Die Welt wird wieder bipolar!

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 20.01.2011
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Frankfurter Börsenbrief

Beim Gipfel zwischen den USA und China war auf beiden Seiten kein Platz für Star-Allüren. Die seinerzeit von Deng Xiaoping verordnete Bescheidenheit und Zurückhaltung Chinas ist ein Auslaufmodell. Und mit zunehmender Stärke (Wirtschaftswachstum zuletzt 9,8 %!) steigt auch der Nachdruck, mit dem die eigenen Interessen auf der Weltbühne verfolgt werden. Das ergibt einen höchst spannenden und geschichtsträchtigen Rahmen: Nach dem ideologischen Sieg über den Sowjet-Kommunismus gab es keinen adäquaten Sparrings-Partner mehr für die USA. Japan war zu sehr mit der chronischen Wirtschaftsschwäche beschäftigt. Europa war und ist politisch zu zerfranst und schafft es nicht, mit einer Stimme zu reden. Dem Rest der Welt fehlt die wirtschaftliche Stärke bzw. Relevanz. Aus dem oft wenig konkreten und entscheidungsschwachen „G7- bzw. G8-Geplänkel“ wird ein ernst zu nehmendes Zusammenspiel der neuen „G2“.


Die Liaison ist eine Vernunftbeziehung. Zu groß und weitreichend sind die Differenzen, seien es Menschenrechtsfragen, sei es die mangelnde militärische Kooperation und Kommunikation, seien es Streitpunkte im Bezug auf die künstliche Schwächung des Yuan, sei es die Taiwan-Frage. Nicht zu vergessen die Sicherheit geistigen Eigentums oder auch die Versorgung der Welt mit „seltenen Erden“ und natürlich auch das Thema Umweltschutz. Manche dieser Themen sind verhandelbar, eine Reihe davon wird eine permanente Reibungsfläche bleiben. Doch der Druck zu einer konstruktiven Zusammenarbeit ist groß. Denn: Die Wirtschaft ist das verbindende Element. China ist zu sehr in den Welthandel integriert, als dass sich jemand ernsthaft mit den Chinesen anlegen könnte. Dies gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Länder wie Japan, Südkorea, Brasilien usw. Für Deutschland dürfte China in 2011 der wichtigste Partner im Außenhandel sein. Dieser Trend wird sich verstärken, denn China wandelt sich langsam von der „billigen Werkbank“ zu einem Absatzmarkt. Exemplarisch dafür ist die Automobilindustrie. Nur etwa 4,5 Promille der Chinesen haben ein Auto (gegenüber etwa 50 % in Deutschland). Die chinesische Autoindustrie ist derzeit noch viel zu schwach, um diesen Markt ausreichend bedienen zu können. Ferner: Die Emanzipation Chinas beinhaltet ein neues Muskelspiel chinesischer Unternehmen. Unter den zehn nach Börsenwert größten Unternehmen sind drei chinesische Unternehmen vertreten (und damit genauso viele wie aus den USA). In 2010 wurden rd. 60 Mrd. Dollar durch chinesische Unternehmen im Ausland angelegt und damit knapp 50 % mehr als noch in 2009. Der Hunger der Chinesen wird weiter zunehmen. Dabei können die Chinesen strategische Preise zahlen und damit so manche westliche Unternehmen ausstechen. Außerdem ist China der wichtigste Einzel-Gläubiger der Welt: Grob 14.000 Mrd. Dollar Schulden in den USA stehen etwa 2.850 Mrd. Dollar an chinesischen Devisenreserven gegenüber. Mit etwa 1.800 Mrd. Dollar ist China der größte Gläubiger bei US-Staatsanleihen. Für die europäische Schuldenkrise ist die gigantische Manövriermasse ein wichtiger Hoffnungsträger. Während die USA auf eine Staatsverschuldung von etwa 92,7 % (2010) der Wirtschaftsleistung kam, hatte China eine Verschuldung von nur 19,2 % des BIP. Doch der Eindruck der Stärke täuscht: Das Polster der Chinesen ist einerseits ein Symbol für Stärke und erleichtert es sicherlich auch, sich über Direktinvestitionen (z.B. in Afrika) die längerfristige Versorgung mit Rohstoffen zu erkaufen. Aber es zeigt auch eine Schwachstelle der Chinesen auf - man hat es bisher trotz steilem Wachstum nicht geschafft, eine global relevante Währung und einen entsprechend liquiden Anleihemarkt zu etablieren. Und ein großer Teil des chinesischen Booms ist das Produkt einer markt-inkonformen Manipulation der eigenen Währung. In China wird zwar gewaltig viel Geld investiert (Investitionsrate derzeit etwa 50 %), aber die Rentabilität der Projekte ist vielfach ausgesprochen gering. Die Immobilienentwicklung macht fast ein Viertel dieser Investitionsquote aus. Doch ob die vielen Bauten auch effizient vermietet werden können, lässt sich derzeit schwerlich greifen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Einwohner liegt man mit 7.517 Dollar um Welten unter dem Produktivitätsniveau der USA mit 47.132 Dollar. Selbst Deutschland produziert je Einwohner etwa 5-mal so viel wie der durchschnittliche Chinese. Pro Kopf verdient der „Chinese“ etwa 3.800 Dollar und gilt damit als Land mit mittlerem Einkommen.
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