GREENWASHING ODER STRATEGIEWECHSEL?

Veröffentlicht am 23.02.2010

Offenbar war die Krise wenigstens für etwas gut. Sie hat dem Thema nachhaltige Investments Auftrieb gegeben. „Von September 2008 bis März 2009, also in dem Zeitraum, in dem die Finanzkrise das beherrschende Thema war, haben wir sehr viele neue Kunden gewonnen“, sagt Robert Haßler, Chef der Nachhaltigkeitsrating-Agentur oekom research aus München. Allerdings wolle er es nicht so verstanden wissen, dass die Turbulenzen an den Finanzmärkten der einzige Grund gewesen seien.


Bisher habe die Finanzkrise keine Bremsspuren in der Corporate Responsibility der internationalen Großkonzerne hinterlassen. Das Gegenteil sei sogar der Fall. Es gebe viele Beispiele, dass Nachhaltigkeit als Teil der Lösung der aktuellen Probleme gesehen werde. Der „Mehrwert“ von Nachhaltigkeit werde von immer mehr Unternehmen erkannt. oekom research zeigt die Unternehmen auf, die innerhalb ihres Sektors die besten sozialen und umweltbezogenen Leistungen vorweisen können. Die Analysen von oekom research beschäftigen sich auch mit einem anderen Trend, der mit Nachhaltigkeit einhergeht: Greenwashing. „Vereinzelt erkennt man in den entsprechenden Aktivitäten von Unternehmen den Wunsch, endlich wieder einmal positive Nachrichten zu produzieren, und in einigen Fällen eilt dabei die Kommunikation der tatsächlichen sozialen und umweltbezogenen Leistung ein gutes Stück voraus“, so Haßler. Unternehmen aus konventionellen Branchen seien insgesamt noch weit entfernt von einer durchgängig nachhaltigen Unternehmensführung. Gerade die öffentlichen Banken zeigten nach wie vor „deutliche Defizite im CR-Management“. Allerdings gibt es auch eine positive Ausnahme. Die Branche „Haushaltsprodukte“ habe als erster Vertreter einer konventionellen Sparte überhaupt den von oekom research festgelegten Mindest - standard überschritten. Dass es zwischen Krisen und dem Thema nachhaltiges Investment einen gewissen Zusammenhang gibt, kann nicht verneint werden. Vor 2001 habe es eine eher untergeordnete Rolle gespielt. „Mit der Dot.com-Blase hat es ein ähnliches Momentum gegeben wie jetzt. Zahlreiche Anleger hatten erkannt, dass sie auf etwas gesetzt haben, das keinen Bestand hatte. Damals sind auch die ersten institutionellen Anleger zu uns gekommen“, sagt Haßler. 2010 werden Nachhaltigkeitsthemen noch stärker auf der öffentlichen Agenda nach oben rücken. Das gelte vor allem für den Klimawandel. Dass dieser tatsächlich stattfindet, wird zwar momentan öffentlich von den Klimawandel gegnern angezweifelt. Der eine Grund dafür, dass diese in den Medien Gehör finden, ist der extrem kalte Winter. Da rückt der Gedanke an die Erderwärmung in die Ferne. Der andere Grund ist weniger banal: Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (IPCC) hatte erst vor kurzem für Negativschlagzeugen gesorgt, weil er 2007 eine Studie verbreitet hatte, in der fälschlicherweise behauptet wurde, dass die Himalaya-Gletscher bis 2035 abschmelzen. Dieses Datum ist nach neusten Erkenntnissen deutlich zu früh angesetzt. „Rechenfehler kommen vor, aber das ändert nichts an dem Grundproblem des Klimawandels“, betont Haßler und fügt hinzu: „Es ist ein Fakt, dass sich die CO2- Konzentration erhöht und dass die Extrem-Wetterlagen zunehmen.“ Erneuerbare Energien, der CO2-Anstieg, Wasserknappheit und der Erhalt der Artenvielfalt seien immer noch viel zu schwach in den Köpfen der Menschen verankert. Auch oekom research bewertet nach dem Best-in-Class- Ansatz. Der Hintergedanke davon ist, wie bereits schon zuvor in dem Artikel „Nachhaltigkeit kann verwirren“ erwähnt wurde, dass die Unternehmen so angespornt werden, sich zu verbessern. Laut den Analysen von oekom research existiert zumindest in einigen Branchen ein Konkurrenzkampf um die beste Nachhaltigkeitsleistung. „Die vergleichsweise hohe Zahl der Wechsel bei den Branchenbesten ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb um die Spitzenposition in vollem Gange ist. Damit ist ein zentrales Ziel nachhaltiger Investoren, innerhalb Branchen einen Wettbewerb um mehr Nachhaltigkeit auszulösen, zumindest in einigen Branchen tendenziell erreicht worden“, so oekom research. Allerdings finde der Wettstreit häufig innerhalb einer klar abgrenzbaren Spitzengruppe statt. Das Thema sei bei vielen Branchen noch nicht in der Breite verankert. Um herauszufinden, welches Unternehmen das nachhaltigste seiner Klasse ist und nicht gegen die Ausschlusskriterien verstößt, recherchieren 24 Analysten bei oekom research. Hinzu kommt noch ein breit vernetzter Expertenpool, der zu Rate gezogen wird. Durch das Internet gelange man zwar an viele Informationen, viele davon seien aber auch Unsinn. „Man muss die Spreu vom Weizen trennen“, sagt Haßler. Das bedeute, dass die Analysten filtern müssen, welche der verschiedenen Vorwürfe substanziell seien. Gibt es beim Zulieferer von Unternehmen X tatsächlich Kinderarbeit? – um solche Fragen richtig zu beantworten, ist nicht nur intensive Recherche, sondern auch Know- How gefragt. Gerade bei kontroversen Sachverhalten müsse in Erfahrung gebracht werden, ob es tatsächlich so sei. Wie aus dem Corporate Responsibility Review 2009 hervorgeht, hat oekom research bis zum März vergangenen Jahres 1.100 Unternehmen beobachtet. Die Unternehmen im DAX und im Dow Jones Euro STOXX 50 werden dabei komplett abgedeckt. Die Aktien des MSCI World werden zu 75 Prozent und die des Dow Jones STOXX 600 zu 85 Prozent gecovered. Von den Analysten werden 175 Unternehmen aus 22 Staaten aus den Bereichen Bildung, erneuerbare Energien, Recycling und Wasser beobachtet. Im vergangenen Jahr waren drei deutsche Unternehmen die besten innerhalb ihrer Branche: BASF, Henkel und Puma. Nach Industriezweigen betrachtet glänzte die Recycling-Branche. Der Bankensektor war dagegen das Schlusslicht. Das gilt auch für den Punkt „Transparenz über Vorstandsvergütungen nach Branchen“. Am besten schnitt dort die Öl- und Gas-Branche ab. Ob sich die Namen der Vorzeigunternehmen und –branchen geändert haben, wird sich im Corporate Responsibility Review 2010 zeigen, den oekom research im März veröffentlichen wird.

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