Wer das alles bezahlen muss

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 22.07.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

„Die bösen Banken werden zur Kasse gebeten“, lese ich aus den Meldungen um die erneute Rettung Griechenlands heraus. Josef Ackermann sagt, seine Bank werde ganz schön schwer an der Last tragen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann dieses Possenspiel langsam nicht mehr sehen.


„Die Banken“ hätten einen wesentlich höheren Abschreibungsbedarf, als die symbolische Beteiligung, die gestern beschlossen wurde, wenn man Griechenland vor einem Jahr hätte pleite gehen lassen. Seither haben Banken griechische Anleihen im Wert von 35 Mrd. Euro an die EZB durchgereicht, die sich nun mit den faulen Papieren herumärgern darf. Gleichzeitig wird der verbleibende Rest der Griechenland-Anleihen von den restlichen Euro-Staaten garantiert.

Die EZB wiederum, die nur aufgrund des mächtigen Drucks aus der Politik vor einem Jahr begonnen hatte, die Ramsch-Anleihen aufzukaufen, sei „eingeknickt“, heißt es. Trichet werde nun doch gegen seinen Willen weitere griechische Anleihen aufkaufen, selbst wenn Griechenland vorübergehend zahlungsunfähig, also pleite, sei.

 

Ich lese aus dieser Meldung aber genau das Gegenteil heraus:

Trichet ist nicht eingeknickt, sondern er hat durchgesetzt, dass die durch die EZB in einem solchen Fall aufzukaufenden Ramsch-Anleihen durch die Euro-Länder garantiert werden.

Trichet hat immer gesagt, er werde keine Ramsch-Anleihen kaufen. Und wenn die Euro-Länder für die Griechenland-Anleihen garantieren, dann sind es auch keine Ramsch-Anleihen. Im Gegenteil, was könnte er sich Schöneres wünschen, als hochverzinsliche Papiere, die nun von der gesamten  Euro- Gemeinschaft garantiert werden.

Es ist schon irrwitzig, dass die gestern gefundene neue Rettungslösung mit Erleichterung aufgenommen wird. Die heftige Kritik am Rettungsschirm, einmal eingerichtet macht er sich selbständig und wächst mit Volumen und Aufgaben, hat sich als richtig herausgestellt. Wir werden nun ganz offiziell zu einer Transferunion. Sarkozy stellt sich stolz vor die Kameras und ruft laut, Griechenland werde ein Einzelfall bleiben. Für mich hört sich das nach einer Aufforderung an die Finanzmärkte an, sich jetzt wieder auf Irland und Portugal zu konzentrieren.

Was Ihren Autor am meisten grämt ist, dass die gestern gefundene Lösung selbst bei mir eine Erleichterung auslöst. Es ist in der Situation, in die uns Angela Merkel geritten hat, das kleinste Übel. Es bedeutet Chaos nicht heute, sondern erst in ein paar Jahren ... und bis dahin lässt sich an der Aktienbörse noch gut verdienen.

Erleichtert auch, weil die EZB nach ihrem Abenteuer des Aufkaufens von Staatsanleihen am Sekundärmarkt nunmehr noch gerade so Schlimmeres verhindert hat. Die zu erwartenden Abschreibungen auf die griechischen Anleihen werden nicht über die EZB zu einer Abwertung des Euros führen, der Euro hat also ein kleines bisschen seiner ursprünglichen Stärke zurückgewonnen.

Stattdessen werden die Abschreibungen auf griechische Papiere irgendwann über Steuererhöhungen bezahlt werden. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera: Euro-Abwertung oder Steueranhebung? Eine Euro-Abwertung wird vom Volk nicht so stark der falschen Politik zugeschrieben wie Steuererhöhungen, daher finde ich die zu erwartenden Steuererhöhungen besser, um uns vor Augen zu führen, was die Griechenland-Rettung wirklich kostet.

 

Übrigens, haben Sie diese Woche gelesen, dass der Soli für den Wiederaufbau der DDR auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer rechtens ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs?

Bei der Gelegenheit wurde auch gleich festgestellt, dass die Einnahmen aus dem Soli zweckfrei verwendet werden dürfen, also gar nicht für den Wiederaufbau verwendet werden müssen.

Genug Sarkasmus? Na, einen Absatz noch bitte: Gewinner sind also die Banken, die mit dem gestrigen Tag eine Abschreibungslawine verhindert haben. Gewonnen hat die EZB, die sich ein Stückchen Unabhängigkeit zurückerkämpft hat. Gewonnen haben die Griechen, die für ihre Misswirtschaft nun großzügig belohnt werden. Verloren haben die Steuerzahler, die irgendwann die Abschreibungen zu tragen haben und bis dahin besonders in Deutschland bereits höhere Zinsen auf die Staatsschulden zahlen müssen.

Was wäre besser gewesen? Nun, Griechenland rauskicken aus dem Euro-Verbund und direkt anschließend mit großzügigen Hilfspaketen den Wiederaufbau finanzieren. Viele griechische Unternehmen wären so in die Hände ausländischer Investoren gelangt. Das Preisniveau wäre in den Keller gerauscht, die Griechen hätten sich kaum noch deutsche Autos leisten können.

Doch das ist nun einmal der Preis für Misswirtschaft.

 

Die Verluste wären genau dort angefallen, wo missgewirtschaftet wurde oder wo unmoralisch hohe Renditen ohne Risiko eingestrichen wurden. Für anschließende Hilfsprogramme wäre dann genug Kapital in den Euro-Ländern vorhanden gewesen. Und, was viele gar nicht wissen, Griechenland hätte dafür zwar den Euro-Verbund verlassen, aber nicht den Euro abgeben müssen. Die Rückkehr zur Drachme, die immer als Damokles-Schwert geschwungen wurde, ist gar nicht erforderlich.

Unser alter Bundeskohl soll über seine Ziehtochter gesagt haben „Die macht mir mein Europa kaputt“. Recht hat er, aber mit der gestrigen Entscheidung wird es noch ein wenig dauern.

An den Börsen haben wir in den vergangenen zwei Wochen ein Wechselbad der Gefühle erlebt, wie es selten der Fall ist. Am einen Tag wird gejubelt, weil Präsident Obama staatsmännisch und sein Finanzminister glaubhaft versichern, eine Lösung des Defizitproblems sei nur eine Frage der Zeit. Am nächsten Tag wird vermeldet, dass wider Erwarten doch keine Einigung erzielt werden konnte. Somit ist am Tag danach die Bahn frei für den gemeinsamen Vorschlag von drei Demokraten und drei Republikanern, der vernünftig klingt und von der Presse sofort aufgegriffen wird. Doch auch hier dauert es nur einen Tag bis herausgefunden wird, dass außer vollmundigen Willenserklärungen nicht viel hinter dem Konzept steckt.

Hier in Europa haben Sie die Stimmungswechsel hautnah miterleben können: Merkel setzt sich durch, Sarkozy setzt sich durch, Einigung erzielt, keine endgültige Lösung möglich. Der Weg für einen Schuldenschnitt sei geebnet, die EZB-Mitglieder beginnen sich untereinander zu streiten, Italien, ... ach, ich will es gar nicht alles aufzählen. Wer in einem solchen Umfeld versucht, zu traden, der hat keine Chance auf Gewinne. Zu willkürlich sind die Meldungen, zu schnelllebig die Meinungen. 

Einzig ein wenig Besonnenheit hilft in einem solchen Marktumfeld. Die Überzeugung, dass die eigenen Aktien ansteigen werden, wenn das Chaos sich einmal lichtet. Und es wird sich lichten, das war in den vergangenen 5.000 Jahren immer so.

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