Von Kapitalströmen und Öltankern

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 24.02.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Hey, ich kann auf meine Standardeinleitung verzichten: Das zweite Hilfspaket für Griechenland ist in trockenen Tüchern. Das Hilfspaket. Wenn Sie nach Griechenland fragen, dann erwarten die meisten Marktteilnehmer, dass das Drama bereits in diesem Jahr weitergehen wird.


 

STARKER EURO

 

Heute können wir uns aber anderen Themen zuwenden. Zum Beispiel

dem steigenden Ölpreis (+2,8% auf 123,90 USD/Fass) oder dem

steigenden Euro (+1,8% auf 1,34 USD/EUR). Wenn das

Griechenlandpaket nicht hilft, wie von vielen erwartet, dann

sollte die Welt doch, angeführt von Europa, untergehen. Oder?

Warum also steigt der Ölpreis, und warum strömt Geld nach

Europa?

 

Letzteres ist einfach, ersteres ist interessant. Beginnen wir

mit dem Einfachen: Die Welt hat nunmehr gesehen, dass Europa

tatsächlich, so wie seit Monaten und Jahren behauptet, zu

seinen Mitgliedern steht und Griechenland nicht fallen lässt.

Das schafft Vertrauen in den Euro, und noch immer gibt es

attraktive Renditen bei europäischen Staatsanleihen.

 

Mit einem Schuldenschnitt, freiwillig oder nicht, ist bei

Italien oder Spanien derzeit nicht zu rechnen, denn diese

beiden Länder verfügen über ausreichend Kapazitäten, sich

selbst aus dem Schlamassel zu helfen. Die Gefahr des

Auseinanderbrechens ist vorerst gebannt, und so gibt es

weltweit eine Menge Anleger, die ihr Kapital nun wieder in die

attraktive Verzinsung europäischer Staatsanleihen umlenken.

 

Und bevor ein Araber oder Amerikaner Euro-Staatsanleihen kaufen

kann, muss er sich Euro beschaffen. Das treibt den Euro-Kurs in

die Höhe. Mit dem Überwinden der 1,32 USD/EUR-Schwelle gibt es

nun Platz bis 1,37 USD/EUR.

 

Das Ende des „schwachen“ Euros beflügelt zugleich die US-

Wirtschaft, und so dürfte der Dow Jones in den kommenden Wochen

im Vergleich zum DAX recht gut laufen.

 

Doch kommen wir zum Ölpreis, hier gibt es tatsächlich

interessante Entwicklungen.

 

 

BILLIGE ÖLTANKERMIETEN

 

Die Euro-Schuldenkrise hat die Entwicklungen im Iran in den

Hintergrund gedrängt. Doch die dortigen Entwicklungen sind

nicht minder dramatisch. Der Iran hat inzwischen die

Atomkontrolleure wieder aus dem Land geworfen. Die

Öllieferungen an England und Frankreich wurden eingestellt, man

hat andere Abnehmer gefunden. Und die Rhetorik gegenüber dem

ewigen (aus iranischer Sicht) Fremdkörper in der arabischen

Welt, Israel, wird wieder schärfer.

 

So ist das Waffengerassel zwischen Israel und dem Iran schon

wieder auf einem hohen Niveau. Israel droht, was das Zeug hält:

Man werde die Atomanlagen im Iran ausschalten. Und ausgerechnet

die USA fallen Israel in den Rücken und sagen, dass das Land

dazu militärisch gar nicht in der Lage sei.

 

Derweil entwickelt der Iran eifrig seine Atombombe weiter.

 

Fragen darüber, ob es einen „richtigen Krieg“ überhaupt geben

kann, oder ob die Welt überhaupt das Recht hat, einem Land

Atomwaffen zu untersagen, können wir hier im Heibel-Ticker

nicht erschöpfend diskutieren. Wir können aber darüber

nachdenken, was wäre wenn...

 

...denn ich gehe davon aus, dass die Spannungen zwischen dem

Iran und Israel noch einige Wochen, wenn nicht Monate bestehen

bleiben. Und in dieser Zeit wird ein Krieg stets eine Option

sein, die immer wieder zur Sprache kommt.

 

Im Falle eines Krieges würde der Iran vermutlich seine Drohung

wahr machen, die Straße von Hormus zu blockieren, durch die

viele arabische Öllieferungen fahren müssen, um die westliche

Welt zu erreichen.

 

Die USA haben zwar angekündigt, dies nicht zuzulassen, doch

würde schon eine kurze Unterbrechung den Ölpreis in die Höhe

schnellen lassen.

 

Die europäische Wirtschaft ist alles andere als gesund, wenn

wir einmal von Deutschland absehen. Aus Europa kann die

Nachfrage nicht kommen, die derzeit gerade den Ölpreis für das

Nordseeöl in die Höhe katapultiert.

 

Die US-Wirtschaft berappelt sich gerade und hat sich auf ein

Preisniveau von 80-100 USD/Fass eingestellt. Das ist auch die

Preisspanne, die ich aus der arabischen Welt gehört habe.

 

Dennoch steigt der Ölpreis über diese Spanne hinaus und

wirtschaftlich nachvollziehbar ist der Anstieg in dieser Stärke

nicht. Nicht wirtschaftlich. Aber finanztechnisch!

 

Wieder einmal treten Finanzakteure als maßgebliche Nachfrager

auf. Nachfrager, die heute schon einen höheren Preis in der

Zukunft antizipieren und daher immer mehr für das Öl zahlen

können.

 

Sind es nur die Futures, die den Ölpreis machen? Nein, mir

wurde von Geschäften berichtet, die auf einer ganz anderen

Schiene laufen: Hedgefonds mieten Tanker und füllen diese bis

an den Rand mit Öl.

 

So ein Tanker fasst bis zu 3 Mio. Fässer Öl, was einem

Gegenwert von 372 Mio. USD entspricht. Die Miete für einen

solchen Tanker beträgt pro Tag derzeit unter 20.000 USD, weil

wir auch bei den Öltankern eine Flut von Zulassungen hatten.

Die Preise sind im Keller, wie wir bei den Schüttgutschiffen am

Baltic Dry sehen.

 

Auf das Jahr gerechnet betragen die Mietkosten weniger als 2%

der Ladung, was bei den heftigen Preisschwankungen des Öls

verschwindend gering ist. Sie können also davon ausgehen, dass

derzeit Hedgefonds bei Nordic American Tanker oder Frontline

anrufen und Angebote abgeben, die Tanker zu mieten. Die werden

dann mit Öl gefüllt und irgendwo vor Anker gelegt, wie wir das

in der Wirtschaftskrise 2007 / 2008 gesehen haben.

 

Solange der Konflikt zwischen Israel und dem Iran schwelt

können Sie von einem täglich steigenden Ölpreis ausgehen. Das

Risiko ist ja überschaubar: Weltweit werden staatliche

Sparprogramme aufgelegt, die insbesondere die Förderung

regenerativer Energien betreffen (siehe diese Woche Rösler und

Röttgen). Öl bleibt ein wichtiger Bestandteil des Energiemixes

in der Welt.

 

Und gleichzeitig scheint sich die Konjunktur nicht nur in den

USA zu berappeln, auch in den Schwellenländern läuft es wieder

besser. Und in Europa haben wir nun eine Lösung, da ist es nur

noch eine Frage der Zeit, bis unsere Wirtschaft auch wieder

anzieht. Einen Ölpreiseinbruch von 147 auf 36 USD/Fass binnen

weniger Wochen, wie wir es 2008 erlebt haben, dürfte sich

derzeit nicht wiederholen.

 

 

GESUNDE UNTERNEHMEN

 

Wir haben also die Gefahr eines höheren Ölpreises vor Augen,

und dennoch flirtet der Dow Jones mit Mehrjahreshochs, der DAX

nimmt Anlauf auf die 7.000er Marke. Wie kommt es, dass die

Gefahr aus dem Nahen Osten so ignoriert werden kann?

 

Im Jahr 2011 haben wir zu solchen Gelegenheiten immer gleich

zwei Crashs erlebt: Zum ersten Mal, wenn sich eine Gefahr

abzeichnete und dann nochmals, wenn sie dann eingetreten ist.

 

Denken Sie nur an die Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA,

an die steigenden Zinsen für spanische und italienische

Staatsanleihen, an die unzähligen Verhandlungen und Probleme

mit den Griechen, an die US-Schuldengrenze, die fast zur

Zahlungsunfähigkeit der USA geführt hätte, ...

 

Das Jahr 2012 reagiert auf solche Gefahren völlig ignorant. Und

jetzt muss ich mich als Börsenbriefautor für eine Meinung

entscheiden. Entweder ich schreibe, dass diese Gefahren sich

„bis jetzt“ noch nicht an der Börse niedergeschlagen haben,

wiege bedächtig meinen Kopf und weise auf all die strukturellen

Defizite Europas hin. Oder ich erkenne, dass Anleger den

Unternehmen zutrauen, in diesen Strukturen Geld zu verdienen.

 

Sie kennen mich ja als unverbesserlichen Optimisten und können

Sie sich vorstellen, dass ich mich für die zweite Option

entscheide. Damit laufe ich nun Gefahr, von unzähligen

Kritikern als naiv, blauäugig und vielleicht sogar dumm

bezeichnet zu werden, denn Bedenkenträger haben sich in den

vergangenen zwölf Jahren zu wahrhaften Gurus entwickelt.

 

Doch ich bin davon überzeugt, dass es eine ganze Menge Chancen

für uns als Anleger gibt, von der derzeitigen Rallye an den

Börsen zu profitieren.

 

Schauen Sie sich im heutigen TV-Interview das Geschäft von Hugo

Boss an, ein Unternehmen, das unter der schwachen Konjunktur

und den hohen Rohstoffpreisen hätte leiden müssen. Die Gewinne

sprudeln wie nie zuvor! Hugo Boss hat seine Hausaufgaben

gemacht und verdient ungeachtet des stets nahen Endes der Welt

hervorragend.

 

Also: Ja, der Konflikt im Iran, der steigende Ölpreis, der

steigende Euro, die nächste Staatsanleihenauktion im Euroland,

... es gibt vieles, das schief gehen kann und einiges davon

wird wohl auch passieren. Die Börse wird dann heftig einbrechen

– doch in meinen Augen nicht wieder in einen Abwärtstrend

verfallen, sondern bestenfalls günstige Kaufgelegenheiten

bieten.

 

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche

entwickelt haben:

 

 

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

 

INDIZES               23.02.12 DIFF

Dow Jones              12.985       0,6%

DAX                     6.809       0,9%

Nikkei                  9.647       2,8%

Euro/US-Dollar          1,338       1,8%

Euro/Yen              107,805       3,7%

10-Jahres-US-Anleihe     1,98%      0,0

Umlaufrendite Dt         1,59%      0,0

Feinunze Gold USD   $1.778,90       2,6%

Fass Brent Öl USD     $123,90       2,8%

Kupfer in US$/to        8.363      -0,3%

Baltic Dry Shipping I     706      -2,4%

 

 

Nicht nur gegenüber dem US-Dollar legte der Euro zu, sondern

noch mehr gegenüber dem japanischen Yen. Dort zeigt das neue

Liquiditätsprogramm der dortigen Notenbank Wirkung, endlich

wird der Yen etwas schwächer. Der Nikkei dankt es mit einem

Plus von 2,8%.

 

Privatanleger sind in Jubellaune während Analysten überwiegend

neutral agieren, wie Sie den folgenden Sentiment-Daten

entnehmen können:

 

 

SENTIMENTDATEN

 

Analysten

Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

 

Kaufen / Verkaufen

03.02.- 10.02. (288): 46% / 13%

10.02.- 17.02. (302): 48% / 11%

17.02.- 24.02. (251): 49% /  9%

 

Kaufempfehlungen der Analysten

Fresenius SE, Allianz, Alstria Office REIT

 

Verkaufsempfehlungen der Analysten

Telefonica, Belgacom, Hermes Intl.

 

Privatanleger

06. KW: 49% Bullen (160 Stimmen)

07. KW: 70% Bullen (130 Stimmen)

08. KW: 67% Bullen (131 Stimmen)

 

Kaufempfehlungen der Privatanleger

Vallourec, SEB, Commerzbank

 

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger

Renault, Ubisoft Entertainment, Solarworld

 

Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise

erstellt:

http://www.sharewise.com?heibel

 

 

Im heutigen Ausblick habe ich mich um die Schlagworte Cloud,

Datenzentren, Virtualisierung und schnellere Datennetze

gekümmert. Eine Spekulation ist dabei herausgekommen, die schon

in den nächsten Wochen aufgehen könnte. Doch wichtiger ist es,

diese neue Welt der Technologie verstehen zu lernen.

 

Es ist nicht leicht und sicherlich kann ich keinen kompletten

Überblick geben. Doch ein paar Bereiche sollten durch meine

Ausführungen klarer werden.

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