Die Börse - Faust 2.0

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 21.09.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Goethe war ein Multitalent, er bekleidete sogar einmal das Amt des Finanzministers. Sein Herzog wollte ihn dazu überreden, Papiergeld einzuführen, er stemmte sich dagegen. So musste Weimar bis nach dem Tod Goethes auf das erste Papiergeld warten.


In den Geschichtsbüchern werden Goethe großes Können im Bereich der Steuern und des Geldwesens nachgesagt. Er sanierte die Finanzen seines Herzogtums und sorgte für einen wirtschaftlichen Aufschwung.

Seine Erfahrung verarbeitete er im Faust II, heute würde er es vielleicht Faust 2.0 nennen, indem er den Kaiser im ersten Akt Mefisto beauftragen lässt, Geld zu "schaffen", also Papiergeld zu drucken. Das Ganze endet in Inflation und Armut.
 

Goethe als Vorbild

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich dieser Erkenntnis Goethes bedient, um erneut das Ankaufen von Staatsanleihen durch die EZB zu kritisieren. Als Einziger im EZB-Direktorium stemmt er sich gegen dieses Vorhaben, nicht einmal sein Weggefährte und Parteifreund Asmussen, der zweite Deutsche im EZB-Direktorium, steht ihm zur Seite.

Wie schon Jürgen Stark und Axel Weber wird auch Jens Weidmann von seiner ehemaligen Gönnerin Angela Merkel ebenfalls im Stich gelassen. Die EZB wird Staatsanleihen kaufen. Fraglich ist nur noch, ob dazu die Einreichung eines Antrags auf ESM-Hilfen ausreicht oder aber die Einschaltung des IWF erforderlich ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat sodann den Hauptkritikpunkt der Kläger gegen den ESM aufgegriffen: die unlimitierte Nachschusspflicht. Hier wird nun bei 190 Mrd. Euro eine Grenze eingezogen, der Rest des ESM sei rechtens. Wie erwartet, wurde also Europa nicht ins Chaos gestürzt, sondern die Rettungskultur durch eine kleine Fußnote gerettet.

Wirklich überrascht hat mich dann die Ankündigung eines neuen Kaufprogramms der US-Notenbank Fed: Für 40 Mrd. USD werden künftig jeden Monat Immobilienkredite aufgekauft, um den Immobilienmarkt weiter zu stützen. Man spricht weithin von einem QE3, doch die Fed schüttet hier nicht wahllos Liquidität über die Banken in die Märkte, sondern greift gezielt in den Immobilienmarkt ein, um, so das Ziel, in diesem arbeitsintensiven Bereich Arbeitsplätze zu schaffen.

Wem das noch nicht genug ist, der konnte sich diese Woche über die japanische Notenbank freuen, denn auch in Japan greift man zur Druckerpresse um strukturelle Probleme zu vertuschen. Mitte dieser Woche wurde verkündet, Wertpapiere im Wert von bis zu umgerechnet 100 Mrd. Euro aufzukaufen.

Fehlt eigentlich nur noch China

Auch dort wurde bereits der Leitzins gesenkt, zuletzt Anfang Juli, doch an den Finanzmärkten träumt man noch von einem Liquiditätsprogramm wie 2008 / 2009, als China durch seine Infrastrukturinvestitionen die ganze Welt aus der Krise zog. Doch China hat sowohl noch Platz für Leitzinssenkungen (aktuell 5,7%), als auch das Kapital für Konjunkturprogramme, das Land hält sich diesmal vielleicht nur etwas zurück, damit ein eventuelles Programm nicht wieder zu einem großen Teil in die internationalen, häufig nicht chinesischen Unternehmen fließt.

Kurz gesagt: Europa flutet, die USA flutet, Japan flutet, China wäre jederzeit dazu in der Lage, sollte es wirklich erforderlich sein, und Deutschland als einstige Bremse in diesem Flutungskonzert wird gar nicht mehr wahrgenommen. So ist der DAX in den vergangenen zwei Wochen um 3,1% angestiegen. Wer glaubt, die Rallye würde in einer solchen Phase bereits enden, der irrt.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes in den vergangenen zwei Wochen entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


Besonders in Japan war die Liquiditätsflutung eine Überraschung, entsprechend heftig ist der Nikkei auch angesprungen (+5%). In Deutschland ist der DAX kräftig angestiegen. Gleichzeitig stieg auch der Euro weiter an. Das spricht dafür, dass der DAX zu einem großen Teil von ausländischen Investoren gekauft wird.

Das deckt sich mit meiner Erwartung, denn nicht nur ich war überrascht vom Offensichtlichen, die meisten Deutschen waren es auch. Unbeirrt bewegten sich Europa und die EZB auf eine lockere Geldpolitik zu, entsprechende Personalentscheidungen weisen seit mehreren Jahren darauf hin. Nur wir Deutschen hielten uns für so wichtig, dass wir glaubten, diesen Prozess aufhalten zu können.

Für die anderen Länder ist es ganz normal, dass politische Fehler durch Papiergeld überklebt werden. Entsprechend offensichtlich ist auch die Flucht ins Gold, nach langer Seitwärtsbewegung springt der Goldkurs nun wieder langsam an.

Es gibt nur drei liquide Wertaufbewahrungsorte

Den Euro, den US-Dollar und das Gold. Wenn der Euro und der US-Dollar durch die Druckerpresse abgewertet werden, dann ist ein ansteigender Goldpreis die logische Folge. Und auch ansteigende Aktienkurse.

Und auch die Frühindikatoren der Konjunktur, den Kupferpreis und die Baltic Dry Frachtraten, weisen darauf hin, dass bessere Zeiten für die Unternehmen bevor stehen. Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung in diesem Umfeld entwickelt hat:


SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

Kaufen / Verkaufen
31.08.- 07.09. (238): 45% / 16%
07.09.- 14.09. (183): 44% / 19%
14.09.- 21.09. ( 99): 54% / 9%

Kaufempfehlungen der Analysten
Bilfinger Berger, Lanxess, Credit Agricole

Verkaufsempfehlungen der Analysten
ThyssenKrupp, Cegedim, Hospira

Privatanleger
36. KW: 58% Bullen (150 Stimmen)
37. KW: 51% Bullen (131 Stimmen)
38. LW: 48% Bullen (154 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Alcatel-Lucent, France Telecom, EADS

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Marathon Petroleum, L'Oreal, Assystem S.A.

Mit steigenden Kursen häufen sich die bullischen Analystenempfehlungen, ein Zeichen dafür, dass die Analysten diese Entwicklung ebenfalls nicht erwartet haben und hinterher laufen. Gleichzeitig gibt es unter den Privatanlegern bereits wieder vorsichtige Stimmen, die Bullen sind bereits unter 50% gefallen.

Ein Stimmungsbild, das sich mit meiner persönlichen Einschätzung deckt, die ich in den vergangenen Tagen in vielen Gesprächen mit Marktteilnehmern gebildet habe. Viele institutionelle Investoren sind noch immer viel zu pessimistisch positioniert, müssen also noch Shortpositionen auflösen. Überrascht von der Rallye hoffen sie nun auf einen Rücksetzer, in dem sie dann ihre Leerpositionen auflösen, also Aktien kaufen wollen.

Ein explosives Gemisch, wenn Sie mich fragen. Entsprechend finden wir viele konjunktursensible Unternehmen in der Liste unserer Top-Analystenziele:

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.


Befinden wir uns also in einer Überhitzungsphase oder wie weit wird uns die Rallye noch tragen? Steht uns kurzfristig eine Konsolidierung, vielleicht sogar eine heftige Korrektur bevor? Mehr dazu im nächsten Kapitel.
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