SGL Carbon - Sehr chancenreich, sehr sexy, aber auch sehr riskant

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 04.04.2013
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Hochspekulativ, überaus sexy und wirklich chancenreich, was dieses Unternehmen an Zukunftstechnologien im Portfolio hat. Basierend auf einer Cashcow aus dem traditionellen Geschäft mit Graphit-Elektroden für die Stahlindustrie kann SGL Carbon eine lange Investitionsphase für die Zukunftstechnologien durchstehen. Doch die Aktie ist bereits sehr hoch bewertet. Für wen oder wann sich ein Investment lohnen könnte, untersuche ich in dieser Wunschanalyse.


SEXY GESCHÄFTSBEREICHE


Welche Aktie empfehlen Sie, wenn ich auf die Batterien in Elektroautos setzen möchte? LED-Fernseher überfluten den Markt. Welches deutsche Unternehmen partizipiert an dieser Hausse? Welches Unternehmen arbeitet an der Reduzierung des Karosseriegewichts von Autos? Woraus bestehen eigentlich die leichten Rotorblätter von Windkrafträdern? Neue Flugzeuge werden zu einem immer größeren Teil aus Kohlefasern gebaut, wer liefert die Kohlefaser?

Ich könnte so viele Kundenanfragen einfach mit zwei Worten beantworten: SGL Carbon!

SGL Carbon liefert die Graphit-Elektroden für wiederaufladbare Lithium-Batterien, die in Autos eingesetzt werden sollen (teilweise bereits werden). Damit haben wir hier einen deutschen Spezialisten, der von der gerade anlaufenden Welle der Elektroautos profitieren wird.

LED-Leuchten werden auf einem Silikon-Träger aufgebracht, der nur mit Karbon stabil gemacht werden kann. Nach LED-Bildschirmen bei Laptops und nunmehr LED-TVs steht als nächstes die LED-Revolution bei der Beleuchtung an. Die Glühlampe ist ja verboten, und es gibt ein weites Feld an Anwendungen, bei denen LED-Lampen eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden.

SGL Carbon arbeitet an einer Kohlefaser-Karosserie für neue, spritsparende Autos von BMW, teilweise ebenfalls Elektroautos. Während Audi bereits alles auf Alu umgestellt hat, was geht, versteift sich BMW nun auf die viel teurere dafür aber bessere Kohlefaser. Wir dürfen gespannt sein, was rauskommt.

Auch die Rotorblätter von Windkrafträdern werden aus Kohlefaser hergestellt, dem leichtesten Material, das die gewünschte Stabilität liefert, um den Wind mit wenig Verlust in Bewegung und somit Strom umzuwandeln. Natürlich wird diese Erkenntnis auf bei den Rennrädern angewendet, wo federgewichtige Carbonrenner für fünfstellige Summen angeboten werden.

Boeing ist mit seinem Dreamliner einen neuen Weg gegangen: Wo immer möglich wurde Stahl durch Kohlefaser ersetzt. Auch Airbus plant seine neuen Flieger mit einem zunehmenden Anteil von Kohlefaser. Die Stückzahlen sind natürlich noch sehr gering, aber wenn das mal zum Standard wird, ...

...toll, was man aus Karbon alles machen kann. Nicht heute, aber später vielleicht mal.
 

DAS LANGWEILIGE STAMMGESCHÄFT


Neben diesen futuristischen Anwendungen hat SGL auch ein Stammgeschäft: Graphit-Elektroden für die Veredlung von Stahl. Jeder fünfte Stahlkocher weltweit arbeitet mit Graphit-Elektroden von SGL Carbon, die alle 5-8 Stunden ausgetauscht werden. Es werden überwiegend Rahmenverträge für ein ganzes Jahr abgeschlossen, hier kommt ein regelmäßiger Geldstrom herein. Insbesondere das Wachstum in China und in anderen Schwellenländern sorgt für Wachstumsphantasie.

Von den unzähligen sexy Möglichkeiten hebt sich dieses Stammgeschäft langweilig ab. Doch damit werden noch über die Hälfte des Umsatzes generiert, und das wird den Unternehmensprognosen zufolge auch noch eine Weile so bleiben. Und beim Gewinn neigt sich das Pendel noch weiter in Richtung Stammgeschäft: Drei Viertel werden hier erwirtschaftet.

Die oben aufgezeigten Zukunftsprodukte werden in absehbarer Zeit, also in den kommenden ein bis zwei Jahren, kaum mehr zum Unternehmensergebnis beitragen können. Im Gegenteil, der LED-Markt gerät zunehmend in Absatzschwierigkeiten. Zuvor war ein großer Abnehmer die Solarindustrie, aber auch die kämpft ums Überleben. Und mit der Karbonfaser wird noch kein Gewinn erwirtschaftet.
 

BENEIDENSWERTE AUSGANGSPOSITION FÜR LANGEN WEG


Ja, SGL Carbon befindet sich in einer beneidenswerten Ausgangslage: Eine Cashcow liefert das Geld um in sexy Zukunftstechnologien zu investieren. Und wenn es auch noch drei bis vier Jahre dauern wird, bis das Elektroautos aus Karbonfaser in großen Stückzahlen über unsere Straßen rollt, bis LEDs bei der Gebäude- und Straßenbeleuchtung eingesetzt werden und bis der Dreamliner in großen Stückzahlen vom Band läuft, so scheint die Richtung doch zweifelsfrei die Richtige zu sein: Energiesparen durch leichtere Materialien.

Doch hier kommen wir zu meiner ersten Kritik an dieser Aktie: Innovatoren sind nicht immer die Gleichen, die dann die Massenprodution übernehmen. Wenn SGL Carbon auch als erster in diesen Zukunftsmärkten vertreten ist, so gelten für günstige Massenproduktionen ganz andere wirtschaftliche Voraussetzungen als für Innovationen. Sehr viele Unternehmen schaffen den Sprung vom Innovator zum Massenproduzent nicht, schauen Sie sich unsere Solarunternehmen an.

Es ist also verständlich, diese Zukunftstechnologien mit einem Aufschlag zu bewerten, ein Aufschlag, der bei der Aktie von SGL Carbon schon Tradition hat. Doch es ist ein Aufschlag von dem wir erst in drei bis vier Jahren wissen werden, ob er gerechtfertigt ist.
 

BEWERTUNGSNIVEAU SEHR HOCH


Sie haben es zwischen den Zeilen bereits herauslesen können: Ich möchte für ein gegebenenfalls in drei bis vier Jahren erfolgreiches Unternehmen kein KGV 13e von 47 bezahlen. 3% Umsatzwachstum werden für das laufende Jahr erwartet, immerhin erwartet man einen überproportionalen Gewinnanstieg (EBIT) von 25%.

Doch auch auf Basis der Schätzungen für 2014 sehen die Bewertungsziffern nicht viel besser aus: Das KGV 14e beträgt noch immer 27, das Umsatzwachstum soll Erwartungen zufolge auf 8% anspringen und der Gewinn (EBIT) um erneut überproportionale 45%.

SGL Carbon hat investiert, für dieses Jahr erwartet das Unternehmen nun sprudelnde Einnahmen. Insbesondere der Cashflow werde 2013 erstmals nach fünf Jahren hoher Investitionen positiv ausfallen, so das Unternehmen in seiner jüngsten Prognose. Das wäre super, wenn da nicht eine kleine Einschränkung wäre. Und die bezieht sich auf weitere Übernahmen und neue Investitionen. „Invest to grow" wird das bei SGL Carbon genannt. Wachstum durch Investitionen.

Konservativ eingestellte Analysten möchten gerne organisches Wachstum sehen. Die getätigten Investitionen sollten sich erst einmal auszahlen, bevor weiter wie wild investiert wird. Doch so geht das in einem jungen Industriezweig nicht, da muss der Markt mit immer neuen Innovationen begeistert werden, da müssen immer neue Anforderungen aus den letzten Innovationen durch Neuerungen gelöst werden.
 

TIMING FRAGLICH


Die meisten Zukunftstechnologien brauchen in meinen Augen noch drei bis vier Jahre bis sie massenmarkttauglich sind. Und in dieser Zeit wird SGL Carbon immer weiter investieren, Innovationen anstoßen und interessante Wettbewerber übernehmen müssen. Anleger werden noch viel Geduld brauchen.

Die Prognose, dass im laufenden Jahr ein positiver Cashflow erreicht werde, sofern keine Übernahmen getätigt werden, ist ein Zuckerstückchen, das den Anlegern zugeworfen wird. Doch bei der nächsten Übernahme wird der Kurs wieder unter Druck geraten.

Die Bilanz gibt nicht viel Kapital für Übernahmen her, immerhin dürfte es mit der Eigenkapitalquote von 42% nicht schwer sein, weitere Kredite zu erhalten. Doch diese kosten Geld und belasten zunächst den Gewinn.
 

KURSVERLAUF ZWISCHEN EUPHORIE UND ERNÜCHTERUNG


Die Analyse wäre unvollständig, wenn ich nicht erwähnen würde, dass BMW-Anteilseignerin Susanne Klatten über ihre Investmentgesellschaft Skion 28% an SGL Carbon hält. Weitere 15% hält BMW direkt. Auch VW ist bereits in der Eigentümerliste mit 8% vertreten. Diese Konstellation birgt Zündstoff, denn wenn einer der beiden Autobauer SGL Carbon vollständig übernehmen wollte, dann würde sich ein Übernahmekrieg entwickeln. Doch ich halte dieses Szenario für unwahrscheinlich, SGL Carbon hat so viele Geschäftsfelder, dass ein Autobauer als Eigner viele Chancen zerstören würde.

Dennoch kursieren immer wieder Übernahmegerüchte im Markt und entsprechend schießt der Kurs in die Höhe, um anschließend wieder zurückzufallen. Die Aktie hat schon 50 Euro (Ende 2011) gesehen, doch stabilisiert sich seit Anfang 2012 zwischen 30 und 35 Euro.

Für meinen Geschmack ist die Euphorie über die tollen Zukunftstechnologien sowie über die möglichen Übernahmeschlachten noch nicht aus der Aktie vertrieben, und bevor ich einen Ausbruch über 35 Euro erwarte, würde ich ein Abtauchen unter 30 Euro für wahrscheinlich halten.

Es ist ein natürlicher Vorgang, dass die ehemals spekulativen Hände erst aus der Aktie geschüttelt werden müssen, bevor sie auf ein neues Kursniveau ansteigen kann. Sollte im laufenden Jahr tatsächlich die deutliche Gewinnverbesserung eintreten, so könnten der Aktie also einige turbulente Monate bevorstehen.
 

FAZIT: AUF RÜCKSCHLAG WARTEN


Auf dem aktuellen Niveau ist mir die Aktie zu teuer. Die tollen Zukunftschancen würde ich gerne zu einem Preis erhalten, der das Risiko besser wiederspiegelt, also nochmals 15-20% tiefer als heute. Und selbst wenn die Aktie dann einmal abheben sollte, so ist es kein Selbstläufer, weil sich erst in drei bis vier Jahren zeigen wird, ob der Wandel vom Innovator zum Massenproduzenten gelingen wird.

Also: Sehr chancenreich, sehr sexy, aber auch sehr riskant.
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