Standard & Poor‘s hat mit der angedrohten Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit einen Tabubruch begangen
Als die Ratingagentur am Montagnachmittag den Ausblick von „stabil“ auf „negativ“ reduzierte, sorgte das an den Märkten vorübergehend für Schockwellen rund um den Erdball. Die Aktienmärkte rutschten weiter ab, während sich die Spreads für US-Staatsanleihen sprunghaft auf 49 Basispunkte ausweiteten. Profiteur waren u. a. deutsche Staatsanleihen: Der Bund Future legte um satte 120 Ticks auf 122,40 % zu. Abstrakterweise legte auch der US-Dollar zu.
Die Melange aus Krisenmeldungen hievte den Goldpreis auf ein neues Rekordhoch. Neben der drohenden Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA tragen derzeit auch Gerüchte über eine Umschuldung Griechenlands sowie eine wachsende Sorge vor steigender Inflation die Anleger den Edelmetallen in die Arme. Der Preis für eine Feinunze Gold legte am Montag vorübergehend bis auf 1.498 US-Dollar zu und verfehlte damit die magische Marke von 1.500 US-Dollar nur knapp.
Der unpopuläre Schritt, zu dem sich Standard & Poor‘s entschlossen hat, ist hochbrisant.
In den vergangenen Jahren sind Rating-Agenturen stets dafür kritisiert worden, dass sie Herabstufungen immer erst dann vorgenommen haben, wenn es eigentlich schon zu spät war. Das Vorpreschen am Montag ist ein Paradigmenwechsel, wenngleich sich S&P damit ebenfalls wenig Freunde gemacht haben dürfte. Die bissig-scharfe Reaktion Washingtons hat einen Vorgeschmack gegeben. Es ist nicht auszuschließen, dass Ratingagenturen zukünftig mit Repressalien von der US-Regierung zu rechnen haben für den Fall, dass weitere Herabstufungen drohen. An der Sache würde das gleichwohl nichts ändern: Standard & Poor‘s hat lediglich offen und unverblümt ausgesprochen, was noch nicht einmal mehr den Status eines offenen Geheimnisses hatte.
Die Haushaltsquerelen, die sich in den vergangenen Wochen der Kongress mit dem Weißen Haus geliefert hatte, haben ohnehin schon angedeutet, wie ernst es um die US-Staatsfinanzen steht. Der Vorstoß von S&P hat die Politik nun nur zusätzlich aufgeschreckt. Klarer als je zuvor ist, dass nur strikte Haushaltsdisziplin einen Ausweg aus dem Dilemma ermöglicht. Und dieser steinige Weg muss konsequent über Jahre gegangen werden, um letztlich zum Ziel zu führen. Das Ergebnis könnte eine langfristig flachere Wachstumskurve sein, die zudem auf niedrigerem Niveau verläuft.
Die Aktienmärkte haben am Montag noch vergleichsweise moderat reagiert. An der Wall Street sind die Aktien deutlich von ihren Tagestiefs erholt mit einem durchschnittlichen Minus von rund 1 % aus dem Handel gegangen. Eine weitere Demonstration für die Robustheit, in dem sich die Aktienmärkte derzeit befinden. Die Gründe hierfür hatten wir in den vergangenen Wochen an dieser Stelle wiederholt dargelegt. Der Zwang zu einer gesteigerten Haushaltsdisziplin dürfte sich für die Aktienmärkte erst im Laufe der kommenden Monate zu einem stetig wehenden Gegenwind auswachsen. Weitere kurzfristige Schockeffekte erwarten wir daraus nicht.