Staatsanleihen sind zu einem frisierten Markt geworden

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 16.02.2012
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Frankfurter Börsenbrief

Auch wenn sich die Wogen der Schuldenkrise zunächst zu glätten scheinen, kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass die Kurse bei Staatsanleihen keine echten Marktpreise mehr sind, sondern gesteuerte Preise. Die Notenbanken wollen nichts anbrennen lassen und geben Vollgas. Die EZB geht vor allem den indirekten Weg über den Liquiditäts-Tsunami für die Banken.


 

Die direkten Anleihenkäufe fallen in Relation zur Wirtschaftsleistung der Eurozone kaum ins Gewicht. Anders die Briten: Die Bank of England hat ihr Quantitative EasingProgramm vor Kurzem um weitere 50 Mrd. Pfund aufgestockt, was ein Gesamtvolumen von 325 Mrd. Pfund ergibt. In Relation zur britischen Wirtschaftsleistung sind dies etwa 22 %. Und es gibt die Erwartung, dass das Programm im Mai nochmals um 50 Mrd. Pfund ausgeweitet wird. Die Bank of Japan erweiterte ebenfalls ihr JGB-Kaufprogramm um 10 Billionen Yen (umgerechnet etwa 130 Mrd. Dollar) auf 65 Billionen Yen. Und auch in den USA wird es wohl auf eine weitere Runde hinauslaufen. So richtig diese Maßnahmen zur Stabilisierung sein mögen, so hinterlassen sie doch eine breite Schneise im bisherigen Marktrahmen. Dies ist umso bedeutsamer, als dass der globale Bondmarkt in den letzten etwa 10 Jahren regelrecht explodiert ist von etwa 11 Billionen Dollar Volumen per 2011 auf über 31 Billionen Dollar per 2011.

Das Prinzip des „risikofreien Zinses“ ist auf den Kopf gestellt. Denn spätestens mit dem Abschreibungsbedarf in Griechenland (immerhin voraussichtlich 70 %) ist klar, dass Staatsanleihen eben nicht risikofrei sind. Dies rüttelt an einem Grundpfeiler für Portfolioansätze und RenditeOrientierungsgrößen bei professionellen Anlegern. Der risikofreie Zins ist gewissermaßen das Fundament, auf das sich dann je nach Risikograd (z.B. gemessen am sog. systematischen Risiko oder Beta) ein Risikoaufschlag addiert. Die Rendite für risikofreie Assets ist also gewissermaßen die Mindestrendite, die Investoren im Normalfall einfordern müssen. Jedes Risikoinvestment mit einer geringeren Ertragsperspektive wäre unter Risikogesichtspunkten Unsinn zumindest wenn die Unterstellung greift, dass Staatsanleihen kein Ausfallrisiko haben. Diese Annahme kann so nicht mehr automatisch unterstellt werden.

Die Marktmanipulation der Notenbanken und die Entzauberung des risikofreien Zinses enthält verschiedene Implikationen und mitunter auch Absurditäten. Erstens: Bisherige Praxis ist, dass Staatsanleihen keine Eigenkapital-Unterlegung bei Banken benötigen. Das heißt, Banken können hier weitgehend ungehindert mit hohem Hebel arbeiten bzw. Bestände nutzen, um sich bei der EZB (z.B. beim kommenden Langfristtender) wieder reichlich Liquidität zu besorgen und damit sozusagen einen intranationalen Carry-Trade fahren. Dieses bisherige System ist in sich nicht mehr schlüssig. Ob die Politik bzw. die Regulierung hier aber tatsächlich ansetzen wird, erscheint im jetzigen Umfeld eher zweifelhaft. Zweitens: Was gleichwohl zu erwarten ist, ist eine eher inländische Orientierung im Bezug auf StaatsanleihePositionen, was bestenfalls ergänzt würde durch beste Bonitäten (also z.B. Bundespapiere). Im Grunde genommen dürfte dies ein Stück weit eine Re-Nationalisierung der Anleihenmärkte werden. Drittens: Die „Advanced Economies“ haben sich relativ zu „Developing Economies“ markant verschlechtert, zumindest wenn man dies am Verhältnis von Staatsschulden zu Wirtschaftsleistung festmacht. Während erstere mit grob 105 % der Wirtschaftsleistung verschuldet sind, liegt die Quote bei den „Developing Economies“ bei weniger als 40 %. Viertens: Derzeit gilt die paradoxe Situation, dass sich europäische Banken beträchtlich günstiger refinanzieren können als die Länder, in denen sie domiziliert sind. 

 

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