Gerüchte reichten für Bodenbildung

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 08.06.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Der Boden des jüngsten Ausverkaufs wurde durch Gerüchte markiert. Gerüchte über ein Geheimtreffen der Regierungschefs der G8, oder deren Finanzminister, oder der Notenbankchefs, oder ... ach, so richtig konkret wurden die Gerüchte gar nicht. Es reichte schon zu behaupten das die Situation so ernst geworden ist, dass ein Geheimtreffen fällig wäre.


Auf diesem Geheimtreffen würde dann beschlossen, dass Deutschland sein
Portemonnaie öffnet und Europa rettet, oder so ähnlich. Eine weltweit
konzertierte Aktion zur Stützung der aus dem Ruder gelaufenen
Finanzmärkte, Staatsfinanzen, Bankbilanzen, ...

Schlimmer als die Gerüchte selbst ist für mich die Situation, der diese
Gerüchte entsprangen. Stück für Stück wurde in der Vorwoche sichtbar,
wie hilflos die EU zuschauen muss, wie der Traum vom Euroland immer
schwerer realisierbar wird, vielleicht sogar gar nicht mehr realisierbar
ist. Die Komplexität der Probleme stellen Berichte in den Medien immer
wieder dar: Unzählige Hilfstöpfe mit zig-Milliarden Euros ausgestattet
reichen nicht, um die Probleme der überschuldeten Club-Med Länder zu
lösen. Die vermeintlich soliden Staaten wie Deutschland sind längst
ebenfalls über die Maastricht-Kriterien hinausgeschossen. Der politische
Einigungsprozess in diesem Hilfschaos ist nicht definiert und schon gar
nicht demokratisch legitimiert.

Auseinanderbrechen des Eurolandes nur eine Frage der Zeit und Ausgestaltung

In der aktuellen Form kann der Euro nicht
bestehen bleiben. Und so scheinen die Aktionen von Angela Merkel weniger
auf ein gewünschtes Ziel als vielmehr auf das derzeit Mögliche
ausgerichtet, was das Bild eines Durchwurschtelns erzeugt und letztlich
keine vernünftige Euro-Struktur hervorbringen kann.

Diese Erkenntnis schmerzt und hat den DAX unter 6.000 Punkte gedrückt.
Und wie immer, wenn es nicht mehr schlimmer kommen kann, reichen ein
paar Gerüchte, um einen Boden einzuziehen und Meldungen der Folgetage
werden sodann positiv interpretiert.

EZB Chef Mario Draghi widerstand (noch) der Versuchung, die Geldpolitik
seines Instituts weiter auszuweiten und richtete stattdessen harte Worte
an die Politik: Er werde nicht Europa stabilisieren während die Politik,
deren Aufgabe eigentlich entsprechende Strukturreformen seien, untätig
zuschaue.

Ich habe dieser Aussage entnommen, dass Draghi durchaus bereits ist, die
Finanzmärkte mit zusätzlicher Liquidität zu fluten, wenn die Politik ein
bisschen mehr Strukturreformen durchsetzt.

US-Notenbankchef Ben Bernanke spricht von einer Besserung der US-Wirtschaft

Hält sich aber gleichzeitig alle Möglichkeiten offen.
Alle Möglichkeiten? Nun, viele Pfeile hat die Fed nicht mehr im Köcher.

Und schließlich kam zum Wochenende das Gerücht auf, dass Spanien am
Wochenende endlich ein Hilfsgesuch an die EU richten werde und
Hilfsgelder aus dem EFSF zur Bankenrettung in Anspruch nehmen wolle.
Auch diese Meldung wurde von der Börse begrüßt, die Kurse stiegen am
späten Freitag wieder an.

In meinen Augen wird an der Börse täglich gefragt, ob Euroland "jetzt"
auseinanderfällt oder erst etwas später. Ich persönlich halte die Frage
nach dem "wie" es auseinanderfallen wird für wichtiger. Eine
Währungsreform ist kein Weltuntergang. Ich könnte mir gut vorstellen,
dass Angela Merkel weiter an dem Fiskalpakt arbeitet, weiter eine
wünschenswerte Struktur für den Euro anstrebt ohne dabei auf Länder wie
Griechenland oder Spanien Rücksicht zu nehmen. Und die Länder die
spuren, die werden mitgenommen, im Fall von Spanien oder Griechenland
sogar mit ordentlichen Hilfen.

Wird Euroland also in fünf Jahren vielleicht nur noch zwölf Länder
enthalten? Oder steht Deutschland in fünf Jahren alleine da?

Eine solche Entwicklung wird uns noch einige Börsenturbulenzen
bescheren. Schauen wir einmal, wie sich die Börse diese Woche entwickelt
hat.

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche
entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES                      8.6.12     Woche Δ 
Dow Jones                  12.554      1,3%
DAX                             6.131         -2,1%
Nikkei                          8.459          0,2%
Euro/US-Dollar              1,25         1,3%
Euro/Yen                      99,42         2,6%
10-Jahres-US-Anleihe   1,64%      0,06 
Umlaufrendite Dt           1,01%     -0,03 
Feinunze Gold              $1.594      2,3%
Fass Brent Öl                $99,91     -1,4%
Kupfer                             7.298     -1,9%
Baltic Dry Shipping           877     -5,0% 

VALENCIA KONSUMIERT

Aufgrund einer privaten Angelegenheit war ich diese Woche ungeplant in
Valencia. Eine schöne Stadt am Mittelmeer mit einem riesigen Kultur-und
Wissenschaftszentrum, das erst vor fünf Jahren fertig gestellt wurde.
Wenn Sie durch dieses architektonische Meisterwerk schlendern, kommt
beim deutschen Steuerzahler der Neid auf: ein Vergnügungszentrum vom
Feinsten, das Millionen verschlungen hat. Millionen, die in Konsumtempel
gesteckt wurden, nicht in den Ausbau der Wirtschaft.

Es mag eine sehr einseitige Sichtweise sein, doch in der aktuellen
Situation, wo Deutschland von aller Welt aufgefordert wird, Hilfsgelder
locker zu machen, hat diese Anlage einen bitteren Beigeschmack bei mir
hinterlassen. Es geht uns nicht schlecht in Deutschland, aber auch wir
haben dramatische Probleme. In Teilen Deutschlands bricht die
Infrastruktur zusammen, weil Instandhaltungsbudgets zu stark gekürzt
wurden. Wesentliche Leistungsträger der Gesellschaft arbeiten für einen
- in meinen Augen - Hungerlohn, weil an allen Ecken Gelder fehlen und
zwar weil wir strukturelle Probleme haben.

Auswüchse der Dekadenz wie solche Bauten in Valencia gibt es selten, die
Hamburger Elbphilharmonie ist da ein kleines Häuschen gegen das Kultur-
und Wissenschaftszentrum von Valencia.

Ein Spanier erzählte mir, in seiner kleinen Firma habe man im
vergangenen Monat erstmals einen Umsatzrückgang erlebt. Das Management
sei froh darüber, denn nun könne man Leute entlassen und Gehälter neu
verhandeln. In Spanien muss also das Geschäft erst den Bach runter gehen
bevor das Management die Erlaubnis hat, mit Personalentscheidungen auf
Konjunkturschwankungen zu reagieren. Ein vorausschauendes Wirtschaften
ist dort also gesetzlich ausgeschlossen. Firmen können erst reagieren,
wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Auf der anderen Seite sind die Menschen dort sehr fleißig und gut
ausgebildet. Doch die Ausbildung lässt die Globalisierung außer acht,
ich kam mit meinem portugiesischen Spanisch besser durch als mit
Englisch.

Von den Bauruinen, die sich über das Land erstrecken, brauche ich Ihnen
nichts mehr zu erzählen. Das haben Sie sicherlich zur Genüge in den
Medien aufgetischt bekommen.

In Valencia ist die Erkenntnis vorhanden, grundlegende Strukturreformen
anzugehen. Das macht Mut. Wenn Spanien an diesem Wochenende unter den
Hilfsfonds schlüpft wird man die Machbarkeit ausrechnen - das ist
vielleicht noch gegeben - und dann den Blick auf ein anderes Land
wenden. Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten
entwickelt:

SENTIMENTDATEN

Analysten

Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

Kaufen / Verkaufen
18.05.- 25.05. (107): 53% / 7%
25.05.- 01.06. (139): 51% / 13%
01.06.- 08.06. (163): 42% / 20%

Kaufempfehlungen der Analysten
Bayer, Axel Springer, Deutsche Bank

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Generali, RWE, AGF Mgmnt

Privatanleger
21. KW: 62% Bullen (177 Stimmen)
22. KW: 52% Bullen (152 Stimmen)
23. KW: 46% Bullen (169 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Daimler, Pagesjaunes, Citigroup

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Bankia, Credit Agricole, Banco Popolare

Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel 

Der Optimismus sowohl bei Analysten als auch bei Privatanlegern ist in
dieser Woche geradezu eingebrochen. "Resignation" würde ich sagen, denn
insbesondere bei den Analysten ist die Pessimistenquote mit 20% so hoch
wie nie zuvor. Die Erholung an den Börsen in dieser Woche ist da eine
fast schon logische Konsequenz der ausgeuferten Weltuntergangsstimmung.

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen
und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede
Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen
ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel
des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Unternehmen         Analyse v.    Kurs    Kursziel  Upside 
Süss Microtec        5.6                7,09 €   16,00 €  125,67%
Elmos Semi            6.6                6,94 €   13,50 €   94,52%
Evotec                     5.6               2,05 €    3,80 €   85,37%
Dt. Lufthansa          8.6               8,25 €   15,00 €   81,82%
SAP AG                   6.6              45,66 €   80,00 €   75,21%
ThyssenKrupp        8.6             12,08 €   21,00 €   73,84%
ADIDAS AG             8.6             46,80 €   80,00 €   70,94%
TUI AG                     8.6               4,17 €    7,00 €   67,87%
BMW                        5.6             59,13 €   95,00 €   60,66%
Volkswagen VZ       8.6           122,08 €  192,00 €   57,27%
  

Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese
Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein
Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb
Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die
Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen
Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten
auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die
Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu
beurteilen.

Industrie- und Technologieunternehmen werden hier mit den höchsten
Kurszielen bedacht. Doch wieder einmal ist es nicht die Aussicht auf
Erfolg, die das Kursziel in die Höhe schnellen lässt, sondern vielmehr
der erodierende Aktienkurs, der es Analysten schwer macht, die Kursziele
schnell genug nach unten zu korrigieren. In meinen Augen ist also
weiterhin Vorsicht bei diesen Empfehlungen angeraten.

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