Ö̈l– spannendes Investment mit Tücken

Weimer Media Group GmbH
Veröffentlicht von Weimer Media Group GmbH am 29.01.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

BÖRSE am Sonntag

Die Auswirkungen unseres Ölkonsums sind trotz des wachsenden Umweltbewusstseins wieder in den Hintergrund getreten. Stattdessen werden die Schlagzeilen von den Sorgen um die Konjunktur und vor allem von den turbulenzen in den Fördergebieten beherrscht. Der Preis des schwarzen Goldes bewegt sich daher weiter auf hohem Niveau.


 

Wenn heute über Horrorszenarien in den Köpfen der Investoren berichtet wird, bezieht sich dies nur noch in den seltensten Fällen auf die Bilder der explodierten Bohrplattform „Deepwater Horizon“. Trotz der daraus resultierenden Umweltkatastrophe von bis dahin ungekanntem Ausmaß. Gemeint ist vielmehr der Absturz der Weltwirtschaft nach der Implosion der Investmentbank Lehman Brothers. Schließlich betraf das Ökodesaster nur die Umwelt und die Aktionäre der beteiligten Unternehmen, neben jenen von BP in diesem Fall vor allem auch jene der Plattformbetreiberfirma Transocean.

Krisen befeuern Spekulation

Der Einbruch der Weltwirtschaft nach der Bankpleite führte dagegen – aufgrund eines dramatischen Rückgangs der Nachfrage – zu einem rasanten Verfall der Ölpreise selbst. Insofern sah sich die gesamte Industrie, einschließlich ihrer bislang so verwöhnten Eigentümer, an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen: Neben den Einnahmen stürzten auch die Aktien und damit der Wert ihrer Ölkonzerne ab. In diesem Jahr ist trotz des schwierigen konjunkturellen Umfeldes nicht mit einer Wiederholung dieser Ereignisse zu rechnen. Vielmehr dürfte der Ölpreis aufgrund der Spannungen mit dem Iran sowie der instabilen Lage in Nigeria, dem größten Ölproduzenten Afrikas, weiter zulegen können.

Steigende Preise zu erwarten

Damit davon auch etwas bei den Aktionären ankommt, ist es wichtig, dass die Preise auch langfristig auf diesem hohen Niveau bleiben:

„Der Sektor benötigt einen Durchschnittspreis von 90 US-Dollar pro Barrel, um 2012/13 die Gewinnschwelle zu erreichen“, so die Deutsche Bank. Aus heutiger Sicht dürfte das kein Problem sein. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, rechnen die Rohstoffexperten des Branchenprimus im laufenden Jahr mit einem durchschnittlichen Brent-Ölpreis von 115 USDollar je Barrel. Für die US-Sorte WTI wird ein durchschnittlicher Preis von 105 US-Dollar pro Barrel erwartet. Auch für die Folgejahre erwarten die Experten weiter steigende Notierungen: Für das Jahr 2015 lautet die Prognose 125 US-Dollar pro Barrel für die Sorte Brent und 120 US-Dollar für das WTI-Produkt.

Bis zu 200 US-Dollar pro Fass

Derzeit notiert die Sorte WTI bei rund 100 US-Dollar. Für Anleger scheint damit alles klar: Man setzt auf einen steigenden Ölpreis und streicht in den kommenden Jahren eine schöne Rendite ein. Wächst sich der aktuelle Konflikt mit dem Iran zu einer größeren Krise aus, könnte der Preis nach Ansicht von Experten sogar in Richtung 200 US-Dollar pro Fass klettern. Für viele Anleger ist eine Spekulation auf höhere Ölpreise mit voller Partizipation jedoch praktisch kaum umsetzbar. Denn leider unterscheidet sich der Handel mit Rohstoffen grundlegend von der Wertpapieranlage oder Devisenspekulation.

Contango geht ins Geld

Rohstoffe werden an den sogenannten Terminbörsen mittels Future-Kontrakten gehandelt. Beziehen sich Derivate – beispielsweise Zertifikate – auf einen einzelnen Rohstoff, müssen diese daher aus Future-Kontrakten konstruiert werden. Da diese Terminkontrakte jedoch zeitlich begrenzt sind, die begebenen Zertifikate aber meist über deren Fälligkeitstermin hinaus weiterlaufen, müssen die Emittenten die zugrunde liegenden Positionen anpassen. Zu diesem Zweck wechseln sie regelmäßig kurz vor dem Laufzeitende des jeweiligen Kontraktes in den nächst fälligen. Diese Vorgehensweise bezeichnet man im Fachjargon als rollieren oder rollen. Bei diesem Wechsel kommt es nun stark auf das Verhältnis der Terminnotierungen an: Sind die längerfristigen Kurse höher, wie derzeit beim Öl, kommt es beim Rollieren zu Verlusten. Denn für den Betrag, den man beim Verkauf der fälligen Terminkontrakte erhält, bekommt man weniger vom nächsten. Diese Situation wird als Contango bezeichnet. Umgekehrt folgt natürlich, dass im Falle niedrigerer längerfristiger Preise Gewinne anfallen: Diese Konstellation wird als Backwardation bezeichnet.

Zertifikate langfristig abgeschlagen ...

Mitte des Jahres 2008 ging der Preisboom an den internationalen Rohstoff börsen zu Ende und die Notierungen stürzten in den folgenden Monaten ab. Die Rohölpreise fielen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von Juli bis Dezember 2008 von etwa 130 US-Dollar auf rund 40 US-Dollar pro Barrel. Bereits im Jahr 2009 begannen sich die Rohölpreise jedoch wieder zu erholen. Die Erwartungen einer konstanten Nachfrage aus Asien und Begrenzungen der Förderung in den OPEC- Ländern wirkten damals als Preistreiber. Seit Anfang 2009 befand sich der Ölmarkt daher kontinuierlich in einer Contango-Situation. An den Märkten führte das zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen: Der Ölpreis selbst legte in den letzten drei Jahren um sage und schreibe 250% zu. Wer mit einer solchen Aufholjagd gerechnet hat und Anfang 2009 bei rund 40 USDollar auf steigende Preise gesetzt hatte, hätte also eigentlich allen Grund zur Freude. Doch die Inhaber von herkömmlichen Öl-Trackern können sich nur über ein Miniplus zwischen 5,5% (WKN: GS5HH1) beziehungsweise 25% (WKN: AA01WF) freuen.

... aber kurzfristig aussichtsreich

Vergleicht man die Ölpreis-Entwicklung mit jener der Aktien der großen Ölkonzerne, muss man feststellen, dass auch die Börsenkurse der Multis nicht im gleichen Maß gestiegen sind wie der Rohstoff selbst. Der STOXX Europe 600 Oil & Gas NR Index, der 34 europäische Energieunternehmen umfasst (u. a. BP, Total, Royal Dutch Shell) konnte im gleichen Zeitraum nur um 41% zulegen. Die Kurszuwächse blieben damit zwar deutlich hinter den Rohstoffnotierungen zurück, gegenüber den Zertifikaten schnitten sie jedoch deutlich besser ab. Dies ist kein Zufall. Über längere Zeiträume müssen Derivate mit Rollmechanismus, die sich auf Rohstoffe beziehen, welche sich in einer Contango-Situation befinden, zwangsläufig deutlich schlechter abschneiden als der Basiswert. Gleiches gilt über längere Betrachtungszeiträume im Verhältnis zu Branchenindizes. Anders liegt der Fall nur, wenn sich die Derivate auf einen bestimmten Kontrakt mit identischer Restlaufzeit beziehen. Steigt der Preis des Basiswertes stärker als in dem Future-Kontrakt antizipiert, ist der Anleger in vollem Umfang dabei.

Fazit

Laut Moody’s Investor Service gehören Shell, BP, Total und Statoil zu den 20 europäischen Firmen mit den höchsten Barreserven. Die Analysten rechnen daher im laufenden Jahr mit einer Aufstockung der Dividenden. Mittelfristig orientierte Anleger sollten sich daher breit angelegte Sektorindizes wie beispielsweise den NYSE Arca Oil Index (z. B. über Zertifikat; WKN: SG0F4L) oder den STOXX Europe 600 Oil & Gas (z. B. über ETF; WKN: ETF072) näher ansehen. Wer ob der Spannungen mit dem Iran kurzfristig auf starke Steigerungen spekulieren möchte, greift zu Derivaten, die sich auf einen bestimmten Future-Kontrakt beziehen. 

 

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