Von Kapitalströmen und Öltankern
Hey, ich kann auf meine Standardeinleitung verzichten: Das zweite Hilfspaket für Griechenland ist in trockenen Tüchern. Das Hilfspaket. Wenn Sie nach Griechenland fragen, dann erwarten die meisten Marktteilnehmer, dass das Drama bereits in diesem Jahr weitergehen wird.
STARKER EURO
Heute können wir uns aber anderen Themen zuwenden. Zum Beispiel
dem steigenden Ölpreis (+2,8% auf 123,90 USD/Fass) oder dem
steigenden Euro (+1,8% auf 1,34 USD/EUR). Wenn das
Griechenlandpaket nicht hilft, wie von vielen erwartet, dann
sollte die Welt doch, angeführt von Europa, untergehen. Oder?
Warum also steigt der Ölpreis, und warum strömt Geld nach
Europa?
Letzteres ist einfach, ersteres ist interessant. Beginnen wir
mit dem Einfachen: Die Welt hat nunmehr gesehen, dass Europa
tatsächlich, so wie seit Monaten und Jahren behauptet, zu
seinen Mitgliedern steht und Griechenland nicht fallen lässt.
Das schafft Vertrauen in den Euro, und noch immer gibt es
attraktive Renditen bei europäischen Staatsanleihen.
Mit einem Schuldenschnitt, freiwillig oder nicht, ist bei
Italien oder Spanien derzeit nicht zu rechnen, denn diese
beiden Länder verfügen über ausreichend Kapazitäten, sich
selbst aus dem Schlamassel zu helfen. Die Gefahr des
Auseinanderbrechens ist vorerst gebannt, und so gibt es
weltweit eine Menge Anleger, die ihr Kapital nun wieder in die
attraktive Verzinsung europäischer Staatsanleihen umlenken.
Und bevor ein Araber oder Amerikaner Euro-Staatsanleihen kaufen
kann, muss er sich Euro beschaffen. Das treibt den Euro-Kurs in
die Höhe. Mit dem Überwinden der 1,32 USD/EUR-Schwelle gibt es
nun Platz bis 1,37 USD/EUR.
Das Ende des „schwachen“ Euros beflügelt zugleich die US-
Wirtschaft, und so dürfte der Dow Jones in den kommenden Wochen
im Vergleich zum DAX recht gut laufen.
Doch kommen wir zum Ölpreis, hier gibt es tatsächlich
interessante Entwicklungen.
BILLIGE ÖLTANKERMIETEN
Die Euro-Schuldenkrise hat die Entwicklungen im Iran in den
Hintergrund gedrängt. Doch die dortigen Entwicklungen sind
nicht minder dramatisch. Der Iran hat inzwischen die
Atomkontrolleure wieder aus dem Land geworfen. Die
Öllieferungen an England und Frankreich wurden eingestellt, man
hat andere Abnehmer gefunden. Und die Rhetorik gegenüber dem
ewigen (aus iranischer Sicht) Fremdkörper in der arabischen
Welt, Israel, wird wieder schärfer.
So ist das Waffengerassel zwischen Israel und dem Iran schon
wieder auf einem hohen Niveau. Israel droht, was das Zeug hält:
Man werde die Atomanlagen im Iran ausschalten. Und ausgerechnet
die USA fallen Israel in den Rücken und sagen, dass das Land
dazu militärisch gar nicht in der Lage sei.
Derweil entwickelt der Iran eifrig seine Atombombe weiter.
Fragen darüber, ob es einen „richtigen Krieg“ überhaupt geben
kann, oder ob die Welt überhaupt das Recht hat, einem Land
Atomwaffen zu untersagen, können wir hier im Heibel-Ticker
nicht erschöpfend diskutieren. Wir können aber darüber
nachdenken, was wäre wenn...
...denn ich gehe davon aus, dass die Spannungen zwischen dem
Iran und Israel noch einige Wochen, wenn nicht Monate bestehen
bleiben. Und in dieser Zeit wird ein Krieg stets eine Option
sein, die immer wieder zur Sprache kommt.
Im Falle eines Krieges würde der Iran vermutlich seine Drohung
wahr machen, die Straße von Hormus zu blockieren, durch die
viele arabische Öllieferungen fahren müssen, um die westliche
Welt zu erreichen.
Die USA haben zwar angekündigt, dies nicht zuzulassen, doch
würde schon eine kurze Unterbrechung den Ölpreis in die Höhe
schnellen lassen.
Die europäische Wirtschaft ist alles andere als gesund, wenn
wir einmal von Deutschland absehen. Aus Europa kann die
Nachfrage nicht kommen, die derzeit gerade den Ölpreis für das
Nordseeöl in die Höhe katapultiert.
Die US-Wirtschaft berappelt sich gerade und hat sich auf ein
Preisniveau von 80-100 USD/Fass eingestellt. Das ist auch die
Preisspanne, die ich aus der arabischen Welt gehört habe.
Dennoch steigt der Ölpreis über diese Spanne hinaus und
wirtschaftlich nachvollziehbar ist der Anstieg in dieser Stärke
nicht. Nicht wirtschaftlich. Aber finanztechnisch!
Wieder einmal treten Finanzakteure als maßgebliche Nachfrager
auf. Nachfrager, die heute schon einen höheren Preis in der
Zukunft antizipieren und daher immer mehr für das Öl zahlen
können.
Sind es nur die Futures, die den Ölpreis machen? Nein, mir
wurde von Geschäften berichtet, die auf einer ganz anderen
Schiene laufen: Hedgefonds mieten Tanker und füllen diese bis
an den Rand mit Öl.
So ein Tanker fasst bis zu 3 Mio. Fässer Öl, was einem
Gegenwert von 372 Mio. USD entspricht. Die Miete für einen
solchen Tanker beträgt pro Tag derzeit unter 20.000 USD, weil
wir auch bei den Öltankern eine Flut von Zulassungen hatten.
Die Preise sind im Keller, wie wir bei den Schüttgutschiffen am
Baltic Dry sehen.
Auf das Jahr gerechnet betragen die Mietkosten weniger als 2%
der Ladung, was bei den heftigen Preisschwankungen des Öls
verschwindend gering ist. Sie können also davon ausgehen, dass
derzeit Hedgefonds bei Nordic American Tanker oder Frontline
anrufen und Angebote abgeben, die Tanker zu mieten. Die werden
dann mit Öl gefüllt und irgendwo vor Anker gelegt, wie wir das
in der Wirtschaftskrise 2007 / 2008 gesehen haben.
Solange der Konflikt zwischen Israel und dem Iran schwelt
können Sie von einem täglich steigenden Ölpreis ausgehen. Das
Risiko ist ja überschaubar: Weltweit werden staatliche
Sparprogramme aufgelegt, die insbesondere die Förderung
regenerativer Energien betreffen (siehe diese Woche Rösler und
Röttgen). Öl bleibt ein wichtiger Bestandteil des Energiemixes
in der Welt.
Und gleichzeitig scheint sich die Konjunktur nicht nur in den
USA zu berappeln, auch in den Schwellenländern läuft es wieder
besser. Und in Europa haben wir nun eine Lösung, da ist es nur
noch eine Frage der Zeit, bis unsere Wirtschaft auch wieder
anzieht. Einen Ölpreiseinbruch von 147 auf 36 USD/Fass binnen
weniger Wochen, wie wir es 2008 erlebt haben, dürfte sich
derzeit nicht wiederholen.
GESUNDE UNTERNEHMEN
Wir haben also die Gefahr eines höheren Ölpreises vor Augen,
und dennoch flirtet der Dow Jones mit Mehrjahreshochs, der DAX
nimmt Anlauf auf die 7.000er Marke. Wie kommt es, dass die
Gefahr aus dem Nahen Osten so ignoriert werden kann?
Im Jahr 2011 haben wir zu solchen Gelegenheiten immer gleich
zwei Crashs erlebt: Zum ersten Mal, wenn sich eine Gefahr
abzeichnete und dann nochmals, wenn sie dann eingetreten ist.
Denken Sie nur an die Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA,
an die steigenden Zinsen für spanische und italienische
Staatsanleihen, an die unzähligen Verhandlungen und Probleme
mit den Griechen, an die US-Schuldengrenze, die fast zur
Zahlungsunfähigkeit der USA geführt hätte, ...
Das Jahr 2012 reagiert auf solche Gefahren völlig ignorant. Und
jetzt muss ich mich als Börsenbriefautor für eine Meinung
entscheiden. Entweder ich schreibe, dass diese Gefahren sich
„bis jetzt“ noch nicht an der Börse niedergeschlagen haben,
wiege bedächtig meinen Kopf und weise auf all die strukturellen
Defizite Europas hin. Oder ich erkenne, dass Anleger den
Unternehmen zutrauen, in diesen Strukturen Geld zu verdienen.
Sie kennen mich ja als unverbesserlichen Optimisten und können
Sie sich vorstellen, dass ich mich für die zweite Option
entscheide. Damit laufe ich nun Gefahr, von unzähligen
Kritikern als naiv, blauäugig und vielleicht sogar dumm
bezeichnet zu werden, denn Bedenkenträger haben sich in den
vergangenen zwölf Jahren zu wahrhaften Gurus entwickelt.
Doch ich bin davon überzeugt, dass es eine ganze Menge Chancen
für uns als Anleger gibt, von der derzeitigen Rallye an den
Börsen zu profitieren.
Schauen Sie sich im heutigen TV-Interview das Geschäft von Hugo
Boss an, ein Unternehmen, das unter der schwachen Konjunktur
und den hohen Rohstoffpreisen hätte leiden müssen. Die Gewinne
sprudeln wie nie zuvor! Hugo Boss hat seine Hausaufgaben
gemacht und verdient ungeachtet des stets nahen Endes der Welt
hervorragend.
Also: Ja, der Konflikt im Iran, der steigende Ölpreis, der
steigende Euro, die nächste Staatsanleihenauktion im Euroland,
... es gibt vieles, das schief gehen kann und einiges davon
wird wohl auch passieren. Die Börse wird dann heftig einbrechen
– doch in meinen Augen nicht wieder in einen Abwärtstrend
verfallen, sondern bestenfalls günstige Kaufgelegenheiten
bieten.
Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche
entwickelt haben:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES
INDIZES 23.02.12 DIFF
Dow Jones 12.985 0,6%
DAX 6.809 0,9%
Nikkei 9.647 2,8%
Euro/US-Dollar 1,338 1,8%
Euro/Yen 107,805 3,7%
10-Jahres-US-Anleihe 1,98% 0,0
Umlaufrendite Dt 1,59% 0,0
Feinunze Gold USD $1.778,90 2,6%
Fass Brent Öl USD $123,90 2,8%
Kupfer in US$/to 8.363 -0,3%
Baltic Dry Shipping I 706 -2,4%
Nicht nur gegenüber dem US-Dollar legte der Euro zu, sondern
noch mehr gegenüber dem japanischen Yen. Dort zeigt das neue
Liquiditätsprogramm der dortigen Notenbank Wirkung, endlich
wird der Yen etwas schwächer. Der Nikkei dankt es mit einem
Plus von 2,8%.
Privatanleger sind in Jubellaune während Analysten überwiegend
neutral agieren, wie Sie den folgenden Sentiment-Daten
entnehmen können:
SENTIMENTDATEN
Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):
Kaufen / Verkaufen
03.02.- 10.02. (288): 46% / 13%
10.02.- 17.02. (302): 48% / 11%
17.02.- 24.02. (251): 49% / 9%
Kaufempfehlungen der Analysten
Fresenius SE, Allianz, Alstria Office REIT
Verkaufsempfehlungen der Analysten
Telefonica, Belgacom, Hermes Intl.
Privatanleger
06. KW: 49% Bullen (160 Stimmen)
07. KW: 70% Bullen (130 Stimmen)
08. KW: 67% Bullen (131 Stimmen)
Kaufempfehlungen der Privatanleger
Vallourec, SEB, Commerzbank
Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Renault, Ubisoft Entertainment, Solarworld
Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel
Im heutigen Ausblick habe ich mich um die Schlagworte Cloud,
Datenzentren, Virtualisierung und schnellere Datennetze
gekümmert. Eine Spekulation ist dabei herausgekommen, die schon
in den nächsten Wochen aufgehen könnte. Doch wichtiger ist es,
diese neue Welt der Technologie verstehen zu lernen.
Es ist nicht leicht und sicherlich kann ich keinen kompletten
Überblick geben. Doch ein paar Bereiche sollten durch meine
Ausführungen klarer werden.