„Ich sehe Gold bei 8000 US-Dollar“
Ob als Angestellter bei JP Morgan Chase, als Edelmetallhändler oder als Manager der Rohstoffabteilung des Staatsfonds von Abu Dhabi – James Turk blickt auf 40 bewegte Jahre am Kapitalmarkt zurück. Heute schreibt Turk Investment-Newsletter und Bücher oder hält weltweit Vorträge. Über die aktuelle Lage auf dem Goldmarkt und die wachsende Bedeutung Chinas sprach Turk mit unserem Redakteur Nico Popp.
Nachdem wir im letzten Teil unseres Interviews mit der Ausweitung der Geldmenge die wichtigste Triebfeder steigender Goldpreise betrachtet haben, lassen Sie uns jetzt auf den Goldmarkt blicken. Wie schätzen Sie das Angebot bei Gold ein?
Das Gute an Gold ist das konstante Angebot. Die Goldmenge wächst jährlich zwischen 0,25 und 0,75 Prozent, da die Minen neues Gold fördern. Angesichts der hohen Nachfrage fällt das jedoch nicht so stark ins Gewicht. Schließlich wird Gold eher eingelagert oder zu Schmuck verarbeitet und nicht im industriellen Bereich verbraucht, wie das bei anderen Rohstoffen der Fall ist. Daher kann man davon ausgehen, dass der größte Teil des Goldes, der je gefördert wurde, noch existiert.
Gibt es auf der Angebotsseite nicht Anlage-Chancen? Kennen Sie interessante Gold-Projekte?
Es gibt einige interessante Projekte, aber lassen Sie mich zur fundamentalen Situation zurückkommen. Zwar werden immer wieder neue Minen in Produktion gebracht, andererseits müssen aber auch immer wieder Minen aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden. Die Ökonomie des Bergbaus führt dazu, dass das Angebot jedes Jahr eben nur zwischen 0,25 und 0,75 Prozent wächst. Diese Wachstumsrate entspricht übrigens in etwa dem Wachstum der Weltbevölkerung. Auch daher bin ich davon überzeugt, dass Gold die Kaufkraft konserviert – die Goldmenge wird nicht in übertriebenem Maße ausgeweitet. Mit einer Unze Gold können Sie heute genau so viel Rohöl kaufen wie vor 60 Jahren.
Mal etwas anderes: Vor einiger Zeit las ich eine Geschichte über Goldförderung mittels Bakterien. Was halten Sie davon und wie sehen Sie die Entwicklung neuer Fördermethoden?
Es gibt verschiedene Techniken, um Gold aus dem Stein zu lösen. Die Geschichte mit den Bakterien gibt es schon einige Jahre, und die Abbautechniken entwickeln sich immer weiter. Allerdings haben diese Methoden immer noch keinen großen Einfluss auf den Goldmarkt. Ich bin kein Spezialist für Abbautechniken, aber lassen Sie es mich allgemein formulieren: Vor einigen Jahren revolutionierte das Heap-LeachingVerfahren (Anmerkung der Redaktion: Säure trennt Gestein und Rohstoff bereits im Boden, Rohstoffe werden dann abgepumpt) den Bergbau und ermöglichte den Abbau von Rohstoffen aus Gestein mit niedrigem Rohstoffanteil. Vielleicht wird die Rohstoffproduktion mit Bakterien den Bergbau in den nächsten zehn Jahren wieder revolutionieren. Ich glaube aber auch dann nicht daran, dass sich das Angebot von Gold merklich ausweiten wird. Es wird weiterhin jährlich zwischen 0,25 und 0,75 Prozent wachsen, also genau so wie es auch während der vergangenen Jahre war, in denen es ebenfalls technologische Fortschritte gab.
Gold-Bugs müssen also keine Angst vor Bakterien haben?
Nein! Sehen Sie es so: Zentralbanken drucken derzeit einfach viel mehr Geld, als Bakterien Gold finden könnten.
Schauen wir auf die Nachfrage. Eine immer bedeutendere Rolle auf dem Goldmarkt nimmt China ein. Wie sehen Sie China?
China ist inzwischen zum größten Goldproduzenten der Welt geworden. Bis zum vergangenen Jahr produzierte das Land genau so viel Gold, wie der Binnenmarkt nachgefragt hat. China war also für den internationalen Goldmarkt kein bedeutender Faktor. Inzwischen hat sich das geändert. Heute importiert China große Mengen Gold. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass die Nachfrage aus China der bedeutendste Preistreiber für Gold in diesem Jahr wird. Die steigenden Preise in China – dort klettern die Preise insbesondere bei Nahrungsmitteln um bis zu 8 Prozent – führen dazu, dass die Chinesen Gold kaufen. Da diese Nachfrage von den Minen in China nicht mehr befriedigt werden kann, gehen wir von großen Goldund Silberimporten nach China aus. Dieser Trend dürfte sich sogar noch verstärken, da voraussichtlich die Inflation in China eher noch wachsen wird. Aus meiner Sicht sind daher in diesem Jahr China und die expansive Geldpolitik der Notenbanken wichtige Indikatoren für steigende Goldpreise.
Halten Sie China als Gold-Importeur inzwischen für wichtiger als Indien?
Fast. (lacht) Man muss das Wachstum betrachten. Die Tatsache, dass China vor einem Jahr kaum Gold importiert hat und schon dieses Jahr mit 300 bis 400 Tonnen zu den größten Importeuren gehören wird, spricht für China. Das reicht allerdings noch nicht an die Importmengen Indiens heran, ist aber im internationalen Vergleich viel.
Was halten Sie eigentlich von den Gerüchten, dass große Investmentbanken wie JP Morgan Chase oder HSBC Short in Silber und Gold sind und großen Einfluss auf die Märkte haben?
Ich weiß nicht, was die Banken machen. Es wurde nie bewiesen, dass JP Morgan oder HSBC die großen Leerverkäufer sind. Zudem ist es egal, wer Short ist: Es ist derzeit einfach so, dass die Geldmenge viel stärker wächst als die Goldmenge. Das ist eine Tatsache. Alles andere sind unbestätigte Gerüchte. Zwar haben Banken schon viele Dinge getan, die sie zunächst dementiert haben, aber ich glaube, wir müssen die Banken heute bei ihrem Wort nehmen, wenn sie sagen, dass sie mit ihren Shorts bei Edelmetallen nur physische Bestände absichern.
Lassen Sie uns gegen Ende des Interviews über Kursziele reden. Die Chart-Analysten von GodmodeTrader.de prognostizieren einen Silberpreis von 50 US-Dollar je Unze. Wo sehen Sie Silber?
Ich sehe Silber über dieser Marke. Ein Anstieg auf 50 US-Dollar bei Silber ist nur ein Anfang. Langfristig sehe ich Silber bei 400 US-Dollar. Lassen Sie mich das begründen: Ich glaube, dass der Goldpreis zwischen 2013 und 2015 auf 8.000 US-Dollar steigen wird. Das habe ich schon im Jahr 2003 gesagt. Wenn ich mit dieser Preisprognose für Gold Recht habe und das Preisverhältnis zwischen Gold und Silber auf 20:1 fällt, wovon ich ausgehe, ergibt sich ein Silberpreis von 400 US-Dollar
je Unze. Sie fragen sich jetzt sicherlich, wie ich auf die 8.000 US-Dollar bei Gold komme?
Genau!
Hier ist mein Hauptgrund: In den 1970er Jahren stieg Gold von 35 USDollar auf 800 US-Dollar je Unze. Als ich im Oktober 2003 meine Prognose abgegeben habe, stand Gold bereits bei 350 US-Dollar. Wegen der Inflation zwischen 1971 und 2003 hat die Kaufkraft des Dollars merklich nachgelassen, genauer gesagt, sie hat sich in etwa gezehntelt. Daraus leite ich mein Kursziel ab. Geschichte kann sich wiederholen. Wenn Gold in den 1970ern von 35 auf 800 US-Dollar steigen konnte, kann es auch von 350 in 2003 auf 8000 US-Dollar steigen. Die Wirtschaft verläuft zyklisch. Jetzt ist wieder wie in den 1970ern eine Phase des Abschwungs dran. In solchen wirtschaftlichen Phasen nähert sich auch das Verhältnis von Gold und Silber an. Ich gehe in meinen Prognosen daher davon aus, dass man künftig mit zwanzig Unzen Silber eine Unze Gold kaufen kann. Dieses Verhältnis kann aber auch noch geringer werden.
Sie gehen also davon aus, dass Silber das bessere Gold ist?
Gold ist Gold, aber Silber ist durchaus eine attraktive Anlage – es ist allerdings viel volatiler als Gold. Silber wird im Vergleich zum Gold nicht nur als klassisches Edelmetall angesehen, sondern findet eine breite Anwendung in der Industrie. Das macht den Silberpreis anfälliger für Schwankungen. Hinzu kommt, dass Silber anders als Gold vom Markt verschwindet. Wenn wir Silber auch als Industriemetall begreifen, müssen wir davon ausgehen, dass Teile davon verbraucht werden. Diese industrielle Seite von Silber macht es für Anleger sehr attraktiv. Das Silber-Gold-Verhältnis ist in den letzten Jahren schon von 90 auf 40 gefallen. Ich gehe davon aus, dass sich dieses Verhältnis wie erwähnt noch weiter einengen wird. Der Nachteil bleibt aber die höhere Volatilität.
Eine letzte Frage: Sie gehen davon aus, dass Gold eine Versicherung gegen die Inflation ist. Gibt es daneben noch ein anderes Szenario für Gold? Kann man Gold auch aus anderen Gründen kaufen?
Gute Frage! Gold hat auch schon in deflationärem Umfeld Abhilfe geschaffen. Das war in den 1930ern. Unabhängig davon, ob Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs inflationäre oder deflationäre Ursachen haben: Menschen suchen nach Sicherheit. Während eines deflationären Schocks, wenn Banken pleitegehen, fragen Anleger verstärkt Gold nach, weil es ein belastbares Investment ist. Schließlich ist physisches Gold Geld außerhalb des Bankensystems. Im Falle von Inflation setzen Anleger wiederum auf physisches Gold, um ihre Kaufkraft zu erhalten.
Vielen Dank für das Gespräch.