausverkauf hat sich letzte Nacht nochmals
beschleunigt.
Ausverkauf
Damit kommt der Ausverkauf in eine Region, die
realiwirtschaftliche Auswirkungen haben kann. Sprich: Der Crash
am Aktienmarkt friert in China einige Bereiche der Wirtschaft
ein, die mehrfach gesenkte Wachstumsprognose von 7% in China
gerät in Gefahr. Vielleicht geht das Wachstum noch stärker
zurück.
Daher ist der Ölpreis gestern eingebrochen. Und daher kommt der
DAX meiner Ansicht nach heute nicht so recht nach vorne, obwohl
sich das Grexit-Szenario klar abzeichnet.
Die Entwicklung in China ist eine viel größere Gefahr als die
Folgen des Grexit. In den kommenden Tagen werden Sie sicherlich
bemerken, wie die Berichterstattung langsam zu diesem Thema
schwenkt.
Auf dem DAX-Niveau von 10.670 Punkte liegt einmal mehr eine
wichtige Unterstützung. Ob diese Unterstützung hält oder nicht
hängt in meinen Augen nun von den Entwicklungen in China ab,
nicht mehr von Griechenland. Behalten Sie die von mir
ausgegebenen Nachkauflimits vom Update am Montag im Auge und
stocken Sie Ihre Positionen gegebenenfalls auf. Dennoch müssen
wir erneut ein wenig Pulver trocken halten bis wir wissen, wie
sich die Situation in China weiterentwickelt.