Ölpreis: Alte Zöpfe abschneiden

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 12.11.2009
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Ich habe den Eindruck, dass die alten Zusammenhänge an der Börse immer mehr aufgebrochen werden. Teilweise passiert genau das Gegenteil dessen, was die herkömmliche Logik vorschreibt. Ein hoher Ölpreis beispielsweise war früher ein belastender Faktor für die Industrie.


Heute ist er ein Zeichen für eine gesunde Konjunktur. Ein hoher Ölpreis führt zu höheren Energie- und damit Produktionskosten bei der Industrie. Die Gewinne der Unternehmen sinken und in Folge dessen sind die Aktienkurse gefallen. Früher zumindest.

Heute, und das gilt seit nunmehr knapp zwei Jahren, wird ein hoher Ölpreis als eindeutiges Zeichen einer brummenden Weltkonjunktur gedeutet. Wer würde so viel Geld für ein Fass Öl ausgeben, wenn die damit hergestellten Produkte nicht anschließend zu einem entsprechend hohen Preis verkauft werden können?

Im Umkehrschluss wird ein fallender Ölpreis als Vorbote des Endes des weltweiten Konjunkturaufschwungs gedeutet. Egal ob der Ölpreis von 50 auf 40 oder von 80 auf 70 USD/Fass fällt, es wird als düsterer Vorbote gewertet und die Aktienkurse brechen ein.

Schauen Sie sich einmal die Ölpreisentwicklung am Morgen vor der Börseneröffnung an, dann haben Sie meist schon eine gute Vorstellung darüber, wie die Stimmung am Tag sein wird.

So folgt die Aktienbörse meiner Ansicht nach derzeit dem Ölpreis. Immer wieder lese ich Analysen, die für die steigenden Aktienkurse den fallenden US-Dollar verantwortlich machen. Doch das sind Analysen, die noch immer den Nabel der Welt in den USA sehen. Die Argumentation ist wie folgt: Der US-Dollar fällt aufgrund des überwältigend großen US-Haushaltsdefizits. Durch den niedrigen US-Dollar können US-Unternehmen mehr exportieren, denn die Preise sind wettbewerbsfähig. Und da die USA in den Augen dieser Analysten die einzig wichtige Volkswirtschaft unserer Welt ist, reicht es sodann aus, um die Weltwirtschaft mit anzukurbeln.

Doch diese Argumentation ist überholt, die USA haben schon lange an Bedeutung verloren. Deutsche und europäische Unternehmen erzielen schon lange ihre größten Wachstumsraten aus den Exporten nach Osteuropa und Südostasien. Dort wird der Wirtschaftskarren aus dem Dreck gezogen.

Wenn also die USA und der US-Dollar nicht mehr so wichtig sind und der Ölpreis die Geschicke unserer Weltwirtschaft bestimmt, was bestimmt dann den Ölpreis?

Nun, wie wir am Anstieg des Ölpreises auf 147 USD/Fass und am anschließenden Fall unter 36 USD/Fass gesehen haben, ist es nicht mehr die täglich benötigte Ölmenge, die den Preis bestimmt, sondern zu einem großen Teil sind es Spekulanten.
Derivate, die keine Öl-Lieferung erfordern, sondern einen Bar- Ausgleich nach sich ziehen, haben dazu geführt, dass die Hedgefonds, die falsch positioniert waren, reihenweise umgefallen sind wie die Fliegen. Gleichzeitig war von einer Ölknappheit bei 147 USD/Fass oder aber einem Überangebot bei 36 USD/Fass nichts zu sehen.

Man sollte doch meinen, dass solche Preisschwankungen in unserem täglichen Leben sichtbar werden, oder? Schauen Sie einmal, was auf den Straßen los ist, wenn der Milchpreis um 10 Cents steigt oder fällt. Ich habe jedoch keine Schlangen an den Tankstellen gesehen, auch gab es kein Tankstellensterben.

Ich finde es besorgniserregend, dass der Ölpreis, ein physikalisches Gut, durch Spekulationen beeinflusst werden kann, die vom physikalischen Öl völlig losgelöst sind. Und ich finde es besorgniserregend, wie stark die Aktienbörse ihre Rückschlüsse aus der Preisentwicklung des Öls zieht.

Ich kann Ihnen tausend Gründe nennen, warum sich unsere Wirtschaft erholt, warum die Unternehmen mehr Gewinn erwirtschaften und warum die Aktienbörse daher weiter ansteigen sollte. Doch sollten mir in den nächsten Monaten einmal die Argumente ausgehen, dann werde ich mir die Ölpreisentwicklung anschauen. Sollte der Ölpreis noch immer hochgetrieben werden, so wird die Rallye vermutlich noch eine Weile weiter laufen.

Doch nach den Kursgewinnen der vergangenen Monate ist derzeit die Angst groß, dass wir die Spitze erreicht haben und ein schwacher Ölpreis führt umgehend zu Verkäufen an den Aktienmärkten.

Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag