Change Obama
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
05.11.2010
Change„ lautete der Wahlslogan von Obama vor zwei Jahren. Und Yes, we can! stand für das Bekenntnis, den Wechsel auch mit allen Mitteln durchzudrücken. Das Volk war von der Politik der Bush-Administration enttäuscht und wollte den Wechsel, koste es was es wolle.
Obama war der richtige Mann für diese Situation, denn selbstbewusst versprach er Änderungen auch gegen den Widerstand des Establishments durchzusetzen. Dabei werde er, so sein Versprechen, nicht auf die Wiederwahl spekulieren, sondern für die Sache kämpfen, auch wenn es unbequem wird. Diese Woche gingen die US-Amerikaner zur Wahlurne und bescherten Obama die größte Wahlniederlage, die ein Präsident in den letzten Jahrzehnten in einer Zwischenwahl erhalten hat. Das Volk ist unzufrieden mit Obamas Politik und wünscht sich die Republikaner zurück. Doch was war wirklich geschehen? Ist das Gedächtnis der Wähler so kurz oder hat Obama seine Versprechen nicht gehalten? Die Antwort ist nicht leicht. Ich denke schon, dass Obama sein Möglichstes getan hat, seine Themen, Reformen, Änderungswünsche usw. durchzusetzen. Gesundheitsreform, neue Finanzmarktregeln, Abzug aus dem Irak. All das geschah natürlich unter großen Zugeständnissen und somit eben nicht genau so, wie es ursprünglich versprochen wurde. Doch das ist Politik: Umsetzung des Machbaren. Und wie das Wahlergebnis zeigt, hat Obama tatsächlich wahrgemacht, was er ankündigte: Ohne Rücksicht auf seine Wiederwahl werde er für seine Sache kämpfen. Er hat seine Wähler auf schmerzhafte Einschnitte vorbereitet und diese sind in der Gesundheitsbranche, in der Finanzbranche und beim Militär auch erfolgt. Doch auf der anderen Seite ist nun die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau, gerade heute wurden die Oktoberzahlen bekanntgegeben und sie fielen deutlich schlechter aus als befürchtet. Die amerikanischen Unternehmen stellen nicht ein.
Der Grund ist meines Erachtens ein (aus Sicht der Unternehmen) wild gewordener Präsident, dessen Politik eine wirtschaftliche Entwicklung schwer planbar macht. Mindestens in einem Punkt hat Obama also Wort gehalten: Er schert sich nicht um seine Popularität, denn die ist inzwischen auf dem Nullpunkt. Doch ob die von ihm als so notwendig erachteten Reformen mittel- und langfristig wirklich die erwünschten positiven Effekte entfalten, muss sich erst noch zeigen. Im Kongress haben die Republikaner nun die Mehrheit und gegen diese Mehrheit wird Obama in den kommenden zwei Jahren nicht viel ausrichten können. Er hat nun meines Erachtens zwei Möglichkeiten: Entweder er kämpft weiterhin für seine Sache und verliert dann in zwei Jahren die Wiederwahl, oder er lenkt ein und fährt einen Schmusekurs mit den Republikanern um zu zeigen, dass deren politische Rezepte auch nicht besser funktionieren. Dann könnte er eine Chance auf eine zweite Legislaturperiode haben. Obama wird als besserwisserisch und teilweise arrogant beschrieben. Anders als Bill Clinten, der 1994 ähnlich hart abgestraft wurde und dennoch die Wiederwahl schaffte, trauen es Beobachter Obama nicht zu, sich mit den Republikanern zu verbrüdern. Bleibt er also seiner Sache treu, so hat er in meinen Augen zwei ungelöste Themen auf seiner Tagesordnung: Steuerreform und Energiepolitik. Die Energiepolitik habe ich im Kolumnenticker aufgearbeitet: Ich denke, es wird keinen Durchbruch in Sachen Umwelt- und Energiepolitik geben. Stattdessen einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: CO2-emissionsfreie Kohlekraftwerke. Peabody wird davon profitieren wie kein zweites Unternehmen.
Die von seinem Amtsvorgänger eingeführten Steuererleichterungen, denen nachgesagt wird, sie seien insbesondere für die Reichen gewesen, laufen Ende dieses Jahres aus. Beide Parteien wollen diese Steuererleichterungen in irgendeiner Form verlängern: Die Republikaner wollen sie gerne unverändert weiterlaufen lassen, Obamas Demokraten wollen die Steuererleichterungen jedoch an ein Einkommensmaximum koppeln ˆ wer über 250.000 USD verdient, solle keine Steuererleichterungen erhalten. Ich sehe es als absolut notwendig an, die Steuererleichterungen in irgendeiner Form fortzusetzen. Denn die USA sind ein Land, das seit jeher stark von der Binnenkonjunktur abhing. Doch woher soll die inländische Nachfrage kommen: Es gibt mehr Arbeitslose denn je, aus den Arbeitseinkommen kann also kein besonderer Impuls erwartet werden. Millionen Häuser befinden sich in der Zwangsvollstreckung, die Immobilienpreise verharren auf niedrigem Niveau, aus Immobilienpreisgewinnen kann also auch kein Impuls erwartet werden. Bleibt die Börse. 90 Mio. US-Amerikaner setzen mit ihrer Altersvorsorge auf die Aktienbörse. Bricht die Börse ein, so bricht der inländischen Wirtschaft also auch noch das dritte und letzte Standbein weg. Steigt die Börse, dann können 90 Mio. Amerikaner täglich ihrem Depotauszug entnehmen, dass sie wieder ein Stückchen reicher geworden sind. Und das verleitet zum Konsum. Denn wenn die finanzielle Zukunft gesichert ist, dann braucht man heute nicht mehr so viel zu sparen. Obama hat heute schon den Republikanern Gesprächsbereitschaft signalisiert. Es wird in meinen Augen richtungsweisend sein, wie diese Gespräche ausgehen werden. Zeigt sich Obama als harter Verhandlungspartner, so werden wir auch in Zukunft damit rechnen dürfen, dass er seine Sache durchboxen will und dafür eine zweite Legislaturperiode dran gibt.
OBAMA ZWINGT FED ZU QE 2
Neben Obama, der für seine Sache kämpft, gibt es einen zweiten Mann, der sich um die Konjunktur kümmern kann: Bernanke. Der US-Notenbankvorsitzende Ben Bernanke fährt eine abenteuerliche Geldpolitik. Der Leitzins auf Rekordtief, zusätzlich werden Staatsanleihen direkt aufgekauft, ein Instrument, das der EZB untersagt ist. Es bedeutet letztlich nichts anderes als das von uns in Europa, besonders in Deutschland, gefürchtete ≥Geld drucken„. Wenn die US-Regierung keinen Käufer mehr für ihre zur Deckung der Neuverschuldung ausgegebenen Staatsanleihen findet, dann druckt die Fed eben ein paar US-Dollar mehr und kauft damit diese Papiere. Aus dem Nichts wird Geld geschaffen. Am Mittwoch gab Bernanke bekannt, in den nächsten acht Monaten insgesamt 600 Mrd. USD für diese Zwecke bereitzustellen. Es ist nicht das erste Mal, Anfang 2009, als die Finanzkrise auf ihrem Höhepunkt war, kaufte er schon mal gigantische Summen an Staatsanleihen auf, mit dem Versprechen, das Geld sobald wie möglich wieder aus dem Markt zu ziehen. Nun stellt sich heraus, dass er das Geld nicht mehr aus dem Markt ziehen kann, im Gegenteil, er stockt nochmals auf. Eine Inflationsrate von unter 2% gilt in den USA bereits als kritisch und so sieht sich Bernanke gezwungen, weitere Liquidität in den Markt zu pumpen, um eine gefährliche Deflationsspirale zu vermeiden.
Nun, nicht umsonst trägt er den Spitznamen ≥Helikopter-Ben„: Er hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, zur Not sprichwörtlich Geld aus dem Helikopter über das Volk zu verteilen, um eine Deflation zu vermeiden. Es ist soweit. So sind in den USA die Aufgaben anders verteilt als in Europa. Die EZB ist ausschließlich für die Geldwertstabilität verantwortlich und zeigt mit dem Finger auf die Politik, wenn die Arbeitslosigkeit zu hoch ist oder die Wirtschaft nicht anspringt. In den USA gehört neben der Geldwertstabilität auch noch ein hoher Beschäftigungsstand zum Fokus der Notenbank. Wenn die Politik entscheidet, Probleme grundlegend zu bearbeiten, ohne Rücksicht auf die (hoffentlich nur kurzfristigen) Kosten, dann muss die Notenbank den Spagat zwischen Geldwertstabilität und Arbeitslosigkeit schaffen. Und dank der Größe des Landes, sowie der exponierten internationalen Bedeutung des US-Dollars, können es sich die Amerikaner erlauben, ihre Geldpolitik zunächst an der inländischen Arbeitsmarktentwicklung auszurichten. So haben wir in den USA also einen wild agierenden Präsidenten, der sich der Sache verschrieben fühlt, ungeachtet der kurzfristig belastenden Wirkung für den Arbeitsmarkt und einen Notenbankpräsidenten, der bei der Wahl zwischen Geldwertstabilität und Arbeitsmarktförderung lieber die Notenbankpresse anwirft, um dem inländischen Arbeitsmarkt zu helfen. Die Zwischenwahlen werden Obama ein wenig bremsen. Doch wird das reichen, um die Staatsfinanzen wieder in den Griff zu bekommen oder wird sich Obama als harter Knochen erweisen und ungeachtet seiner Chancen zur Wiederwahl weiterhin für seine Sache kämpfen? Eine Einschätzung dazu habe ich im nächsten Kapitel vorgenommen.