Schatten von Facebook bereits an der Wallstreet
Heute erkläre ich Ihnen einmal etwas über die Funktionsweise der Wallstreet, die Mutter der Finanzmärkte aus Übersee. In diesen Tagen sind merkwürdige Dinge an der Wallstreet zu beobachten: IPOs schießen plötzlich in die Höhe. Was steckt dahinter?
Facebook, das Mega-Event für den IPO-Markt 2012. Doch lassen
Sie mich die Zusammenhänge der Reihe nach aufzeigen.
Nehmen wir einmal an, Sie interessieren sich für einen IPO
(Initial Public Offering, Börsengang). Nehmen wir
beispielsweise einmal den IPO von Annie’s, dem Anbieter von
organischen Lebensmitteln wie Pizza, Chips, Salat- und
Grillsaucen bis hin zu Frühstücksmüslis.
Um zu entscheiden, ob Sie Interesse an diesem IPO haben, müssen
Sie sich zunächst einmal das Geschäft des Unternehmens
anschauen. Mit seinen organischen Speisen liegt das Unternehmen
voll im Trend der gesundheitsbewussten Ernährung und könnte
tatsächlich langfristig Erfolg haben. Belassen wir es bei
dieser kurzen Einschätzung zum Geschäft, denn das allein reicht
noch lange nicht.
Als nächstes müssen Sie sich die IPO-Unterlagen anschauen. Wie
hoch haben die Banken, die den Börsengang begleiten (in diesem
Fall Credit Suisse und J.P. Morgan) das Unternehmen bewertet?
Ist der Ausgabepreis je Aktie fair, günstig oder vielleicht
schon zu hoch?
Nun, Annie’s wächst mit 25% p.a. im Umsatz und wurde mit einem
KGV von etwa 30 bewertet. Das ist noch okay, da insbesondere im
laufenden Jahr ein Gewinnsprung in Aussicht gestellt wurde. So
wurde der IPO zu einem Kurs von 14-16 USD angekündigt.
Dann beginnt das Spiel, das ich hasse. Im Stundentakt wird nun
der IPO-Preis durch die Emissionsbanken „angepasst, um Angebot
und Nachfrage in Einklang zu bringen“. So ein Quatsch: Der
Preis wird so lange erhöht, wie alle Interessenten mit einem
Appetitshäppchen versorgt werden können. Die Banken verdienen
schließlich Provisionen in Abhängigkeit vom Verkaufspreis.
So bewegte sich der Preis in den Stunden vor der Erstnotiz dann
von 14-16 USD auf 19 USD. Wer den IPO gezeichnet hatte, der
erhielt nun also Aktien zu 19 USD statt 14 oder 16 USD, es sei
denn, er hatte explizit seine Zeichnung limitiert und damit
riskiert, nicht dabei zu sein.
Nun müssen wir uns anschauen, wie viele Aktien überhaupt in den
Markt gegeben werden. Die Banken haben ausgerechnet, dass
Annie’s rund 250 Mio. USD wert sein könnte, zum IPO-Preis von
19 USD betrug der Unternehmenswert bereits 315 Mio. USD. Es hat
sich jedoch inzwischen eingebürgert, zunächst nur einen sehr
kleinen Anteil der Aktien über den IPO in den Markt zu geben
und weitere Papiere zu einem späteren Zeitpunkt und dann
hoffentlich besserem Kurs nachzuschieben.
So stehen für den IPO 5 Mio. der 15 Mio. Aktien zur Verfügung,
also 33%. Das ist in diesem Fall schon ein ganz schön großer
Batzen, Tranchen unter 20% sind keine Seltenheit. Ziel ist es
sodann auch bei Annie’s, in den kommenden Monaten den
Streubesitz von den aktuellen 33% auf 66% bis 75% zu erhöhen,
bis eben alle Aktien im Streubesitz sind, die kein Insider mehr
behalten möchte.
Dieser Prozess ist wohldefiniert und birgt weitere Provisionen
für die emittierenden Banken Credit Suisse und J.P. Morgan. Das
heißt, je höher der Aktienkurs steigt, desto mehr werden nicht
nur die Verkäufer der Aktien einnehmen, sondern auch die
Banken.
Es ist daher eine bekannte Strategie der Banken, jedem
Interessenten nur einen kleinen Teil der gezeichneten Anzahl an
Aktien zukommen zu lassen. Da es sich vielfach um
institutionelle Anleger handelt, die mit mathematischen
Modellen eine bestimmte Positionsgröße für Annie’s errechnet
haben, kann man darauf warten, dass diese Anleger nach dem IPO
weitere Aktien einkaufen, um die gewünschte Positionsgröße zu
erreichen.
Es ist somit sichergestellt, dass vom ersten Augenblick an
Käufer für die Aktien am Markt aktiv sind.
Hier treffen wir nun auf eine Weggabelung: Ein Teil der
institutionellen Anleger spielt das IPO-Spiel nur für den
schnellen Gewinn. Sie hoffen auf „Zeichnungsgewinne“, also auf
einen höheren Kurs am ersten Handelstag als man über die
Zeichnung gezahlt hat, um die zugeteilte Position, egal in
welcher Größe, sofort mit Gewinn zu verkaufen.
Es ist so etwas wie das Katz und Maus Spiel der Emissionsbanken
mit den institutionellen Anlegern: Haben die Banken den IPO zu
niedrig bepreist? Gibt es also einen Kursanstieg am ersten Tag?
Oder haben die Banken den Kurs bereits zu hoch angesetzt, und
befindet man sich im Minus, wenn die Aktie erstmals frei
gehandelt wird?
Aus Sicht der Banken, die noch einen Sack voll weiterer Aktien
in den nächsten Monaten in den Markt geben wollen, sind diese
Spekulanten unbeliebt. Deren Gewinnmitnahmen am ersten Tag
versauen die ganze Kalkulation. Eigentlich sollten doch die
institutionellen Anleger zusätzlich Aktien einkaufen und
dadurch den Kurs in die Höhe treiben. Wenn nun aber mehr
Spekulanten am Markt sind, dann kann die Nachfrage der
institutionellen Anleger mit ihrer Wunschpositionsgröße locker
befriedigt werden und anschließend sinkt der Kurs.
Sie merken es, wir reden schon lange nicht mehr über den fairen
Wert des Unternehmens. Hier geht es nur noch um das Katz und
Maus Spiel der Wallstreet.
So ist es für einen Privatanleger fast unmöglich, einen IPO im
Vorfeld sinnvoll zu bewerten. Wenn die Banken zudem vielleicht
noch schlechte Provisionen ausgehandelt haben und die
Geschichte einfach nur hinter sich bringen wollen, dann
schütten sie in kurzer Zeitabfolge die weiteren für den
Streubesitz vorgesehenen Aktien in den Markt und verhindern so
jede Kurserholung. Der Kurs kann so mitunter über Monate viel
zu niedrig notieren und dort unten bleiben.
Bei Annie’s war dies nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Aktie
eröffnete bei 31,77 USD! Also 67% über dem ohnehin schon hohen
Emissionspreis. Und damit nicht genug, in den beiden folgenden
Tagen stieg die Aktie unaufhaltsam weiter an, inzwischen
notierte sie schon bei 40 USD.
Damit steht das KGV bei 100! Fangen Sie mir also nicht mit
einer fairen Bewertung an. Vielmehr scheint es, als gebe es nur
institutionelle Anleger, die ihre Wunschpositionsgröße
einkaufen. Es scheint kaum Spekulanten geben, die den schnellen
Gewinn einstecken wollen. Woran mag das liegen?
Facebook! Das Mega-Event des Jahres 2012. Ein paar Eckdaten
sind schon bekannt, so will das Unternehmen mit rund 100 Mrd.
USD bewertet werden und Aktien im Wert von rund 5 Mrd. USD über
den IPO an die Börse bringen. Das sind 5% des
Unternehmenswertes. 5% für den seit Jahren erwarteten heißesten
IPO seit langem. Das ist nichts. Da muss man mit seinem Banker
geschlafen haben, um ein paar Aktien über den IPO zugeteilt zu
bekommen...
...oder man hat sich auf andere Art und Weise in der jüngsten
Vergangenheit gefällig gezeigt. Was ist schon der 100 Mio. USD
IPO von Annie’s gegenüber den 5 Mrd. USD bei Facebook?
Wenn der Facebook IPO kommt, ich rechne im Frühjahr damit, dann
werden sich die Emissionsbanken in ihren Datenbanken anschauen,
welche Kunden denn „zuverlässig“ sind und welche nicht. Und als
zuverlässig gelten nicht die Spekulanten, die ihre Zuteilung am
ersten Handelstag auf den Markt schmeißen und den Kurs kaputt
machen. Als zuverlässig gelten die Kunden, die ihre Zuteilung
möglichst lange halten, damit die Banken ungestört die
„Kurspflege“ in die eigene Hand nehmen können und möglichst
hohe Kurse für die weiteren Platzierungen erzielen.
Wenn ich die Absicht hätte, 10 Mio. USD des Facebook IPOs zu
zeichnen, würde ich heute schon jeden IPO meiner Bank mit einer
kleinen Summe zeichnen und die Position mindestens bis nach dem
Facebook IPO halten. So schreibt man sich eine gute
Visitenkarte.
Sie werden also in den nächsten Wochen eine Menge Meldungen
über „erstaunlich gut gelaufene“ IPOs an der Wallstreet hören.
Doch glauben Sie nicht, dass dies mit den jeweiligen
Unternehmen zu tun hat, die an die Börse gegangen sind. Es ist
das Buhlen der institutionellen Anleger um eine gute Position
beim Mega-IPO dieses Jahres, dem IPO von Facebook.
Wer von Ihnen also ein US-Depot hat, der kann in den nächsten
Wochen ruhig etwas mutiger werden, wenn Ihnen Aktien aus einem
IPO angeboten werden.
Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche
entwickelt haben:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES:
INDIZES 29.03.12 DIFF
Dow Jones 13.146 0,8%
DAX 6.875 -1,5%
Nikkei 10.115 1,0%
Euro/US-Dollar 1,329 0,2%
Euro/Yen 109,4415 -0,1%
10-Jahres-US-Anleihe 2,17% -0,1
Umlaufrendite Dt 1,53% -0,2
Feinunze Gold USD $1.656,25 0,3%
Fass Brent Öl USD $122,26 -1,4%
Kupfer in US$/to 8.360 -0,4%
Baltic Dry Shipping I 922 2,2%
MERKEL DEUTET BEFRISTETE ERHÖHUNG DES ESM DURCH IGNORIEREN
DER BEREITS GELEISTETEN HILFEN AN – 26.3.12
Merkel kündigt Absicht der Erhöhung des ESM um die bereits
ausgereichten Hilfen (etwa 200 Mrd. Euro) an.
Soeben hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer
Pressekonferenz bekanntgegeben, intern über die Möglichkeit zu
diskutieren, den ESM mit seinem Volumen von 500 Mrd. Euro zur
zweiten Jahreshälfte starten zu lassen, ohne die bisher
ausgereichten Hilfen an Griechenland, Portugal und Irland im
Volumen von rund 200 Mrd. Euro vom ESM übernehmen zu lassen.
Mit anderen Worten: Der ESM wird vorübergehend auf 700 Mrd.
Euro erhöht und vermindert sich im Laufe der nächsten Jahre
automatisch um die Rückzahlungen aus den bisher geleisteten 200
Mrd. Euro, bis dann das Volumen von 500 Mrd. Euro letztlich
übrig bleibt.
Es ist der internationale Druck, der Merkel zu diesem Schritt
veranlasst: Die 500 Mrd. Euro werden als nicht ausreichend
gesehen, um europäische Staaten gegen Spekulanten abzusichern.
Insbesondere wenn gleich zu Beginn 200 Mrd. Euro an den
auslaufenden EFSF gezahlt werden müssten, um die bereits
geleisteten Hilfen zu übernehmen. Christine Lagard, Vorsitzende
des IWF, hat ihre Hilfen an einen höheren Beitrag Europas, und
damit Deutschlands, geknüpft. Im Raum steht die Summe von einer
Billionen Euro. Deutschland geht hier also einen Schritt auf
die Verhandlungspartner zu und erhöht auf 700 Mrd. Euro.
Für die Aktienbörsen ist dieser Schritt zunächst einmal
bullisch, denn mehr Geld für Staatshilfen bedeutet weiterhin
mehr Geld im Umlauf, was den Euro schwächt und die Kurse
treibt. Wir dürfen gespannt sein, welche Summe für den ESM am
Ende der Verhandlungen, die am kommenden Wochenende mit den EU-
Finanzministern stattfinden werden, steht.
Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und
Analysten entwickelt:
SENTIMENTDATEN:
Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):
Kaufen / Verkaufen
09.03.- 16.03. (171): 43% / 14%
16.03.- 23.03. (233): 53% / 13%
23.03.- 30.03. (229): 46% / 18%
Kaufempfehlungen der Analysten
Gagfah, Unicredit, VTG
Verkaufsempfehlungen der Analysten
Solarworld, Heineken, Enel Green Power
Privatanleger
11. KW: 75% Bullen (132 Stimmen)
12. KW: 62% Bullen (152 Stimmen)
13. KW: 70% Bullen (193 Stimmen)
Kaufempfehlungen der Privatanleger
Total S.A., Natixis S.A., Hecla Mining
Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Praktiker, MAN SE, Nicox S.A.
Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel
Ohh je, die Analysten sind zu Hauf ins Börsenlager
übergesiedelt, nur noch 46% Kaufempfehlungen und ein Sprung auf
18% Verkaufsempfehlungen. Es hat den Anschein, dass einige
Unternehmen inzwischen ihren fairen Wert erreicht haben, die
kolossale Unterbewertung vom Dezember letzten Jahres ist
weitgehend abgebaut.
Nun kommt es auf die weitere Konjunkturentwicklung an. Diese
ist in den USA derzeit recht vielversprechend, Deutschland ist
ein Fels in der Brandung Europas, allerdings hat der Rest
Europas arge Probleme und seitens Chinas wurden in den
vergangenen Tagen ebenfalls wieder schlechtere Konjunkturdaten
vermeldet.
Wie wir uns vor dem Hintergrund dieser veränderten Situation
mit unserem Portfolio positionieren, lesen Sie im nächsten
Kapitel. Doch zunächst schauen wir einmal auf die einzelnen
bullischen Analystenempfehlungen.
TOP ANALYSTENZIELE
Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen
treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie
ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den
höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach
an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am
meisten über dem aktuellen Kurs liegt:
Firma Analyse vom Kurs Ziel Upside
SUESS MICROT. 28.03 7,09€ 13,00€ 83,36%
MEDIGENE 26.03 1,51€ 2,60€ 72,19%
ARQUES IND 26.03 3,09€ 5,30€ 71,52%
IVG IMMOBIL 28.03 2,47€ 4,00€ 61,94%
4SC AG 28.03 2,63€ 4,00€ 52,09%
HOCHTIEF 29.03 47,97€ 70,00€ 45,92%
RHOEN-KLINIKUM29.03 15,12€ 22,00€ 45,50%
TUI AG 29.03 5,68€ 8,20€ 44,37%
CEWE COLOR 26.03 31,71€ 45,50€ 43,49%
Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen
Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig
auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille
sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell
optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend
erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber,
wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten
auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst
oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall
individuell zu beurteilen.
Laufen wir nun in eine heftige Korrektur der exorbitanten
Kursrallye seit vergangenem Dezember oder bleibt es beim
heutigen schnellen Ausverkauf? Meine Gedanken zu diesen Fragen
lesen Sie im nächsten Kapitel.