Tranparenz schadet der Geldpolitik

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 31.10.2013
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Heibel-Ticker Börsenbrief

Diese Woche hat der FOMC-Ausschuss der US-Notenbank Fed getagt. Das Ergebnis: Alles bleibt beim Alten. Es werden weiterhin monatlich Anleihen für 85 Mrd. USD aufgekauft, um den Markt mit Liquidität zu versorgen. Diese Entscheidung hat mir die Grenzen der Transparenz aufgezeigt.


WER DIE HOSE RUNTERLÄSST, KANN SCHLECHT LAUFEN


Transparente Ziele der Geldpolitik der Notenbanken halte ich für gut. Es geht dabei um das Ziel der Geldwertstabilität, eines stabilen Wechselkurses, einer tolerierten Inflation, sowie einer gewünschten Geldmenge. Zahlen also, die direkt im Verantwortungsbereich der Notenbank liegen.

In den USA hat die Notenbank zusätzlich noch den Arbeitsmarkt ins Auftragsbuch geschrieben bekommen. Geldwertstabilität und geringe Arbeitslosenquote, zwei sich häufig gegenseitig ausschließende Ziele. Die Fed muss einen Spagat machen und knickt immer häufiger vor der Politik ein, die ihre Hausaufgaben eben nicht selbst erledigt.

Inzwischen gibt es sowohl in den USA als auch in Europa einzelne Vertreter, die eine größere Transparenz der Notenbanken fordern, insbesondere Janet Yellen, die Nachfolgerin von Ben Bernanke, vertritt die Meinung, dass die anstehenden Entscheidungen der Notenbank bereits im Vorfeld transparent gemacht werden sollten.

Vor dem Hintergrund eines Alan Greenspan, der mehr als Orakel galt denn als Geldmarkttheoretiker, fand ich die Diskussion um mehr Transparenz gut. So habe ich die Änderungen, die von seinem Nachfolger Ben Bernanke eingeführt wurden, begrüßt. Doch als Bernanke das Ziel einer Arbeitslosenquote von 6,5% ausrief, bekam ich meine Zweifel: So abhängig darf sich die Geldpolitik nicht von der wirtschaftlichen Situation machen.

Der zweite Fehler Bernanke geschah, als er im Mai das Tapering in Aussicht stellte, die schrittweise Drosselung der Liquiditätsflutung. Sprich: Aus 85 Mrd. USD monatlich sollten schrittweise weniger werden, lange bevor an erste Zinsanhebungen zu denken ist. Die Folge: Der Markt hat das Tapering umgehend in den Preisen berücksichtigt. Zinsen sprangen an, Immobilien wurden dadurch teurer und die gerade angelaufene Erholung am Immobilienmarkt wurde abgewürgt - ohne die Umsetzung der angekündigten Drosselung.

Die US-Wirtschaft ist also allein durch die Ankündigung der Drosselung schon so stark geschwächt worden, dass eine Drosselung nun nicht mehr möglich ist. Die US-Wirtschaft braucht nun die Beibehaltung der monatlichen 85 Mrd. USD Liquiditätsspritze mehr als zuvor. Ich denke, eine "überraschende" Drosselung hätte den gleichen Effekt auf die amerikanische Wirtschaft gehabt, die Fed hätte dann jedoch ihre monatlichen Ausgaben bereits drastisch reduziert.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten für die Fed

Entweder man gesteht den Fehler ein. Von Ben Bernanke in seinen letzten Tagen ist nicht zu erwarten, dass er seinen Ruhm als Retter vor der großen Depression auf's Spiel setzt. Und bis Janet Yellen, die unter anderem gerade wegen ihres Vorstoßes in Richtung Transparenz so populär ist, diese Linie verlässt dürften Jahre vergehen - wenn überhaupt.

Also nimmt man die zweite Möglichkeit: Man zieht die Augenbrauen hoch und behauptet: "Es wird sich noch zeigen, wie überlegen die Strategie der Transparenz ist, warten Sie nur ein paar Jahre".

Die Märkte lieben natürlich Transparenz

Obwohl man vermeintlich Spekulationen den Nährboden entziehen möchte, sorgt die Transparenz dafür, dass nunmehr über das spekuliert wird, was im Rahmen der nächsten Sitzung transparent gemacht werden könnte. Es wird nicht mehr über geldpolitische Fakten wie Zinserhöhung oder Drosselung der Liquiditätsflutung spekuliert, sondern über das, was die Notenbanken in Aussicht stellen könnten - ungeachtet dessen, ob dies denn auch eintreten könnte. Wurde also früher über Fakten spekuliert, die mit dem Tage der Notenbanksitzung als richtig oder falsch enttarnt wurden, kann künftig über Spekulationen der Notenbanken spekuliert werden und dann noch, ob diese Spekulationen der Notenbank denn auch richtig sind. Eine weitere Ebene der Spekulation würde also eingezogen.

Konkret geht es bei der EZB inzwischen darum, das Protokoll der Sitzung zu veröffentlichen, wie es in den USA der Fall sei. Doch auch in den USA wird das Protokoll nicht veröffentlicht, lediglich eine mehrfach redigierte Zusammenfassung (Minutes) wird an die Öffentlichkeit gegeben. Und daraus geht nicht eindeutig hervor, wer zu welchem Thema wie abgestimmt hat.

Eine solche Zusammenfassung veröffentlicht auch die EZB als offiziellen Kommentar. Würde man es "Minutes" nennen, hätten wir die Diskussion gar nicht.

Die Notenbankmitglieder sollen ihre Entscheidung anhand der aktuell vorliegenden Fakten treffen

Dabei sollte es kein Problem sein, die eigene Meinung von einer zur nächsten Sitzung diametral zu ändern, wenn sich die Fakten geändert haben. Doch das ist ein komplexer Vorgang, der in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt. Hat sich jemand vor vier Wochen noch vehement gegen eine Zinsanhebung ausgesprochen und stimmt diesmal hingegen dafür, dann wird ihm schnell nachgesagt, vor vier Wochen falsch gelegen zu haben. Diese Blöße wird sich ein Notenbanker nur ungern geben, die Entscheidungen werden nicht mehr frei getroffen.

Zudem würde bei jeder Entscheidung, insbesondere in der EZB, stets das jeweilige Mitglied auf sein Herkunftsland durchleuchtet. Niemals würde ein Notenbanker aus Spanien in den kommenden fünf Jahren für eine Zinserhöhung stimmen, wenn seine Regierung von seiner Abstimmung erfahren würde, auch wenn Spanien das letzte Land mit wirtschaftlichen Problemen in der EU wäre.

Also: Nachdem ich vor einigen Jahren noch die Bestrebungen zu mehr Transparenz befürwortet habe, sind wir meiner Ansicht nach nun an einem Punkt angekommen, an dem die Notenbanker etwas mehr Privatsphäre brauchen. Notenbanker brauchen ihre Hosen nicht runterzulassen, denn das schränkt sie in Ihrer Möglichkeiten ein, zu laufen.

An den Märkten begrüßt man die Diskussion um die Transparenz. Liquiditätsflutung soweit das Auge sehen kann und kein Ende in Sicht, bzw. das von Bernanke in Aussicht gestellte Ende hat sich als vorschnell entpuppt. Das sind die Gründe, die für Allzeithochs in den USA und in Deutschland sorgen. Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


"Sony kürzt die Gewinnprognose für 2013 nachdem für Q3 ein Verlust vermeldet wurde", "Lufthansa muss weiter kämpfen, Wettbewerbsumfeld bleibt hart", "Facebook wird die Frequenz der Werbung nicht erhöhen, zieht Grenze für Wachstum", "E.On muss in Brasilien umdenken, Partner OGX ist pleite", "Kraft Foods verdient 65 Cents, 4 Cents weniger als erwartet", "Yelp verliert vier Cents je Aktie, viermal soviel wie von Analysten erwartet", "Bayer wird einen Tick vorsichtiger", "Klagelieder von Exxon, Shell und Total", ...

Hätten Sie geglaubt, dass dies die Schlagzeilen in der Woche sind, in der vom DAX erstmals die 9.000 Punkte-Marke übersprungen wird?

Der Monat Oktober, der Crashmonat, liegt mit der besten Aktienperformance der vergangenen zwei Jahre hinter uns. Die US-Regierung hat das Budgetproblem lediglich verschoben, aber noch nicht gelöst. Unternehmen senken reihenweise ihre Prognosen, vermelden jedoch überwiegend bessere Gewinne als erwartet. Bei mir entsteht der Eindruck, dass sich die Rallye entweder in ihren letzten Zügen befindet, oder aber der für das nächste Jahr erwartete weltweite wirtschaftliche Aufschwung den Börsen zu einer nie zuvor gesehenen Rallye verhelfen wird. Es wird ganz schön stark polarisiert, das werden Sie insbesondere in den vielen Jahresprognosen für 2014 lesen, die in den kommenden Wochen Ihr Postfach heimsuchen werde.

Mein Eindruck deckt sich mit der Analyse der ersten beiden Werte des heutigen Depotchecks: Der Turnaround, die Bodenbildung ist abgeschlossen. Nun muss die Wirtschaft auch ihrem Versprechen des Aufschwungs nachkommen, bevor die Kurse weiter ansteigen.

Die extrem negative Presse zumindest ebnet den Weg für weitere Kursanstiege. Viele Anleger haben, wie von mir in Aussicht gestellt, die Kurse über 9.000 Punkte beim DAX genutzt, um ihre alten, unliebsamen Positionen aus dem Depot zu werfen. Doch für Neuengagements will man günstigere Kurse abwarten. Sollte der DAX in den kommenden Wochen nicht nochmals einen Rücksetzer erleben, dann könnte sich eine heftige Jahresendrallye entwickeln.


 
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