Zweifel an Kompetenz der Fed-Cheffin Janet Yellen

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 28.03.2014
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Puh, so eine heftige Rotation habe ich noch nicht erlebt. Janet Yellen hat die Bewegung ausgelöst, wie ich Ihnen bereits mehrfach schrieb. Doch inzwischen kommen bei Anlegern Zweifel auf, wie weit man sich auf diese Dame verlassen kann. Entsprechend nimmt die Rotation immer willkürlichere Züge an. Gehen wir die Geschehnisse also einmal im Einzelnen durch: Vor einer Woche hat die neue US-Fed-Chefin Janet Yellen eine grobe Schätzung für die erste Leitzinsanhebung ausgegeben, die mit Frühjahr 2015 deutlich früher liegt als der bislang erwartete Termin im Sommer 2015. Anleger haben dort hineininterpretiert, dass es der US-Konjunktur besser geht als befürchtet.


Zu einem Zeitpunkt, wo Sanktionen gegen Russland die zarte EU-Konjunktur schädigen könnten und China nur noch schwache Konjunkturdaten veröffentlicht, war diese Zuversicht völlig überraschend. Anleger hatten befürchtet, dass die US-Konjunktur durch China und Europa ebenfalls in den Abgrund gezogen werden könnte. Nun herrscht jedoch Zuversicht, dass die USA den Rest der Welt aus dem Konjunkturtief werden ziehen können.
 

Welch eine Wende

Haben Anleger sich eben noch auf Wachstumstitel gestürzt, die sekuläre Trends bedienten, werden nun plötzlich günstig bewertete zyklische Aktien gekauft.

Sekuläre Wachstumstrends sind Entwicklungen, die ungeachtet der Konjunkturzyklen Einzug in unsere Gesellschaft und Wirtschaft halten. Die Cloud mit SaaS (Software as a Service: Salesforce.com, ServiceNow, Adobe, Workday, ...), das mobile Internet (Zillow, Yelp, Paylocity, Splunk, ...), die "Sozialisierung" des Internets (Facebook, Twitter, LinkedIn, Xing, ...) sind Themen, die uns in den vergangenen Monaten begeistert haben. Der Trend hält an, doch die inzwischen teilweise hoch bewerteten Aktien werden verkauft.

Biotech, die Pharmakonzerne von morgen, wird nunmehr ebenfalls links liegen gelassen, um alte Industrietitel ins Portfolio zu holen. Celgene, Gilead und Biogen Idec heißen die Firmen, die nunmehr verkauft werden.

Die Aussicht auf eine Welt voller Elektroautos wurde von Tesla genährt. Batterie- und Brennstoffzellen waren hoch im Kurs, schauen Sie sich die Aktien von Plug Power, Ballard Power und Fuel Cell Energy einmal an.

Netflix ist abgestürzt seit Amazon einen entsprechenden Dienst in sein Prime-Angebot integriert hat. Zudem kamen diese Woche Gerüchte auf, Apple verhandele mit Comcast über einen entsprechenden Dienst.

All diese Aktien, ich nenne sie einmal Highflyer aus 2013, stürzen nun ab. Analysten, die noch vor wenigen Wochen die langfristigen Aussichten von Facebook gelobt haben und ihr Kursziel in ungeahnte Höhen schraubten, bleiben nun still. Bei 72 USD wurde das Kursziel auf 90 oder 100 USD angeboten. Nunmehr, bei 61 USD herrscht Funkstille. Analysten trauen sich nicht, ihre Kaufempfehlung zu bestärken.
 

Schulter-Kopf-Schulter-Formation

Der Grund dafür ist ganz einfach: Wenngleich Analysten in der Regel fundamentale Betrachtungen anstellen, können sie charttechnische Entwicklungen nicht einfach ignorieren. Bei den Highflyern aus 2013 bildet sich derzeit so etwas wie eine Schulter-Kopf-Schulter-Formation, eine der wichtigsten Formationen der Charttechnik, die auf einen Trendwechsel hinweist. Wenn in den nächsten Tagen diese Formation vervollständigt wird, dann werden viele charttechnisch-orientierte Spekulanten die Aktien verkaufen und dadurch den Kurs weiter drücken, ungeachtet jeglicher fundamentaler Bewertungsansätze.

Der DAX ist diese Woche um 1,7% gestiegen. Der DAX besteht zu einem großen Teil aus Dividendentiteln, die natürlich von einem Konjunkturaufschwung profitieren würden. Ein weltweiter Konjunkturaufschwung, wie am Markt nunmehr erwartet, würde natürlich insbesondere der Exportnation Deutschland helfen. Nach dem Ausverkauf des DAX im Rahmen der Krim-Krise ist somit nunmehr die Gegenbewegung um so heftiger.
 

Die Wochengewinner im DAX heißen Dt. Post, BMW, SAP, Fresenius, K&S und Münchener Rück

Versuchen Sie dort einmal eine Logik zu finden - hoffnungslos. Es sind allesamt fair bewertete Unternehmen, bei denen ein Konjunkturaufschwung in besonderem Maße den Gewinn steigern würde. Es sind zyklische Unternehmen, die in den Krisenzeiten ihre Kosten so stark reduziert haben, dass sie zuletzt trotz schwieriger wirtschaftlicher Verfassung gute Gewinne ausweisen konnten. Ein kleines Umsatzplus durch einen Konjunkturaufschwung würde sich überproportional in einen steigenden Gewinn verwandeln.

Im TecDAX finden Sie auf der anderen Seite die größten Gewinner des vergangenen Jahres nunmehr auf der Verliererseite: BB Biotech, SMA Solar, LPKF Laser, Morphosys und Cancom konnten im vergangenen Jahr über 50% zulegen.

Schauen wir uns nochmal ein wenig international um: Freeport McMoRan (Kupfer) und Vale (Eisenerz) konnten kräftig zulegen. Caterpillar (Baumaschinen, auch für Minen) und Alcoa (Aluminium) legten kräftig zu. Heute ziehen plötzlich Henkel und Beiersdorf an, eine besondere Meldung gab es jedoch nicht. Es ist eine Reaktion auf den gestrigen Anstieg bei Colgate-Palmolive, bei Clorox und Procter & Gamble, die ebenfalls ohne besondere Neuigkeit zu steigen begannen.

Apple, Intel und Microsoft geraten wieder in den Fokus der Anleger. Sie profitieren von Ersatzinvestitionen, die im schwachen Konjunkturumfeld auf die lange Bank geschoben wurden. Jetzt werden diese Aktien plötzlich gekauft, weil auch dort jedes zusätzliche Umsatzplus zu einem überproportionalen Gewinnanstieg führt.

Nun gab es gestern in den USA noch die Ergebnisse des neuen Banken-Stresstests, und bis auf die Citigroup haben alle großen Banken mit Bravour bestanden. Aber eine entsprechend positive Reaktion blieb an den Aktienbörsen aus, denn steigende Zinsen am kurzen Ende flachen die Zinskurve ab, sofern die langfristigen Zinsen nicht ebenfalls steigen. Und nachdem man diese Möglichkeit eine Woche lang ignorierte, sorgte sie gestern für Druck auf die Banktitel.

So beobachte ich zunehmend in meinen Augen willkürliche Bewegungen: Bankaktien, Kosumentenartikler laufen plötzlich grundlos in die eine oder andere Richtung los. Ich schließe daraus, dass sich die erste Runde der heftigen Rotationsbewegung dem Ende neigt. Nun kommen erste Zweifel auf, ob die Rotation in dieser Intensität denn überhaupt richtig war.
 

WIE VERLÄSSLICH IST JANET YELLEN?

Yellen hat nicht mehr gesagt, als dass Sie mit einer ersten Zinsanhebung ca. 6 Monate nach der Beendigung von QE3 rechne. Circa lässt die Möglichkeit offen, auch schneller oder langsamer zu reagieren. Das Ende von QE3 (Tapering!) wird bei Beibehaltung der gegenwärtigen Drosselungsgeschwindigkeit in diesem Herbst erfolgen. Doch Yellen hat nicht ausgeschlossen, dass die Drosselungsgeschwindigkeit konjunkturellen Entwicklungen angepasst werden kann. Es ist also nichts weiter als eine Einschätzung, die sich auf die gegenwärtige Situation bezieht.

Derweil beruhigen sich die Gemüter um die Annexion der Krim durch Russland. Siemens-Chef Joe Kaeser hat diese Woche Putin besucht und das gute Verhältnis zu Russland betont. Kaeser hatte sich zuvor die Erlaubnis von Angela Merkel eingeholt, sich trotz der Spannungen mit Putin treffen zu dürfen. Für mich ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass die Spannungen in erster Linie verbal ausgetragen werden und nicht zu wirklich harten Sanktionen führen. Einzig Obama stört die inzwischen friedliche Stimmung immer wieder durch seine scharfen Attacken gegen Putin. Wird Obama hier über die Stränge schlagen?

Und seitens China ist die Stimmung nunmehr so schlecht, dass es kaum noch schlimmer werden kann: Es gab inzwischen Berichte über Zahlungsausfälle, Volkswirte erwarten nur noch ein Wirtschaftswachstum von eher 6% als 7%, und diese Woche wurde sogar von einem Bank-Run berichtet, der jedoch erfolgreich gemeistert wurde - die Bank hatte ausreichend Geld, um alle Kunden auszuzahlen.

Nachdem sich also in den zwei Vorwochen die Katastrophe nicht verwirklicht hat, kommt nun die Chance auf, dass sich die Situation besser entwickelt als befürchtet. Die Anleger, die in den vergangenen Tagen panisch verkauft haben, könnten nunmehr erneut auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn Janet Yellen Recht behält und die Aktienmärkte weiter steigen. Doch wird sie Recht behalten? Dieser Frage gehe ich in Kapitel 04 nach.

Und welche der ausverkauften Aktien werden dann eine schnelle Gegenbewegung erleben? Auch das werde ich in Kapitel 04 untersuchen.

Schauen wir uns nun einmal die Wochenperformance der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES



Der Einbruch des Baltic Dry Verschiffungsindex ist für mich ein weiteres Indiz für die Verwirrung am Markt. Der Index gibt extrem kurzfristig stark schwankende Spot-Preise an und ist dadurch eher ein Stimmungsindikator denn ein verlässliches Wirtschaftsbarometer. Und die Stimmung ist - verwirrt. Also geht die Wirtschaft in eine Warteposition über, was sich direkt in einen Einbruch am Spot-Markt wandelt.

Der Goldpreis ist um 2,8% gefallen. Sollte die Weltkonjunktur tatsächlich anziehen, dann sind jegliche Aktien besser als das tote Edelmetall. Wie gesagt: Bislang haben wir nur eine erste Reaktion gesehen. Wir müssen nun beurteilen, ob Yellen Recht hat oder nicht.

Der Anstieg im Ölpreis ist in meinen Augen ebenfalls schwer nachvollziehbar. Es gibt genug Öl, um auch eine anziehende Konjunktur zu versorgen. Politische Krisenherde beruhigen sich derzeit. Ich kann den Ölpreisanstieg derzeit nicht nachvollziehen, tue ihn also als Gegenbewegung zum vorhergehenden Ausverkauf ab.

1,3% Inflation in Japan und eine Arbeitslosenquote von nur noch 3,6%, damit ist die Inflation seit neun Monaten in Folge gestiegen und die Arbeitslosenquote auf einem Sechs-Jahres-Tief. Abenomics scheint zu funktionieren. Entsprechend ist der Nikkei, der zuvor aus Angst vor negativen Auswirkungen der Anhebung der Mehrwertsteuer von 5% auf 8% zum 1. April in den Vorwochen sehr schwach war, nunmehr kräftig angestiegen (+3,3%).
 

MICROSOFT: ZUM FENSTER RAUS MIT WINDOWS

Microsofts neuer CEO Satya Nadella hat seine Ambitionen gleich beim ersten Auftritt klar gemacht: "If you can't beat them, join them" - wenn Du Deine Wettbewerber nicht schlagen kannst, dann verbünde Dich mit ihnen. So hat er gestern endlich eine Microsoft-Version von Office für das iPad vorgestellt (Excel, Word & Powerpoint). Es gibt unzählige schlechte Apps, mit denen Sie Teile von Office auf dem iPad umsetzen können, doch keine zufriedenstellende und umfassende Lösung. Im Kampf um Marktanteile hat Microsoft versucht, seinen Trumpf auszuspielen und das iPad den professionellen Anwendern in großen Unternehmen vorzuenthalten.

Bill Gates und Steve Ballmer waren wohl zu stark gefangen im Wetteifer mit Apple. Nadella schert sich nicht um den Wettbewerb und um eine eventuelle Kannibalisierung des unternehmenseigenen Surface. Vielmehr wird er meines Erachtens durch diesen Schritt viele Kunden zu Microsoft zurückholen. Für die Nutzung von Office für das iPad benötigt man eine Office 365 Lizenz, also einen Saas (Software as a Service) - Vertrag, mit dem man sich bei Microsoft registriert und sodann einige weitere Dienste von Microsoft nutzen wird, beispielsweise die OneBox (Speicher in der Cloud).

Es ist eine neue Strategie für Office, und in dieser Strategie wird nicht "Windows" in jedem zweiten Satz erwähnt. Ich bin gespannt, wie lange Microsoft noch das Windows-Phone als alleinseeligmachend vertreibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch Microsoft auf Android umsteigt.

Windows ist, Angela Merkel würde sagen, alternativlos. Gleichzeitig ist es verhasst und schadet dem Image von Microsoft. Ich denke, dass Nadella die bisherige Konzentration des Konzerns auf Windows zurückfahren wird und neue Produkte, Cloud-Produkte oder beispielsweise auch die XBox, in den Vordergrund stellen wird. Die XBox ist unangefochten das technologische Spiele-Highlight in jedem Wohnzimmer. Warum nicht die XBox nutzen, um einen guten Start für das Internet der Dinge im Haushalt zu bekommen?

Also: Zum Fenster raus mit Windows und her mit einer neuen Strategie, die sich der vielen guten Produkte aus dem Hause Microsoft annimmt, ohne Rücksicht auf Windows zu nehmen. Die Aktie? KGV von 14 und Dividendenrendite von 2,8 bei neuer Wachstumsphantasie wird anfangen zu laufen.
 

FACEBOOK: MARK ZUCKERBERG NUTZT FACEBOOK ALS VENTURE CAPITALIST

19 Mrd. USD für WhatsApp, 2 Mrd. für die Virtual Reality Firma Oculus, die eine Brille entwickelt hat, in der Sie sich den Computerbildschirm anzeigen lassen können. Das besondere daran: Die angezeigte Bildschirmfläche bewegt sich, wenn Sie den Kopf bewegen. Für Spiele ist das der Hit, die Brille ist bereits vor ihrer Markteinführung 70.000 mal bestellt worden. Bei einem Preis von 300 USD je Brille ergibt sich ein Umsatzvolumen von 2,1 Mio. USD. Um den Einkaufspreis von 2 Mrd. umzusetzen, müsste die Brille 1.000 mal so häufig verkauft werden. Bei einer angenommenen Gewinnmarge von üppigen 40% je Brille ergibt sich noch immer eine Anzahl von 16 Mio. Brillen, die verkauft werden müssen, um diese Übernahme finanziell zu rechtfertigen. In den kommenden fünf Jahren ist damit nicht zu rechnen. Damit müsste diese Brille ein Erfolg werden, der dem des iPad ähnelt, um sich zu rechnen.

Oder anders herum gesagt: Zuckerberg schert sich nicht um Zahlen. Er bezahlt mit seiner Aktie und nicht mit Geld. Und seine Aktie wird von Anlegern geliebt. Die Verwässerung durch die Ausgabe neuer Aktien für diesen Kauf ist kleiner als 1%, wird also von Aktionären kaum bemerkt. Und Zuckerberg kauft sich damit ein Stück Zukunft, in meinen Augen für die Zeit nach dem Social-Hype, den wir derzeit durchlaufen.

Zuckerberg hat gesehen, wie schnell ein Internetangebot außer Mode geraten kann. AOL, Yahoo!, MySpace, ... niemand garantiert ihm, dass Facebook auch in fünf Jahren noch so beliebt ist wie heute. Warum also nicht ein paar Technologien kaufen, die erst in ein paar Jahren reif sind für den Massenmarkt. Er ist Anfang Dreißig, versteht die neuesten Entwicklungen vermutlich besser als die Manager der großen Fonds und der großen Unternehmen, die jahrzehntelang arbeiten mussten um nun mit Milliardenbeträgen um sich werfen zu dürfen. Zuckerberg ist der jüngste Geek (Tech-Fuzzi) mit so tiefen Taschen und diesen Vorteil nutzt er.

Wenn Sie also die Aktie von Facebook beurteilen möchten, dann können Sie meiner Ansicht nach jegliche Bewertungsansätze getrost vergessen. Sie müssen beurteilen, ob Zuckerberg das Zeug zu einem neuen Jeff Bezos (Amazon) oder Elon Musk (Tesla) hat.
 
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