Mit Cholesterinsenkern ist für die Pharmaindustrie immer noch sehr viel Geld zu verdienen

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 25.02.2015
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Aktionärsbrief

2006 spülte das Blockbuster-Medikament „Lipitor“ seinem Hersteller Pfizer rund 14 Mrd. $ in die Kasse. Nimmt man das Konkurrenzpräparat „Crestor“ von AstraZeneca dazu, das im Gegensatz zu Lipitor immer noch unter Patentschutz steht, gab es zu Rekordzeiten einen Gesamtumsatz von jährlich knapp 20 Mrd. $. Lipitor wird allerdings mittlerweile von vielen Nachahmerprodukten bedrängt und bescherte Pfi zer 2014 lediglich noch einen Umsatz von 2,1 Mrd. $. Crestor, das sich erst ab 2016 auf Konkurrenz durch Generika einstellen muss, brachte es dagegen 2014 immerhin noch auf 5,5 Mrd. $.


Lipitor und Crestor sind beides sogenannte „Statine“, die zur Behandlung von Hypercholesterinämie eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um eine echte Volkskrankheit, sind doch alleine in den USA, Japan und Europa 320 Mio. Menschen von diesem Leiden betroffen. Da diese Wirkstoffgruppe immer noch gut ihren Zweck erfüllt und die Präparate mittlerweile durch viele Nachahmermedikamente verhältnismäßig günstig geworden sind, dürften sie bei der Behandlung von Hypercholesterinämie noch längere Zeit eine wichtige Rolle spielen.

Aber natürlich macht der Fortschritt auch hier nicht Halt. Längst gibt es neue Arten von Cholesterinsenkern, die aber wiederum erheblich teurer sind als die Präparate aus der Klasse der Statine. Als Erstes sind hier die sogenannten PCSK9-Inhibitoren zu nennen, die wegen ihrer hohen Kosten bei Gesundheitsbehörden und privaten Krankenversicherungen hohe Wellen schlagen. PCSK9-Hemmer werden im Gegensatz zu Statinen nicht in Form von Tabletten, sondern intravenös verabreicht. Das verteuert den Herstellungsprozess signifi kant. Zudem wird der Wirkstoff aus lebenden Zellkulturen hergestellt, was ebenfalls die Kosten nach oben treibt. Dazu kommen groß angelegte klinische Studien. Verständlich, dass die drei Hersteller, die bei PCSK9-Hemmern im Rennen sind, ihre Kosten möglichst schnell wieder einspielen wollen.

Die beiden großen US-Medikamenteneinkaufsorganisationen haben nun wegen der hohen zu erwartenden Kosten Alarm geschlagen. Demnach würden die neuartigen Cholesterinsenker dem US-Gesundheitswesen Kosten in Höhe von 150 Mrd. $ pro Jahr bereiten. In diese Rechnung mit einbezogen wurden u. a. alle US-Bürger, die Statine nicht vertragen oder auf sie nur unzureichend reagieren. Allerdings ist die angenommene Patientenanzahl von insgesamt 15 Mio. umstritten. Eine Studie von Barclays geht beispielsweise nur von einer Zielgruppe von 4 Mio. Patienten aus den USA aus.

Besonders von den neuen Medikamenten dürften Patienten profi tieren, die die Hyper- Cholesterinämie durch Vererbung erworben haben. Bei ihnen sind die Cholesterinwerte im Blut besonders erhöht. 600.000 US-Amerikaner sind von dieser Erbkrankheit betroffen. Dazu kommen laut Barclays-Studie noch 800.000 Patienten, die keine Präparate auf Basis von Statinen vertragen. Einen großen Unsicherheitsfaktor sieht die Studie in den 3 Mio. Patienten, die aufgrund von Diabetes oder früherer Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders exponiert für koronare Herzerkrankungen sind. Nur wenn es gelingt, einen großen Teil dieser dritten Gruppe für PCSK9-Hemmer zu gewinnen, wird sich die Entwicklung der innovativen Präparate für die Hersteller letztlich auszahlen.

Um diesen Pool von zukünftigen Patienten zu erschließen, bedarf es langjähriger Studien, in denen die präventive Wirkung von PCSK9-Hemmern nachgewiesen wird. Derzeit laufen bereits drei groß angelegte klinische Studien, an denen insgesamt 70.000 Probanden beteiligt sind. Die Ergebnisse werden für das 1. Halbjahr 2018 erwartet. Fallen diese erwartungsgemäß positiv aus, dürften bis zur endgültigen Zulassung noch ein bis zwei weitere Jahre vergehen. Also ist nicht vor 2019 oder 2020 mit einer Marktzulassung zu rechnen. Aber:

Für die beiden kleineren Patientengruppen (Unverträglichkeit oder schlechte Wirksamkeit von Statinen) ist sehr viel früher mit einer Zulassung zu rechnen. Schließlich ist bei diesen Indikationen die hohe Wirksamkeit bereits erwiesen. AMGEN beispielsweise hat im Sommer 2014 für sein Medikament „Evolozumab“ als erster Hersteller die Zulassung für einen PCSK9-Hemmer beantragt. Die US-Gesundheitsbehörde FDA will bis zum 27. August ihre Entscheidung mitteilen. Mit „Alirocumab“ befindet sich aber schon ein zweiter PCSK9-Hemmer im US-Zulassungsverfahren. Die beiden Entwicklungspartner, SANOFI und REGENERON, dürfen wohl ebenfalls in diesem Sommer mit einer Entscheidung rechnen.

Eigentlich rechnet kaum jemand mit einer abschlägigen Entscheidung der FDA. Das Geschäft mit PCSK9-Hemmern könnte also bereits in diesem Sommer anlaufen, wenn auch erst mit einer relativ kleinen Zielgruppe, sodass das volle Potenzial bei weitem noch nicht ausgespielt werden kann. Am meisten dürfte AMGEN (867 900; 157 $) profi tieren, allerdings hat die Aktie bereits einiges an guten Erwartungen eingepreist. Das spiegelt sich auch in einem im Branchenvergleich leicht überdurchschnittlichen KGV von 17 per 2015 wider. SANOFI (920 657; 88,75 €) ist zwar mit einem KGV von 16 nur unmaßgeblich günstiger, aber die Franzosen haben noch weitere Pfeile im Köcher, stehen sie doch vor einer umfassenden Verjüngung des Produktportfolios.
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