Währungsspannungen USA-EU

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 07.10.2010
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Was wir derzeit sehen, ist die unterschiedliche ideologische Ausrichtung der USA zu der der EU bzw. Deutschlands. Vergessen Sie bitte nicht, die Ausgestaltung des Euros haben wir Deutschen gegen den Widerstand fast aller anderen EU-Staaten durchgeboxt, und insbesondere die Franzosen lassen keine Gelegenheit aus, für einen stärkeren Einfluss der Politik bei der Geldpolitik zu plädieren. Doch bislang ohne Erfolg.


In der Geldtheorie ist inzwischen unbestritten, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer eine wichtige Komponente darstellen. Wenn wir in Europa von einer gewünschten Geldmengenausweitung von 2% sprechen, dann stellen sich die Menschen sowie die Unternehmen darauf ein. Investitionsrechnungen sowie Vorsorgeplanungen gehen von 2% Inflation aus, und entsprechend verhält man sich. Gleichermaßen wird in den USA eine etwas höhere Geldmengenausweitung und somit Inflationsrate toleriert, dort haben sich ebenfalls Wirtschaft und Privatanleger darauf eingestellt. Nun habe ich in der Heibel-Ticker Ausgabe vom Anfang dieser Woche gezeigt, dass der Wechselkurs nicht der Kaufkraftparität folgt sondern umgekehrt: Die Kaufkraftparität wird durch einen kontinuierlich abweichenden Wechselkurs beeinflusst. Wenn die USA also nachhaltig ihre US-Dollar verbilligen, dann haben sie dadurch einen Export-Vorteil auf den Weltmärkten. Im Landesinnern ändert sich kaum etwas bis auf die teurer einzukaufenden Rohstoffe und Güter. Diesem Umstand begegnen die USA mit immer höheren Schulden bzw. Außenhandelsdefiziten. Unterm Strich leben die US-Bürger somit kontinuierlich über ihre Verhältnisse. Wir Deutschen hingegen sind durch die Hyperinflation gebrandmarkt und empfinden daher eine zu hohe Inflation als Raub am Volksvermögen. Die dadurch erfolgende konjunkturelle Förderung wird nicht akzeptiert, Geldwertstabilität wird als wichtiger angesehen. Länder mit großen Deviseneinnahmen, wie China und andere Schwellenländer, sowie die Ölstaaten, legen ihre Devisen, also Außenhandelsüberschüsse, meist in US-Dollar an. Da diese Währung jedoch nachhaltig inflationiert wird, suchen sie händeringend nach Alternativen: Gold und Euro. Da das Euro- Volumen größer ist, als das Goldvolumen, steigt der Goldpreis auch gegenüber dem Euro an. Die Griechenlandkrise war ein Geschenk für die deutsche Exportwirtschaft. Die Stabilität des Euros wurde in Frage gestellt, der Euro brach kräftig ein und führte zu einem vorteilhaften Marktumfeld für deutsche Exportunternehmen. Doch dieser vorübergehende Vorteil ist nunmehr vorbei, der Wechselkurs zum US-Dollar ist inzwischen wieder von 1,20 auf 1,40 USD/EUR angesprungen. Zum einen hat die EZB Schritte eingeleitet, die eine nachhaltige Stabilität des Euros sichern sollen. So wird vehement versucht, die politische Unabhängigkeit der Geldpolitik zu festigen (gegen den Widerstand Frankreichs). Zum anderen zeigt die EZB, dass sie ihre Versprechen auch einhält. Die vorübergehende Liquiditätsspritze von vor zwei Jahren zur Überwindung der Finanzkrise wird nun wieder aus dem Markt genommen. In den USA sieht das ganz anders aus. Dort wird unter dem Schlagwort QE2 eine erneute Runde der konjunkturfördernden Liquiditätsspritze durch die Fed diskutiert. Die Fed hat, anders als die EZB, auch den Arbeitsmarkt auf ihrem Schirm und würde durch das anhaltende Aufkaufen von Staatsanleihen ein etwaiges erneutes Konjunkturprogramm der US-Regierung stützen. Mit QE2 beschreibt man also die zweite Runde des „quantitative easing“ – also der Liquiditätsspritze. Mit der ersten Runde bezeichnet man die Konjunkturprogramme und das Aufkaufen der zur Finanzierung ausgegebenen US-Staatsanleihen durch die Fed im Jahre 2008. Heute sitzen die weltweit wichtigsten Geldpolitiker gemeinsam mit dem IWF und der Weltbank zusammen, und während bis gestern noch nervenzehrende Themen über die verschiedenen Einflussmöglichkeiten und Machtpositionen erwartet wurden, explodiert heute plötzlich die ideologische Spannung zwischen den USA und der deutschen Linie. Die Währung werde als „Waffe“ benutzt. Tatsächlich ist es so, dass keine andere Region der Welt die Stirn hat, sich dem QE2 der USA, der kontinuierlichen Abwertung des US-Dollars, entgegen zu stellen. China hat die heimische Währung gleich an den US-Dollarwert gekoppelt, darüber sind die meisten asiatischen Länder ebenfalls mittelbar eine US-Dollarwährung. Japan hat gestern eine überraschende Leitzinssenkung vermeldet, von 0,1% auf 0-0,1%. Das Signal war deutlich, insbesondere da der Notenbankchef gleichzeitig verkündete, notwendigerweise weiterhin auch über Interventionen für einen billigen Yen zu sorgen. In England wird ebenfalls wieder über eine weitere Lockerung der Geldpolitik diskutiert. Ein fortwährender Abwertungswettlauf, wie er sich derzeit außerhalb der EU abzeichnet, würde zu weiter steigenden Inflationsraten führen, das Vertrauen der Menschen in die Wertstabilität würde irgendwann schwinden und der vielbefürchtete Run auf die Banken mit gleichzeitig explodierendem Goldpreis wäre gar nicht mehr so undenkbar. Sieger wären die Länder mit den größten Goldreserven, also die USA. Doch in Deutschland haben wir bereits zweimal im vergangenen Jahrhundert fast alle Ersparnisse verlosen: einmal in der Hyperinflation im November 1923 und zum zweiten Mal bei der Währungsreform nach dem zweiten Weltkrieg 1948. Profitiert haben diejenigen mit den höchsten Schulden und den größten Sachwerten. Die Umverteilung des Vermögens war nicht gerade fair, das Ergebnis würde ich eher als willkürlich bezeichnen. Auch wenn ich seit Anfang des Jahrtausends kontinuierlich zu Goldkäufen rate, würde ich es bevorzugen, wenn wir mit einer stabilen Währung weitermachen können. Eine stabile Währung hat den volkswirtschaftlichen Vorteil, dass Unternehmen und Menschen besser kalkulieren können und somit der Risikoaufschlag, der für eine ungewisse Inflationsentwicklung berücksichtigt würde, wegfällt. Es ist also tatsächlich volkswirtschaftlich vorteilhaft, eine stabile Währung zu haben. Doch dieser Vorteil wirkt sich nur langfristig aus, und in der Zwischenzeit muss man mit hoher Arbeitslosigkeit kämpfen, mit schwer zurückzahlbaren Krediten und dadurch eben mit einem Konsumverzicht. Etwas, das die Amerikaner gar nicht mögen. Hinter den Machtspielen und gegenseitigen Anschuldigungen, hinter den Drohungen und konjunkturpolitischen Entscheidungen steckt also im Kern eine tiefe ideologische Meinungsverschiedenheit zwischen den USA und Deutschland. Vielleicht bin ich als Deutscher bereits voreingenommen für die deutsche Sicht der Dinge. Vielleicht ist es nur zu natürlich, von Zeit zu Zeit über eine heftige Inflation für einen Neuanfang zu sorgen. Vielleicht sehe ich auch das kontinuierliche Leid nicht dramatisch genug, das eine feste Geldpolitik für die Bevölkerung mit sich bringt, und vielleicht ist der jahrelang überschäumende Konsum Belohnung genug für einige wenige Krisenjahre am Ende einer Hyperinflation. Ich weiß es nicht. Aber für mich sieht es so aus, dass die deutsche Linie die langfristig Vernünftige ist. Leider scheint Deutschland weltweit kaum Mitstreiter zu haben, und ob sich Deutschland alleine gegen die ganze Welt wird durchsetzen können, weiß ich nicht. Der IWF und die Weltbank haben sich heute zumindest einmal auf die deutsche Seite gestellt und fordern weltweit mehr Disziplin im Umgang mit der eigenen Währung. Das ist ein Dämpfer für alle Länder, die ihre Währung im Wettlauf entwerten, und darin sehe ich den Grund für den heutigen Wechselkurseinbruch des US- Dollars und aller anderen Währungen gegenüber dem Euro. Und natürlich würde ein Schwenk zum verantwortlichen Umgang mit der eigenen Währung auch die Goldpreisrallye beenden, daher notiert heute auch das Gold im Minus. Doch von mahnenden Worten bis zum Wechsel der Geldpolitik werden noch einige Jahre vergehen. Und wir können gespannt sein, wer sich durchsetzen wird.
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