Strukturierte Anlageprodukte – Barriere ist nicht gleich Barriere

Weimer Media Group GmbH
Veröffentlicht von Weimer Media Group GmbH am 20.05.2011
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zertifikate kompakt

Für viele strukturierte Anlageprodukte bzw. Zertifikate ist eine Kursschwelle oder Barriere für die Auszahlung am Laufzeitende relevant. Eine Verletzung der Barriere hat in der Regel negative Folgen für die Auszahlung des Produkts.


 

Hierzu ein Beispiel: Bei einer Protect-AktienAnleihe erhält der Anleger unabhängig von der Entwicklung der zugrundeliegenden Aktie oder des Index (Basiswert) eine Zinszahlung. Die Rückzahlung hängt jedoch von der Entwicklung des Basiswerts ab. Hierfür sind der Basispreis (häufig der Kurs des Basiswerts bei Emission) und die Barriere (beispielsweise bei 75 % des Kurses des Basiswerts bei Emission) des Produkts relevant. Hat der Basiswert während der gesamten Laufzeit, d. h. mit jedem bis zum Bewertungstag festgestellten Kurs die Barriere nie berührt oder unterschritten, so erhält der Anleger bei Rückzahlung den Nennbetrag der Anleihe. In diesem Fall handelt es sich also um eine kontinuierliche Barriere. Wird die Barriere allerdings während der Laufzeit verletzt, so hängt die Rückzahlung vom Kurs des Basiswerts am Bewertungstag ab. Liegt dieser auf oder über dem Basispreis, wird bei Fälligkeit ebenfalls der Nennbetrag ausgezahlt. Ansonsten erfolgt die Rückzahlung durch Aktienlieferung entsprechend dem Bezugsverhältnis. Neben einer kontinuierlichen Barrierebetrachtung finden sich bei Zertifikaten die sogenannte „Partial-Time“Barriere und die Stichtagsbarriere. Um uns die Unterschiede bei den einzelnen Barrieretypen zu vergegenwärtigen, betrachten wir zunächst die Konstruktion von Zertifikaten allgemein.

Das Zertifikat als Baukasten

In der Regel besteht ein Zertifikat aus einer Anleihenkomponente und/oder einem oder mehreren Derivaten, die die Partizipation am Basiswert abbilden. Bei einfach strukturierten Produkten wie etwa Aktien-Anleihen handelt es sich dabei um eine Anleihe und eine gewöhnliche Verkaufsoption (Put). Bei einer klassischen Option hat der Inhaber das Recht, aber nicht die Pflicht, den Basiswert zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Bei der Art der Ausübung beschränken wir uns im Folgenden auf den sogenannten europäischen Typ, d. h. die Ausübung dieses Rechts ist nur bei Laufzeitende der Option möglich.

So funktionieren Barriere-Optionen

Ein Zertifikat bzw. strukturiertes Anlageprodukt besitzt in der Regel dann eine Barriere, wenn innerhalb des Produkts eine sogenannte Barriere-Option enthalten ist. Dieser Optionstyp zählt zu den wohl verbreitetsten exotischen Optionen, und Bonus-Zertifikate sind wahrscheinlich die bekannteste Produktart, die diesen Optionstyp enthält. Barriere-Optionen zeichnen sich durch einen Unterschied beim Recht zur Ausübung der Option im Vergleich zu klassischen Optionen aus. Es kommt bei ihnen darauf an, ob der Kurs des Basiswerts während der Laufzeit der Option eine vorab festgelegte Kursschwelle – die Barriere – erreicht, um das Recht auf Ausübung der Option in Kraft (In-Option) oder außer Kraft (Out-Option) zu setzen. Bei In-Optionen ist folglich das Recht auf Ausübung bei Laufzeitbeginn noch nicht in Kraft und es wird erst aktiv, d. h. die Option wird zu einer gewöhnlichen Option, wenn der Kurs des Basiswerts die Barriere berührt. Je nach Lage der Kursschwelle im Verhältnis zum zugrundeliegenden Kurs des Basiswerts zum Laufzeitbeginn wird zwischen Upund Down-Optionen unterschieden. Bei einer Down-and-Out-Option verfällt also das Recht auf Ausübung des Derivats und es wird damit sofort wertlos („out“), sobald der Kurs des Basiswerts während der Laufzeit so weit fällt, dass er die Barriere berührt oder unterschreitet („down“). Ist das nicht der Fall, so ist die Auszahlung der Option bei Fälligkeit identisch mit der einer gewöhnlichen Option. Im Vergleich zu klassischen Optionen besteht bei Barriere-Optionen zum Erwerbszeitpunkt also Unsicherheit darüber, ob am Ende der Laufzeit ein Recht auf Ausübung existiert. Damit ist der Preis einer Barriere-Option geringer als jener einer vergleichbaren gewöhnlichen Option. Bis jetzt haben wir uns mit der häufigsten Variante, der kontinuierlichen Betrachtung, beschäftigt. Nun werfen wir einen Blick auf weitere gängige Varianten.

Wie bereits eingangs beschrieben, ist bei einer kontinuierlichen Betrachtung der Barriere jeder festgestellte Kurs des Basiswerts während der Laufzeit der Option relevant. Daneben gibt es sogenannte „Partial-Time“Barriere-Optionen. Hierbei ist nur ein Teil der Laufzeit (häufig lediglich die letzten drei Monate) der Option für die Betrachtung der Barriere entscheidend. Sollte in diesem Fall etwa bei einer Down-and-Out-Option die Barriere in den letzten drei Monaten ihrer Laufzeit nicht verletzt werden, so besitzt sie eine zu einer gewöhnlichen Option identische Auszahlung. Barriereverletzungen vor dem Betrachtungszeitraum haben keinen Einfluss auf die Auszahlung der Option am Laufzeitende. Im Falle einer Out-Option mit „Partial-Time“-Barriere ist folglich das Risiko einer Barriereverletzung geringer als bei einer Option mit kontinuierlicher Barriere. Wird der Beobachtungszeitraum für die Barriere noch weiter verkürzt, d. h. für eine Barriereverletzung ist lediglich der Schlusskurs des Basiswerts an einem einzigen Tag (Bewertungstag) relevant, so handelt es sich um den Spezialfall einer sogenannten diskreten Barriere-Option. Gegenüber den beiden obigen Barrieretypen ist hier, bei sonst gleichen Bedingungen, das Risiko einer Verletzung der Barriere am geringsten. Soviel zur Theorie von Barriere-Optionen allgemein.

In der Praxis

Vergleichen wir nun unterschiedliche Produktvarianten und die Auswirkung der jeweiligen Barrieretypen auf die Produktparameter. Beispielhaft dienen uns indikative Konditionen unterschiedlicher Varianten von Aktien-Anleihen. Neben der bereits beschriebenen Protect-Aktien-Anleihe betrachten wir die ProtectPro-Aktien-Anleihe mit „Partial-Time“-Barriere und die Easy-Aktien-Anleihe mit Stichtagsbarriere. Alle Anleihen haben die Aktie der Daimler AG als Basiswert, eine Laufzeit von einem Jahr und einen Zinssatz von 5 % p. a.

Ein identischer Ausgabepreis von 100 % vom Nennbetrag macht die Varianten daneben vergleichbar. Alle drei Produkte besitzen infolgedessen die gleiche Maximalrendite und dadurch identische Chancen. Aus Gründen der Arbitragefreiheit muss dann auch das Risiko der Varianten gleich sein, d. h. bei Emission besitzen die Produkte trotz unterschiedlicher Barrieren ein identisches ChanceRisiko-Profil. Die Variante mit kontinuierlicher Barriere hat zwar die betragsmäßig niedrigste Barriere, allerdings ist durch die kontinuierliche Barrierebetrachtung das Risiko einer Barriereverletzung erhöht. Letztlich entscheiden die Präferenzen des Anlegers, ob er einen größeren Sicherheitspuffer einer Verkürzung des Zeitraums der Barrierebetrachtung vorzieht. 

 

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