Deutsche Wirtschaft wieder in der Vorreiterrolle

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 13.10.2010
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Frankfurter Börsenbrief

Die jüngsten Daten zur Industrieproduk- tion korrespondieren mit den in dieser Woche erreichten neuen Hochs im DAX. Im Vergleich zum Vormonat stieg der Output im produzie- renden Gewerbe (Industrie, Bau, Energie) um 1,7 %. Noch im Juli sahen wir einen leichten Rückgang um 0,1 %. Die Schätzungen waren im Vorfeld lediglich von einem Plus von 0,5 % ausgegangen.


Der August war damit schon der fünfte Monat in Folge, in dem die Jahres- vergleichs-Steigerungsrate zweistellig zulegen konnte! In absoluten Zahlen bewegt sich der Output nur noch 8 % unter seinen Hochs von Anfang 2008, vor Beginn der Finanzkrise (zwi- schenzeitlich sahen wir Minuskennziffern von über 40 %). Erfreulich: Auch das Verarbeiten- de Gewerbe lief im August im Gleichschritt mit dem produzierenden Gewerbe nach vorne. Nach einem ebenfalls verhaltenen Juli zog die Leistung im August im Vergleich zum Vormonat sogar um 1,8 % an. Wie geht es weiter? Müssen wir damit rechnen, dass die in den USA zu beobachtende Schwäche auch auf Deutschland übergreift? Es gibt Hoffnung. Ihr Name ist Emerging Markets. Denn: Das stärkste Wachstum in der Industrie hat die Investitionsgüter-Industrie (+ 2,6 %) verzeichnet. Diese Waren profitieren von der nach wie vor strammen Entwicklung in den Emerging Markets. Fakt ist: Die deutsche Industrie kann sich vor Aufträgen kaum retten. Im August konnten die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes auf preis- und saisonbereinigter Basis 3,4 % mehr Aufträge in die Bücher nehmen als im Vormonat. Damit konnte der Rückgang im Juli in Höhe von 1,6 % wieder mehr als aufgeholt werden. Die Entwicklung lag deutlich über den Erwartungen, denn am Markt war lediglich mit einem Plus von 1,0 % gerechnet worden. So erfreulich die Tendenz ist, desto wichtiger ist es, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Ordereingänge auf monatlicher Basis stark schwanken. Die Entwicklung wird dominiert von Großaufträgen aus dem Bereich „sonstiger Fahrzeugbau“ (Flugzeuge, Schiffe, Schienenfahrzeuge usw.). Insbesondere einige verspätete Airbus-Bestellungen nach der Luftfahrtmesse in Farnborough dürften das Wachstum im August befeuert haben. Aber selbst wenn man den Bereich sonstiger Fahrzeugbau aus den Zahlen herausrechnet, bleibt immer noch ein Orderplus von 0,9 % übrig. Damit setzt sich der stetige Trend weiter fort. Im Juli hatte das bereinigte Wachstum 0,6 % betragen, während es im August 0,8 % gewesen waren. Die deutsche Industrie lebt weiterhin von der Auslandsnachfrage. Der Anstieg im August geht größtenteils auf das Konto von ausländischen Bestellungen, die um 6,6 % gewachsen sind. Orders aus dem Inland waren dagegen um 0,5 % rückläufig. Der deutsche Maschinenbau drohte, zuletzt sogar heiß zu laufen. Wir wählen bewusst die Vergangenheits- form, denn im August scheint nun etwas Druck aus dem Kessel entwichen zu sein, aber gegenüber dem Vorjahr um 45 % gestiegene Auftragseingänge sind immer noch weit überdurchschnittlich. Im Juni und Juli hatten die Zuwachsraten allerdings noch bei 62 % respektive 48 % gelegen. Wohin geht die Reise? Das hohe Wachstumstempo der letzten Monate wird nicht zu halten sein. Eine Normalisierungstendenz ist zu erwarten und wünschenswert. Eines muss man sich aber trotz der strammen Steigerungsraten gewahr werden: Wir haben noch längst nicht wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht. Beispiel Maschinenbau: Sollte die Produktion in diesem Jahr erwartungsgemäß um 6 % zulegen, wäre gerade mal das absolute Niveau von 2005 erreicht. Um an den Höchstniveaus aus dem Jahre 2008 anknüpfen zu können, bedarf es noch einiger Anstrengungen. Die Branche selbst gibt sich optimistisch. 2011 soll das Produktionsplus von 6 auf 8 % steigen. Das wären 175 Mrd. € oder ein Niveau knapp unter den Daten von 2007. Die Kapazitätsauslastung liegt mit 83 % nur noch knapp unter dem „Normalwert“ von 85 %. Besondere Freude macht derzeit die Tendenz bei Textilmaschinen, Kunststoffanlagen, Gießereimaschinen sowie Aufzügen und Fahrtreppen. Deutschland ist mit einem Marktanteil von 19,1 % nach wie vor deutlich führend. Ein neuer Rekord (196 Mrd. € Volumen) erscheint kurzfristig - ohne Rückenwind aus Nordamerika und Europa - mit Aufträ- gen allein aus den Emerging Markets illusorisch. Den An- leger interessiert natürlich vor allem eines: Wie belastbar und abgesichert sind die Zahlen für 2011? Nach unseren Berechnungen kann ein Plus dieser Größenord- nung selbst dann erreicht werden, wenn die Weltkonjunktur - den USA folgend - spürbar abflaut. Der aktuel- le Auftragsbestand reicht dafür bereits aus. Freilich war in der letzten Krise auch zu beobachten, wie Orders massenhaft storniert wurden. In so einem Fall wäre eine Anpassung nach unten unumgänglich. Das ist aber gegenwärtig nicht unsere Prognose. Beachten Sie bitte: Keine Analogie für den US-Markt. Die neu- en Hochs im DAX in Verbindung mit den guten Daten aus der Industrie geben derzeit keine Indikation für die US-Wirtschaft ab! Im Gegenteil: Wie die Helaba unlängst zeigte, bereitet der Einkaufsmanager-Index einige Sorgen. Nicht der in den Medien publizier- te, sondern der Quotient aus Auftrags- und Lagerkomponente. Dieser hat in der Vergan- genheit mit einem Vorlauf von drei Monaten eine recht gute Indikatorfunktion für die Richtung der Bewegung an den US-Börsen abgegeben. Nicht auf die Woche genau, aber auf Monatssicht allemal. Dieser ist nach wie vor im Fallen begriffen, was unsere vorsichtige Haltung für die Wall Street (vgl. letzte Ausgabe) unterstützt. Der Anlagefokus liegt entsprechend neben Asien eindeutig auf Europa.
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