Investorenansturm auf Baumwolle

BörseGo AG
Veröffentlicht von BörseGo AG am 09.09.2010
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Gold- & Rohstoff-Report

Der Agrarsektor sorgt weiter für erhebliche Bewegung an den Warenterminbörsen. Viele Rohstoffe erreichten in den vergangenen Monaten die höchsten Notierungen seit Jahren. Das gilt etwa für Mageres Schwein und Mais, Kaffee und Kakao, in besonderem Maß aber für Baumwolle. Mit Kursen von mehr als 92 US-Cent pro Pfund markierte die Textilfaser in dieser Woche den höchsten Stand seit 1995.


Gegenwärtig ist Baumwolle zur Lieferung im Dezember um mehr als die Hälfte teurer als noch vor Jahresfrist. Händler verweisen zur Begründung vor allem auf historisch betrachtet ungewöhnlich niedrige Lagerbestände. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate sind die Vorräte in den Lagerhäusern der „Intercontinental Exchange“ (ICE) um etwa 95 Prozent auf rund 18.000 Ballen (zu 218 Kilogramm) gefallen, was den tiefsten Stand seit mehr als 8 Jahren markiert. Kaufinteressenten haben entsprechend Schwierigkeiten, ihren Bedarf zu decken. Das gilt auch außerhalb der börsenzertifizierten Lagerhäuser. Trotz guter Ernteaussichten in den USA, Indien und Australien rechnet das US-Landwirtschaftsministerium zum Ende der Saison 2010/2011 am 31. Juli des kommenden Jahres mit einem Rückgang der globalen Bestände auf 45,6 Millionen Ballen. Ein vergleichbarer Wert wurde zuletzt vor mehr als 10 Jahren erreicht. Diese Entwicklung spiegelt sowohl die unzureichende Produktion der vergangenen Jahre als auch die unerwartet robuste Nachfrage der Textilindustrie. Auf der Angebotsseite zeichnet sich der Baumwollmarkt seit etwa fünf Jahren durch ein kontinuierliches Defizit aus. Der Niedergang der Lagerbestände ist keine Folge eines Sonderereignisses, sondern Ausdruck eines länger währenden strukturellen Ungleichgewichts. Dieser zu Grunde liegende Trend wurde zwar zwischenzeitlich durch eine Nachfragedelle in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise überlagert, rückt nun aber wieder verstärkt in den Vordergrund. Die geringere Nachfrage resultierte in erster Linie aus dem damaligen Lagerabbauzyklus der Textilhersteller, die sich auf eine länger andauernde Phase schlechterer Absatzbedingungen einstellten. Entgegen den Erwartungen zeigte sich die tatsächliche Endkundennachfrage jedoch überraschend stabil, in Teilen Asiens sogar dynamisch. Vor diesem Hintergrund sehen sich viele Textilhersteller seit einiger Zeit gezwungen, die zuvor geleerten Bestände bei ungünstigen Marktverhältnissen aufzufüllen. Dabei konkurrieren die Hersteller zunehmend mit Finanzinvestoren um die knappen Vorräte an den Terminbörsen. In den vergangenen Wochen haben spekulative Marktteilnehmer ihre Wetten aufsteigende Notierungen deutlich ausgeweitet, und so für zusätzliche Nachfrage gesorgt. Laut den neuesten Daten der CFTC hält diese Gruppe aktuell eine Netto-Longposition von mehr als 72.000 Kontrakten. Das entspricht einem Anteil von rund 36 Prozent am gesamten Long-Open-Interest. Unter dem Strich sind Hedge-Fonds und andere institutionelle Anleger damit so stark engagiert, wie zuletzt kurz vor dem Platzen der Rohstoffpreisblase im Jahr 2008. Die starke Positionierung dieser teilweise sehr kurzfristig handelnden Akteure spricht dafür, dass zumindest ein Teil des jüngsten Kursanstieges eine Übertreibung darstellen könnte. Ob die fundamentalen Bedingungen den gegenwärtigen Preis tatsächlich rechtfertigen bleibt fraglich. Nach Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums wird die globale Produktion in der am 1. August angelaufenen Saison 2010/2011 um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 116,85 Millionen Ballen ansteigen. Dem gegenüber sei ein Anstieg der globalen Nachfrage um 2,7 Prozent auf mehr als 120 Millionen Ballen möglich, heißt es in der letzten Schätzung der Behörde. Während auf den etablierten Märkten der Industrienationen wenig Wachstum zu erwarten ist, sorgt das ungebrochen hohe Wirtschaftswachstum in Indien und vor allem in China für größere Nachfrage. Allerdings dürfte eine zunehmende Zahl von Herstellern von den hohen Preisen abgeschreckt werden, und versuchen Baumwolle durch günstigere synthetische Fasern zu substituieren. Der Einfluss dieser Maßnahmen auf den tatsächlichen Verbrauch lässt sich jedoch kaum quantifizieren. Auf der Gegenseite besteht die reale Gefahr, dass Exportländer ihre Ausfuhren beschränken, um den Preisanstieg auf dem Inlandsmarkt abzukühlen. Das würde eine weitere Verknappung des Weltmarktangebots nach sich ziehen. Unabhängig davon dürfte die unmittelbar vorherrschende Knappheit im vierten Quartal zunächst abebben. Dafür sorgen vor allem die USA, die mit einem erwarteten Ertrag von 18,2 Millionen Ballen um rund 50 Prozent mehr Baumwolle auf den Markt bringen werden als im Vorjahr. Auch in Indien deutet vieles auf eine ausgesprochen gute Ertragsentwicklung hin. In der bis Ende September andauernden Saison rechnen Marktbeobachter mit einem Ausstoß von 29,5 Millionen Ballen (zu 170 Kilogramm), in der kommenden Periode könnte der Wert auf 32 Millionen Ballen gesteigert werden. Obwohl bereits wieder Gerüchte um eine mögliche Fortsetzung der Exportbeschränkungen des Landes kursieren, deutet vieles darauf hin, dass Indien wie in vergangenen Jahren auch wieder eine wichtige Rolle als Exporteur einnehmen wird. Sollten in den nächsten Wochen neue Meldungen über wetterbedingte oder sonstige Erntebeeinträchtigungen ausbleiben, rechnen wir mit Gewinnmitnahmen institutioneller Investoren. Angesichts der erheblichen Positionsgröße dieser Anlegergruppe wäre auch ein deutlicherer Rücksetzer vorstellbar. Wegen der sehr geringen Lagerbestände und der hohen Präsenz spekulativer Marktteilnehmer sollten Privatanleger derzeit jedoch nur mit äußerster Vorsicht auf dem Markt aktiv werden, da diese Ausgangslage plötzliche und heftige Kursbewegungen.
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