Die bröckelnde Netzneutralität eröffnet Softwareanbietern für Datenanalyse im Internet zusätzliche Chancen

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 26.03.2014
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Aktionärsbrief

Netzneutralität soll eigentlich die wertneutrale Datenübertragung im Internet gewährleisten. Alle Datenpakete sollen, egal, woher sie kommen und wohin sie geschickt werden und unabhängig von ihrem Inhalt, gleiche Priorität bei ihrer Weiterleitung bekommen. Spätestens seit Januar dürfte die Netzneutralität löchriger geworden sein. Denn Mitte Januar hat das US-Appellationsgericht in Washington eine Vorgabe der „Federal Communications Commission“ (FCC) für unzulässig erklärt. Das Gericht hat der FCC pauschal die Zuständigkeit abgesprochen, Fragen des Netzwerkmanagements zu regeln. Ob und wie reguliert werden soll, bleibt also weiterhin offen. Als unmittelbare Folge dürfen aber Telekombetreiber in den USA den Datenverkehr in ihren Netzen analysieren und Datenpakete mit unterschiedlichen Qualitäten weiterleiten.


Um Datenverkehr zu überwachen, wird spezielle Software benötigt. Diese „Deep Packet Inspection“-Software ermöglicht die Analyse, die Klassifizierung und letztlich Kontrolle bis hin zur Blockade von Datenpaketen, die über das IP-Internetprotokoll verschickt werden. DPI wertet dabei den sogenannten Payload von Datenpaketen aus. Diese „Nutzlast“ besteht nicht zwangsläufig nur aus dem von einem Internetnutzer erzeugten Inhalt, wie z. B. dem Text einer eMail, sondern auch den begleitenden Kommunikationsdaten. Dazu gehören z. B. die MAC-Adressen der im Netzwerk angemeldeten Endgeräte oder die Adressen der Router, über die gesurft werden.

DPI-Analyse von Datenverkehr muss nicht zwangsläufig mit der Verletzung der Privatsphäre einhergehen. Mit der NSA-Affäre im Hinterkopf vermuten viele Internetnutzer natürlich nicht ganz zu Unrecht, dass die generelle Erlaubnis einer Datenanalyse einer Totalüberwachung im Internet Tür und Tor öffnet. Netzanbieter haben aber ein ureigenes Interesse an DPI, denn die Datenmengen steigen wegen einer Vielzahl neuer Anwendungen wie Video- und Musik-Streaming rapide an. Auch die Kunden haben ein Interesse daran, dass z. B. die Daten für Voice-over-IP-Telefonie in Zeiten überlasteter Mobilfunknetze bevorzugt weitergeleitet werden, um eine störungsfreie Übertragung zu gewährleisten. Auch bei sehr datenintensiven Anwendungen, wie z. B. TV- und Video-Streaming, ist eine Priorisierung auch aus Kundensicht gewünscht.

DPI kann dafür sorgen, das komplizierte Netzwerkmanagement zu erleichtern und ermöglicht zudem, bestimmte Datenpakete auf Wunsch zu priorisieren und dafür einen Preisaufschlag zu verlangen. Das entspricht grundsätzlich dem Gedanken der Marktwirtschaft: Wer eine höhere Leistung fordert, muss auch bereit sein, dafür mehr Geld zu bezahlen. Wichtig ist dabei allerdings, dass der Wettbewerb gewahrt bleibt. Interessenkonflikte können z. B. dann entstehen, wenn Telekommunikationsanbieter eigene Video- und TV-Dienste bevorzugt weiterleiten und netzfremde Anbieter das Nachsehen haben. Im Zweifel sorgt die Gerichtsbarkeit für fairen Wettbewerb. So ist beispielsweise im vergangenen Jahr die Deutsche Telekom mit dem Vorhaben gescheitert, DSLFlatrate- Tarife nach einem bestimmten verbrauchten Datenvolumen zu drosseln, das durch eigene Videodienste erzeugte Datenvolumen aber nicht auf das verbrauchte Gesamtvolumen anzurechnen.

Die rapide Zunahme an Breitbandverbindungen ist ein dynamischer Wachstumstreiber für DPI. Laut Marktforschungsinstitut „Research and Markets“ soll der Markt bis 2016 durchschnittlich um 35 % pro Jahr wachsen. Davon profitieren natürlich die Anbieter entsprechender Lösungen:

• Die Aktie von ALLOT COMMUNICATIONS (A0L E7C; 14,86 $) sprang nach dem US-Gerichtsentscheid um 20 % in die Höhe. Das israelische Unternehmen ist einer der führenden Anbieter von Netzwerkmanagementlösungen. Mit einem für 2014 geschätzten Umsatz von 130 Mio. $ ist Allot zwar ein eher kleines Unternehmen, aber dafür ein reinrassiger Spezialist. Die Ertragsentwicklung verlief bisher volatil. 2013 gab es noch rote Zahlen, aber 2014 wird man wohl einen Gewinn schreiben. Erst wenn die Netzneutralität weltweit fällt, dürfte man das Potenzial dazu haben, nachhaltig profitabel zu werden. Weiteres Manko: Die unterdurchschnittliche operative Marge von 3,9 %.

• ARBOR NETWORKS gehört zum US-Mischkonzern DANAHER (866 197; 74,17 $). Arbor hat seine Wurzeln im US-Verteidigungsministerium, ist heute aber ein Teil der Test- und Managementsparte von Danaher. Zu den strategischen Partnern zählen u. a. Cisco, IBM und Juniper Networks. Arbors Lösungen sind weltweit im Einsatz. Die Datenüberwachungslösung „Atlas“ etwa verfolgt weltweit in Spitzenzeiten einen Datenverkehr von 43 Terabit/Sekunde.

• PROCERA NETWORKS (A1H 6L3; 11 $) ist dagegen ein reinrassiger Spezialist. Das USUnternehmen arbeitet noch defizitär, dürfte aber im laufenden Jahr ebenfalls profitabel werden. Mit einem für 2014 geschätzten Umsatz von 80 Mio. $ ist man allerdings noch etwas kleiner als Allot Communications. Im Branchenvergleich ist die Aktie allerdings sehr teuer.

• SANDVINE (A0J JTK; 3,13 CAD) ist ein kanadischer Anbieter von Netzwerkmanagementlösungen. Zu den Kunden gehören u. a. Netzanbieter wie NTT, Telefonica oder O2. Sandvine ist profitabel. Im laufenden Jahr dürfte der Umsatz um 18 % und der Gewinn je Aktie um 70 % zulegen. Die Bewertung entspricht mit einem KGV von 19 dem branchenüblichen Durchschnitt.

Fazit: DPI-Anbieter arbeiten in einem komplexen technischen Umfeld und sind in hohem Maße von einem günstigen regulatorischen Umfeld abhängig. Dementsprechend kommt ein Engagement nur für risikobereite Anleger in Frage. Unser Favorit bei den Spezialisten ist SANDVINE. Mit ein paar Abstrichen kommt auch Allot in Frage. Konservative Anleger können über den Mischkonzern DANAHER zumindest indirekt am DPI-Geschäft partizipieren.
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