Daimler - Hohe Dividende und niedriges Bewertungsniveau

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 21.04.2016
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Daimler hat sich in den vergangenen Jahren von teuren Abenteuern getrennt. Nun spuckt der Konzern wieder viel Gewinn aus, eine attraktive Flotte sorgt für Absatzrekorde auf allen Weltmärkten. Doch die Elektromobilität ist in aller Munde, und Daimler betritt diesen Zukunftsmarkt nur zögerlich. In dieser Analyse komme ich zu dem Schluss, dass Probleme für Daimler erst in ferner Zukunft akut werden, aktuell sind die hohe Dividende und das niedrige Bewertungsniveau ein gutes Kaufargument.


ERFOLGE DES JAHRES 2015


Über 2 Mio. PKWs hat Daimler im Jahr 2015 verkauft, über 500.000 LKWs. Das sind historische Absatzrekorde. Hinzu kommen 321.000 verkaufte Kleintransporter sowie 28.100 Busse. Der Absatz ist im Jahr 2015 um 12% gestiegen.

Dank ordentlicher Preise konnte der Umsatz sogar um 15% auf 149,5 Mrd. Euro gesteigert werden. Das PKW-Geschäft macht dabei über die Hälfte des Umsatzes aus, gefolgt von den LKWs mit knapp einem Viertel.

60% des Gewinns kommen aus dem PKW-Geschäft, nur 20% von den LKWs. Hier setzt die Kritik der Analysten an, die ein schwächelndes LKW-Geschäft monieren. Zwar läuft der Absatz in Europa sowie Nord- und Südamerika gut, doch das Asiengeschäft der Nutzfahrzeuge war im vergangenen Jahr stark rückläufig. Insgesamt ist der Gewinn dennoch überproportional um 36% auf 13,8 Mrd. Euro angesprungen.

Für das PKW-Geschäft ist China inzwischen der größte Einzelmarkt. Mit 400.000 verkauften Autos in China wird dort mehr abgesetzt als in Deutschland (296.000) oder in den USA (359.000). Knapp zwei Drittel der in China verkauften PKWs werden auch in China produziert, nur ein Drittel wird nach China exportiert.

So erfolgreich das PKW-Geschäft in China auch sein mag, die chinesische Konjunkturschwäche wirkt sich auf die Nutzfahrzeugbranche aus, und dort gab es rückläufige Absatz- und Umsatzzahlen. Daimler LKWs gehen in Asien überwiegend durch Indonesien, Indonesien hängt aber stark an der Konjunktur Chinas.

Am morgigen Freitag wird Daimler Zahlen für das erste Quartal 2016 veröffentlichen. Ein besonderes Augenmerk der Anleger und Analysten wird auf den LKW-Zahlen aus China liegen. Nachdem ich in den vergangenen Monaten beobachten konnte, wie die Konjunkturdaten Chinas sukzessive nach oben drehten, kann ich mir eine positive Überraschung in diesem Bereich gut vorstellen.
 

SOLIDE DIVIDENDENAKTIE SEIT 28 JAHREN


Ich bin die Dividendenzahlungen des Konzerns durchgegangen. Seit 1988 wurde die Dividende nur zweimal ausgesetzt (1995 und 2009). Die durchschnittliche Dividendenrendite über diese Zeitspanne beträgt 4,2%. Nicht übel, wenn wir uns das heutige Zinsniveau anschauen. Aber alles andere als berühmt, wenn wir uns die Inflationsraten der 80er und 90er in Erinnerung rufen. Zudem dümpelt die Aktie der Daimler seit 27 Jahren um die 60 Euro herum (splitt- und Euro-umstellungsbereinigt). Eine Wertsteigerung fand nicht statt, wenn wir mal den Kurssprung von 60 auf 66 Euro der vergangenen 10 Tage außer Acht lassen.

Für die morgige Hauptversammlung wurde eine Dividendenausschüttung für das abgelaufene Jahr 2015 von 3,45 Euro je Aktie vorgeschlagen, das entspricht einer Dividendenrendite von 5,2%. Analysten erwarten für das kommende Jahr 2017 sogar eine Dividendenrendite von 5,75%.
 

GÜNSTIGES BEWERTUNGSNIVEAU


150 Mrd. Euro Jahresumsatz werden mit einer Marktkapitalisierung von 71 Mrd. Euro belegt. Das KUV (Kurs/Umsatz-Verhältnis) beträgt somit lediglich 0,47, im Allgemeinen gilt ein KUV von 1 als fair. Ein besonders niedriges KUV gibt es stets dann, wenn kein Wachstum vorhanden oder aber wenn die Gewinnmarge hauchdünn ist.

Das Gewinnwachstum flacht in den kommenden Jahren ab, Analysten erwarten ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 7% p.a. für die kommenden fünf Jahre. Die Gewinnmarge ist mit aktuell 9,2% bereits ziemlich hoch für den Automobilsektor. Viel Luft nach oben ist da nicht.

So erklärt sich auch das niedrige KGV 2017e von nur 7. Ziehen wir die 20 Mrd. Euro Nettoliquidität noch vom Unternehmenswert ab, dann ergibt sich für die Bewertung des Geschäftsmodells ein KGV von nur noch 5.
 

MIR KÖNNET ÄLLES AUSSER HOCHDEUTSCH


Immer wieder erlaubte sich Daimler teure Abenteuer: Ob die Übernahme der insolventen AEG Mitte der Achtziger, ob die immer wieder teure Beteiligung an dem Airbus-Mutterkonzern EADS, oder ob auch zuletzt die völlig schief gelaufene Übernahme der amerikanischen Chrysler (1998). Selbstüberschätzung hat System bei den Vorständen des Erfinders des Automobils.

CEO Dieter Zetsche hat die letzten Abenteuer aus dem Konzern geschmissen: Chrysler wurde 2010 verkauft und die EADS-Beteiligung wurde 2013 abgestoßen. Und kaum konzentriert sich der Autobauer auf das Autobauen, quillt der Tresor über. 20 Mrd. Euro an Barreserven hat Daimler seither angehäuft.

Doch wohin mit dem vielen Geld? Solange Zetsche am Ruder ist, fürchte ich kein neues desaströses Abenteuer. Und sein Vertrag läuft noch bis 2019. Technologisch ist Daimler bestens aufgestellt. Während Autos vor dreißig Jahren noch eine Lebenserwartung von 10 Jahren hatten, kann man heute zehn Jahre alte Autos kaum von Neuwagen unterscheiden – einmal abgesehen vom Design. Sichtbare Unterschiede von alten Autos zu Neuwagen sind der fehlende iPod-Anschluss und gegebenenfalls die Mercedes-Me App, über die der Besitzer diverse Infos zu seinem Wagen abrufen kann.

Verschleißprobleme gibt es nur immer dort, wo Mercedes weiter an den Verbrauchswerten drehen muss. Bis 2020 muss der durchschnittliche Flottenverbrauch so stark gesenkt werden, dass nur noch 95 gr./km CO2 ausgestoßen werden. Aktuell liegt Daimler bei 123 gr./km CO2. Motoren werden hochgezüchtet und dadurch fehleranfälliger.
 

BRENNSTOFFZELLE UND ELEKTROANTRIEB


Die Brennstoffzelle ist eine tolle Idee: Wasserstoff wie Benzin tanken und hinten Wasser aus dem Auspuff laufen lassen. Kein anderer Autobauer setzt so konsequent auf die Brennstoffzelle wie Daimler. Dennoch steckt diese Entwicklung noch immer in den Kinderschuhen, wenn wir die Wirtschaftlichkeit betrachten: Es ist noch immer viel zu teuer, Wasserstoff zu gewinnen, und dabei geht noch zu viel Energie verloren.

Wenngleich die Brennstoffzelle also die Lösung all unserer heutigen Probleme verspricht (große Reichweite, emissionsfrei, schnelles „nachladen"), so dürfen Sie die Daimler-Aktie nicht aufgrund dieses Zukunftstraums ins Depot holen. Für ein Investment liegt diese Vision noch in zu weiter Ferne.

Ganz anders sehe ich die Elektromobilität. Tesla hat den Markt aufgemischt, und jeder Autobauer der Welt muss nun mit aller Gewalt in die Elektromobilität investieren. Tesla hat es verstanden, vorhandene Technologien zur Marktreife zu bringen. Mit in Reihe geschalteten Laptop-Batterien (Lithium trägt heute die größte Energiedichte unter den bekannten Batteriestoffen) hat Tesla Reichweiten von bis zu 500 km je Ladung erreicht. Dazu wurde das Auto vollständig neu entworfen: Die Bodenplatte besteht vollständig aus Batterien, gibt dem Fahrzeug dadurch einen extrem tiefen Schwerpunkt und ein Fahrverhalten wie ein Formel-1 Bolide.

Auf die Batterien geschraubt ist dann ein besserer Nähmaschinenmotor, der ohne Gänge sensationelle Beschleunigungswerte ermöglicht. Und Nähmaschinenmotoren halten ewig. Fragen Sie mal ihr ältestes Familienmitglied, wie viele Nähmaschinen sie in ihrem Leben gekauft hat. Die Antwort wird lauten: eine.

Also: Die Karosserie von Autos sieht heute nach 10 Jahren noch aus wie neu. Der Elektromotor hat nicht die Verschleißteile, die einen Verbrennungsmotor altern lassen. Auch die Batterien haben heute schon eine extrem lange Lebensdauer. Nach 160.000 Kilometer hat die Tesla S Batterie noch immer 80-85% ihrer ursprünglichen Kapazität.


BATTERIE UND SOFTWARE


Wenn ich mir die Entwicklung anschaue, gibt es derzeit zwei wichtige Bereiche, die die Zukunft der Automobilmärkte bestimmen werden: Zum einen die Batterietechnik und zum anderen die Software für Autos.

Die Ladekapazität unterliegt physikalischen Gesetzen. Anders als in der Chipindustrie kann die Kapazität nicht jedes Jahr verdoppelt werden. Für die kommenden fünf Jahre sind Kapazitätssteigerungen von maximal 20% zu erwarten. Sollen Autos noch größere Sprünge in der maximalen Reichweite machen, dann muss seitens der Software noch optimiert werden.

Es wird wild entwickelt. Die Batterieflüssigkeit soll durch feste Materialien ersetzt werden und dadurch das Gewicht der Verpackung sparen, was wiederum mehr Ladematerial ermöglicht. Hier versprechen sich die Autobauer, die Tesla hinterherhinken, die größten Chancen.

Tesla selbst hält am Erfolgskonzept fest und plant den Bau einer Gigafactory, der größten Batteriefabrik der Erde, in der die Batterien für Tesla-Fahrzeuge und diverse andere Anwendungen günstiger produziert werden sollen als anderswo. Optimierungen finden bei Tesla in erster Linie auf der Software-Ebene statt. Die Steuerung der immer komplexeren Systeme an Bord eines Autos muss energieeffizient erfolgen. Nicht alle Systeme müssen immer laufen, wenn sie gebraucht werden müssen sie jedoch ad hoc da sein.

So erklärt sich der Erfolg Teslas: Ein Auto, das weniger komplex ist als die Autos der Wettbewerber in Ländern, die mit Komplexität hervorragend umgehen können, und bei dem die Entwicklung hauptsächlich auf Softwareebene erfolgt, ein Bereich in dem die USA führend sind.

Daimler war einige Jahre in Tesla investiert und hat seine Beteiligung 2014 mit großem Gewinn verkauft. Die Bedeutung der Softwareentwicklung für die Zukunft des Autos hat Daimler meines Erachtens nicht richtig bewertet. Man hat sich auf die Ladekapazität der Batterien konzentriert.
 

CAR-AS-A-SERVICE


Mit MyTaxi und Car2Go hat sich Daimler immerhin in zwei junge Märkte eingekauft, in dem die Software einen maßgeblichen Erfolgsanteil hat. Das Flottenmanagement wird hier vollständig elektronisch realisiert. Es wird der Markt der Großstädte bedient, in dem moderne Städter kein eigenes Auto mehr besitzen, sondern ein standardisiertes Fahrzeug abgreifen, wenn sie es gerade brauchen.
 

EINE FRAGE DES ZEITHORIZONTS


Daimler ist in der heutigen Automobilwelt bestens aufgestellt. Der Konzern partizipiert voll am Wachstum Chinas und wird, wenn sich die Konjunktur dort erholt, überproportional gute Zahlen schreiben. Dieser Erfolg wird meiner Einschätzung nach auch in den kommenden Jahren anhalten, und vor diesem Hintergrund ist die Daimler Aktie sehr günstig bewertet.

Doch meiner Einschätzung nach wird das Automobilgeschäft der Zukunft stärker durch Software bestimmt werden. Die Umstellung der Mobilfunknetze von 4G auf 5G sei die letzte Hardware-Umstellung, habe ich gelernt. Danach finden Generationswechsel nur noch auf der Softwareebene statt.

Autos sind noch nicht so weit, aber da wird es hingehen. Ob diese Entwicklung fünf oder fünfzig Jahre in Anspruch nehmen wird, kann ich leider nicht beurteilen. Doch das Geschäftsmodell von der heutigen Daimler ist ein Auslaufmodell. Und je nachdem, wie weit Sie mit Ihren Investments in die Zukunft schauen, können Sie sich nun noch einige Jahre an Daimlers Dividende erfreuen. Vielleicht kriegen die Schwaben ja auch noch die Kurve hin zum Softwarekonzern. Noch ist es nicht zu spät.
 

FAZIT:

Die in dieser Analyse aufgeworfenen Kritikpunkte beziehen sich sicherlich auf die ferne Zukunft. An der Börse wird die Zukunft gehandelt, und es ist schwer abzuschätzen, wann solche Szenarien in den Aktienkurs eingepreist werden. Für die kommenden ein bis zwei Jahre dürfte jedoch die hohe Dividende Grund genug für Aktionäre sein, dem Unternehmen die Stange zu halten. Das Bewertungsniveau ist günstig und etwaige Probleme liegen, wenn überhaupt, noch in weiter Ferne.

Zudem sorgt eine attraktive Flotte derzeit auf vielen Märkten für ordentliche Wachstumszahlen. Ziel dieser kritischen Betrachtung ist lediglich, die Daimler-Aktie, die in vielen Depots bereits seit Jahrzehnten liegt, nicht aus den Augen zu verlieren.
 
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag