Rheinmetall vor positiver Überraschung

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 20.05.2010
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Drei Risiken werden derzeit vom Markt betrachtet: Unternehmen, Staaten und das System. Die Unternehmen stehen besser da denn je. Die Staaten sind hoffnungslos überschuldet und von einer Besserung ist noch wenig zu sehen. Insbesondere Europa wird hier als kritischer Faktor betrachtet, denn trotz gigantischem Rettungspaket wird immer wieder bezweifelt, ob die EU-Länder auch tatsächlich füreinander einspringen. Und der dritte Bereich, das System, bezieht sich auf die Finanzmarktregeln. Hier hat Deutschland nun laut ausgerufen, dass gehandelt werden muss. Die USA haben in der letzten Nacht im Senat einen Vorschlag verabschiedet, doch von einer internationalen Koordination ist noch nichts zu sehen. Gleichzeitig gibt es noch immer keine Erklärung für den vorübergehenden 10%igen Kurseinbruch im Dow Jones vor zwei Wochen. Während das Systemrisiko überwiegend die Bankaktien unter Druck behält, lastet das EU-Problem auf allen Märkten. Die Kurse werden meiner Einschätzung nach so lange purzeln, bis die EU international überzeugend darlegen kann, dass der Euro nicht auseinanderbrechen wird. Wie genau die einzelnen Lösungsmöglichkeiten aussehen können, betrachte ich im folgenden Kapitel.


Rheinmetall Vor drei Wochen habe ich im Rahmen der Wunschanalyse EADS vorgestellt, in unserer Beobachtungsliste befindet sich Bertrandt. Heute schauen wir uns Rheinmetall an, ein Unternehmen, das sowohl Zulieferer für die Automobilbranche ist, als auch im Bereich der Rüstungsindustrie immer stärker wird. Ich nehme es vorweg: Rheinmetall wird nicht in unsere Beobachtungsliste aufgenommen, denn ich möchte die Liste meiner Favoriten übersichtlich belassen. Bertrandt gefällt mir besser als EADS oder Rheinmetall. Doch je nachdem wie Ihr Portfolio gestrickt ist, kann Rheinmetall eine sinnvolle Ergänzung für Sie darstellen. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Kurs in den nächsten Monaten deutlich zulegt. Schauen wir uns also das Unternehmen einmal an. Das Geschäft untergliedert sich in zwei fast ebenbürtige Geschäftsbereiche: Automotiv und Defence. Im Jahr 2009 wurden 1,5 Mrd. EUR im Bereich Automotiv umgesetzt. Lager, Kolben, Lüftungssysteme und insbesondere in der jüngsten Zeit Schadstoffreduzierungssysteme (Abgassysteme von der Rheinmetalltochter Pierburg haben im ersten Quartal 2010 ein Umsatzplus von 46% verzeichnet) werden an die Automobilindustrie geliefert. Im Jahr 2009 hat dieser Bereich jedoch mit einem operativen Verlust von 187 Mio. EUR abgeschlossen – verheerend. Rheinmetall hat veröffentlicht, dass die Sparte Automotiv ab 1,85 Mrd. EUR Umsatz profitabel arbeiten könnte. Im Jahr 2009, als der Umsatz einbrach, führte dies zu dem oben genannten heftigen Verlust und so hat man bereits im Jahr 2009 drastische Einsparungen vorgenommen. Für 2010 hat das Unternehmen nun verkündet, dass bereits bei einem Umsatz von 1,55 Mrd. EUR im Automobilbereich der Break-even erreicht ist. Für 2010 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von 1,65 Mrd. EUR und einem knapp positiven Ergebnis. Der Bereich Defence (Verteidigung) hingegen, ich würde es eher Rüstungssparte nennen, hat im Jahr 2009 1,9 Mrd. EUR umgesetzt und damit einen operativen Gewinn von 215 Mio. EUR erwirtschaftet. Fast unbeschadet von der Finanzkrise ist das Geschäft im Bereich Verteidigung hochprofitabel gewesen. Rheinmetall bietet Waffen, Munition, Flugabwehrsysteme, Verteidigungssysteme bis hin zu Panzern an. Insbesondere die gute Planbarkeit dieses Geschäftszweigs macht die Aktie von Rheinmetall attraktiv. Staaten als Kunde gelten als verlässlich (mal sehen, ob das noch lange so bleibt) und insbesondere der Verteidigungsetat wird derzeit weltweit eher ausgeweitet als geschrumpft. Immer wieder sehen wir Berichte in den Medien, mit welch antiquierter Ausrüstung unsere Soldaten in Afghanistan ausgestattet sind. Rheinmetall ist ein Rüstungskonzern und ähnlich wie bei BP muss ich auch hier einen kleinen Schlenker über die Moral des Investierens machen. Rüstungsgegner sagen, dass allein die Produktion von Waffen unsere Welt unsicher macht. Der populistische Ruf „fighting for peace is like fucking for virginity“ (Kämpfen für Frieden ist wie Vögeln für Jungfräulichkeit) lässt keinen Spielraum für Argumente. Doch ich stecke lieber Kursgewinne als Spenden in Friedensbewegungen als dass ich die Kursgewinne Menschen mit anderer Überzeugung überlasse. Doch zurück zur Aktie: Unterm’ Strich blieb im Jahr 2009 ein Verlust von 52 Mio. EUR stehen. Die Aktie wurde dementsprechend stark von 70 auf 20 Euro abgestraft. Inzwischen ist der Kurs wieder auf bis zu 54,50 Euro angestiegen, in den vergangenen Tagen holte die Korrektur den Kurs zurück auf nunmehr 45 Euro. Das Unternehmen hat für das Jahr 2010 einen Umsatz von 3,7 Mrd. Euro ausgegeben und möchte rund 250 Mio. Euro Gewinn einfahren. Rheinmetall ist bekanntermaßen konservativ mit solchen Prognosen, das heißt, man gibt gerne Ziele aus, die sich dann übertreffen lassen. Während ich mir in Sachen Umsatzentwicklung durchaus eine Verunsicherung vorstellen kann, weil eben der Sparzwang von Staaten derzeit besonders groß ist, und so wird zumindest vollmundig jede Kostenposition zur Diskussion gestellt werden, so erwarte ich jedoch auf der Ergebnisseite eine positive Überraschung durch den Wechselkurseffekt. Insbesondere die Verteidigungssparte von Rheinmetall produziert überwiegend in Deutschland und verkauft zwei Drittel ihrer Produkte ins Ausland (selbst die für kritisches Know-how gehaltene Verteidigungsbranche hat 60% Auslandsanteil). Der niedrige Euro-Kurs führt dazu, dass Rheinmetall günstig in Deutschland produzieren kann und sodann teuer im Ausland gegen US-Dollar verkauft. Analysten kalkulierten die Prognosen für 2010 mit einem Wechselkurs von rund 1,40 USD/EUR, derzeit steht der Kurs jedoch schon bei 1,24 USD/EUR. Für unsere Zwecke müssen wir das Auslandsgeschäft in EU und Nicht-EU trennen, da nur außerhalb der EU andere Währungen als der Euro verwendet werden. Das Verhältnis hält sich in etwa die Waage, so dass wir ein Drittel der laufenden Verträge in US- Dollar vermuten. Für diesen Teil des Auftragsbestands ist wechselkursbedingt eine positive Ergebnisüberraschung von bis zu 10% möglich. Doch es gibt noch ein Argument, das mich besonders positiv stimmt für Rheinmetall: Im Bereich der Verteidigungsindustrie sind sehr langfristige Verträge üblich. Anders als beim Massenmarkt der Automobilbranche produziert Rheinmetall nicht einfach so einen neuen Panzertyp und bietet das Produkt überall an, sondern bereits im Vorfeld werden EU-weite Ausschreibungen gemacht, genaue Spezifikationen werden festgelegt und Mindestabnahmemengen der einzelnen Auftragsländer werden vereinbart. Erst dann beginnt Rheinmetall mit der Entwicklung des neuen Panzers. So werden in diesem Jahr erstmalig die neuen Schützenpanzer namens Puma ausgeliefert. Der Puma löst den seit fast 40 Jahren im Einsatz befindlichen Marder ab. Allein die Bundeswehr hat im Juli 2009 405 Puma Panzer im Wert von 3 Mrd. Euro bestellt. Für Rheinmetall war dies der größte Auftrag der Firmengeschichte – und das im Krisenjahr 2009! Insgesamt ist der Auftragseingang der Verteidigungssparte Ende 2009 gegenüber 2008 um 83% angesprungen. Krisenbedingt ist der Auftragseingang der Automotivsparte rückläufig, doch das soll sich laut Rheinmetall im laufenden Jahr ändern. Unterm Strich nimmt der Auftragsbestand bei Rheinmetall seit 2004 kontinuierlich zu. Von 2,7 Mrd. Euro im Jahr 2004 über 3,2 Mrd. Euro im Jahr 2006 und 3,7 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 5,06 Mrd. Euro am Ende des ersten Quartals 2010. 5 Mrd. Euro also hat das Unternehmen abzuarbeiten, gleichzeitig strebt Rheinmetall einen Jahresumsatz von 3,7 Mrd. Euro an. Da ist schon heute für ausreichend Arbeit für die nächsten 16 Monate gesorgt. Welche Branche hat noch eine solche Prognosesicherheit? Moment, werden Sie sagen, was wenn die Staaten nun reihenweise ihre Aufträge streichen? Nun, ich will es nicht ausschließend, dass Länder wie Griechenland, Spanien und Italien ihre Abnahmeverpflichtungen neu verhandeln, um ein wenig Geld zu sparen. Doch ich rechne nicht damit, dass die Sparwünsche letztlich zu einem großen Teil umgesetzt werden können. Friedensmissionen werden immer populärer und eine stärkere Beteiligung Deutschlands und anderer EU-Länder wird von der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere von den USA, immer vehementer gefordert. Bei der schon heute veralteten Ausrüstung der Bundeswehr und bei gleichzeitig steigendem Engagement auf internationalem Feld wird sich eine drastische Budgetkürzung nicht durchsetzen lassen. Ungeachtet dessen ist es dennoch möglich, dass einige Verträge storniert werden und die jeweiligen Staaten lieber die Strafzahlung an Rheinmetall akzeptieren. Ich würde das als kleinen Zusatzverdienst für Rheinmetall betrachten. Aufgrund des hohen Auftragsbestands würden dann andere Aufträge abgearbeitet werden. Nachdem das Unternehmen im Jahr 2009 harte Kosteneinsparungen umgesetzt hat, rechne ich nicht mit Überkapazitäten im Jahr 2010. Kunden wie die USA und China sprechen aber garnicht von einer Verkleinerung des Verteidigungsbudgets, im Gegenteil. Hier erfolgen seit Jahren regelmäßig weitere Ausweitungen. Im Jahr 2010 soll das US-Budget um 2% steigen – und das in einem Jahr, indem die Überschuldung in Angriff genommen werden soll. Gestern meldete sich Finanzminister Schäuble zu Wort und verlangte in allen Bereichen, auch im Verteidigungsetat, striktes Kostenmanagement – zu deutsch: Einsparungen! Doch wie oben bereits ausgeführt, werden Einsparungen für Deutschland kaum möglich sein, denn wir sind langfristige Verpflichtungen in Afghanistan und anderswo eingegangen und müssen unsere Soldaten entsprechend ausstatten. Gerade die tragischen Vorfälle der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass eher mehr in Ausrüstung, Panzer, Ausbildung und Waffensysteme investiert werden muss als weniger. Andernfalls müsste Deutschland langfristig eine andere Außenpolitik betreiben, doch das steht offensichtlich derzeit nicht zur Diskussion. Für das Jahr 2011 erwarten Analysten durchschnittlich einen Gewinn von 4,87 Euro je Aktie. Somit notiert das Unternehmen derzeit auf einem KGV 10e von 9. Für ein Unternehmen mit einer so großen Planungssicherheit und dem Trigger von überraschenden Wechselkursgewinnen halte ich das KGV für zu niedrig. Die erwartete Dividendenrendite von 2% ist in Ordnung und die Nettoverschuldung konnte zuletzt deutlich um 225 Mio. auf 233 Mio. Euro reduziert werden. All das sieht grundsolide aus und in meinen Augen ist es eine Frage der Zeit, bis die Gewinnerwartung seitens der Analysten angehoben wird, was dem Kurs Beine machen würde. Auf Sicht von 12 – 18 Monaten kann ich mir ein KGV von 11 vorstellen, was für meine Erwartung eines Gewinns je Aktie von 5 Euro zu einem Kurs von 55 Euro führen würde.
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DE0007030009 RHM

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