Alexion: Medikamente für extrem seltene Krankheiten
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
13.03.2014
Extrem seltene Krankheiten finden kaum Beachtung in der Forschung, da die hohen Forschungsaufwendungen aufgrund der geringen Zahl an zu behandelnden Patienten kaum eingespielt werden können. Dieses Manko wurde vor einigen Jahren erkannt und viele Länder forschen nun gerade diesen Bereich. Alexion ist führend in der Entwicklung von solchen Medikamenten. Gelingt es Alexion, erste Erfolge zu wiederholen, werden wir in Alexion künftig einen Weltkonzern sehen. Doch das Risiko der Forschung ist stets schwer zu berechnen.
BIOPHARMA MIT ENZYMEN FÜR SPEZIELLE FORSCHUNGSERFOLGE
Alexion ist ein Biotech-Unternehmen, das nach Medikamenten für extrem seltene Krankheiten forscht. Das Thema ist in den vergangenen Jahren ins Bewusstsein der Politik gerückt, und Alexion ist spezialisiert auf sehr individuelle Forschungen, ohne die hohen Kosten zu scheuen. 2007 hat Alexion Soliris auf den Markt gebracht, ein Medikament gegen PNH, eine seltene und lebensbedrohliche Blutkrankheit. In den vergangenen Quartalen haben Forschungserfolge insbesondere üppige Fördergelder fließen lassen, die Aktie hat sich seit 2007 vervielfacht, allein seit Mitte 2013 verdoppelt.MEDIKAMENTE FÜR EXTREM SELTENE KRANKHEITEN
„Orphan drugs" heißt es einfach im Englischen: Medikamente für extrem seltene Krankheiten. Von uns 80 Millionen Deutschen haben etwa 4 Millionen Diabetes. Man spricht da von einer Volkskrankheit. Wenn bis zu 52.000 Menschen in Deutschland eine Krankheit haben, spricht man von einer seltenen Krankheit, deren Bezeichnung Sie vermutlich noch nie gehört haben.Als „extrem selten" (ulta rare) bezeichnet man Krankheiten, die nur bei 0,02% der Bevölkerung vorkommen, also in Deutschland bei weniger als 1.600 Menschen. Diese Menschen durchlaufen schon bei der Diagnose einen wahren Marathon an Arztbesuchen. Durchschnittlich 7,2 Diagnosen werden gestellt, bis eine extrem seltene Krankheit endlich richtig diagnostiziert ist. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie frustrierend das für die Patienten ist, nicht zu vergessen von dem Zeitverlust bis zu einer sinnvollen Behandlung.
Behandlungsmethoden und Medikamente sind Mangelware in unserer Wirtschaft. Pharma-Konzerne konzentrieren sich in der Forschung auf Volkskrankheiten, weil dort der zukünftige Absatzmarkt natürlich viel größer ist. Bei extrem seltenen Krankheiten betragen die jährlichen Behandlungskosten nicht selten über 300.000 Euro. Nur wenige Patienten haben entsprechende Krankenversicherungen, die sich das leisten wollen.
KOSTENÜBERNAHME FÜR BEHANDLUNG IN EUROPA UND DEN USA
In den USA und in Europa hat man das Problem erkannt und klassifiziert inzwischen die Krankheiten. Die Behandlung von als extrem selten klassifizierten Krankheiten wird in vielen Ländern auf Antrag zu einem großen Teil aus Staatsmitteln bzw. von staatlichen Krankenkassen übernommen. Damit wurde eine Nische geschaffen, in der sich spezialisierte Unternehmen wie Alexion eingenistet haben.Der Vorteil für Alexion: Es gibt inzwischen genaue Richtlinien, für welche extrem seltenen Krankheiten die Kostenübernahme vorgesehen ist. Der Nachteil: Die Beantragung und Genehmigung dauert sehr lange, es vergehen häufig Jahre bis Alexion endlich Geld sieht. Zudem muss dieser Antrag in jedem Land gesondert gestellt und bearbeitet werden.
Bei Kosten von bis zu 300.000 Euro je Behandlungsjahr und je Patient lohnt es sich, staatlichen Mitteln hinterherzulaufen. Doch nicht viele Unternehmen haben die finanzielle Ausdauer, die Behandlungskosten so lange vorzustrecken. Alexion ist mit seiner Marktkapitalisierung von inzwischen 24 Mrd. USD eines der größten Biopharma-Unternehmen für extrem seltene Krankheiten.
VON DER EINTAGSFLIEGE ZUM WELTWEITEN FORSCHUNGSZENTRUM
Soliris heißt das Medikament, mit dem Alexion derzeit 25-30% Umsatzwachstum p.a. und über 30% Gewinnwachstum erzielt. Auf Enzymebene hat das Biotech-Unternehmen unter Beweis gestellt, extrem spezielle Anforderungen umsetzen zu können.Nun forscht Alexion an weiteren Krankheiten, die insbesondere das menschliche Blut betreffen und Auswirkungen auf Nieren haben, Transplantationsprobleme erzeugen oder gar zu Krebs führen. Dabei profitiert Alexion derzeit gleich noch von einer zweiten Entwicklung: Etablierte Pharma-Konzerne suchen nach Knowhow im Biotech-Bereich. Kurz gesagt: Es gibt Gerüchte, dass Alexion von einer Reihe von Pharma-Unternehmen als Übernahmekandidat im Auge behalten wird.
Sollte es Alexion gelingen, den Forschungserfolg von Soliris bei ein oder zwei weiteren Blutkrankheiten zu wiederholen, dann wird das Geschäft schon sehr schnell in die derzeit hohe Bewertung hineinwachsen, für Pharma-Unternehmen ist es dann zu spät für eine Übernahme. Doch auch für Alexion gilt: Klinische Testphasen müssen durchlaufen (und finanziert) werden, und der Ausgang ist zumeist bis zum letzten Tag ungewiss.
BEWERTUNGSNIVEAU EXORBITANT HOCH
Alexion ist nichts für einen Value-Investor. Die 1,5 Mrd. USD Jahresumsatz werden derzeit mit 35 Mrd. USD Marktkapitalisierung versehen, also dem 23-fachen. Das KGV steht bei 140.Aber die Grundlagenforschung ist erfolgreich absolviert, weitere Forschungserfolge lassen sich nun, nach Meinung optimistischer Anleger, mit weniger Kapital wiederholen. Schon für 2015 wird bei der erwarteten Geschäftsentwicklung das KGV auf 34 sinken, ein vertretbares Niveau bei der Wachstumsrate von über 30% im Gewinn.
Sollte dann noch ein zweites oder gar drittes Medikament erfolgreich zugelassen werden, dann wird sich dieses Bewertungsniveau als äußerst günstig herausstellen... „sollte" – denn wir wissen nicht, ob das gelingen wird.
In meinen Augen ist der Zug der möglichen Übernahme durch etablierte Pharma-Konzerne bereits abgefahren, dieses Bewertungsniveau kann sich kein Pharma-Unternehmen leisten. Die Bilanz von Alexion ist prall gefüllt mit knapp dem Gegenwert eines Jahresumsatzes (1,5 Mrd. USD) an Nettoliquidität. Solange die Erfolgsserie des Unternehmens bei der Zulassung von Soliris in immer neuen Ländern sowie bei den neuen Forschungsergebnissen anhält, wird die Aktie kein Halten kennen.
Vielleicht ist die Aktie genau das richtige für Momentum-Jäger: Spekulanten also, die auf einen angefahrenen Zug aufspringen und ihre Position mit engem Stopp-Loss absichern. Für ein überzeugtes, langfristiges Investment fehlt mir allerdings die Bestätigung des Forschungserfolgs durch zumindest ein zweites zugelassenes Medikament.