FTSE 100 - Britische Blue Chips

Veröffentlicht am 10.08.2009

Großbritanniens Leitindex ist der FTSE 100, umgangssprachlich auch „Footsie“ genannt. Die nach ihrer Marktkapitalisierung größten britischen Unternehmen der Londoner Börse sind in diesem Index enthalten. Damit stellt der seit 1984 existierende Standardwerteindex einen wichtigen Indikator für die britische Wirtschaftslage dar.


Berechnet wird das britische Börsenbarometer von der FTSE Group, einem Finanzdienstleister und Indexanbieter. Das Unternehmen entstand durch ein Joint Venture der Londoner Börse und der renommierten Wirtschaftszeitung Financial Times. Daher leitet sich auch der Name des Index ab: FT ist die Abkürzung für Financial Times, während SE für Stock Exchange, also Börse, steht. Die FTSE Group bietet zwar eigenen Angaben zufolge über 120.000 Indizes an, der Footsie ist allerdings der bekannteste und wird von vielen Emittenten als Basis für Investmentprodukte wie Fonds, Derivate und ETFs genutzt. Nach Angaben des Indexanbieters repräsentiert der Footsie über 88% der britischen Marktkapitalisierung. In das als Kursindex berechnete Börsenbarometer fließen die Aktienkurse der enthaltenen Werte ein, bereinigt um Sonderzahlungen oder Erträge aus Bezugsrechten. Dividendenzahlungen werden nicht berücksichtigt.


Aufnahme ist detailliert geregelt

Es können nur Werte in den Index aufgenommen werden, die an der London Stock Exchange notiert sind. Außerdem muss das Unternehmen seinen Hauptsitz in Großbritannien haben. Weitere Kriterien für eine Aufnahme in den FTSE 100 sind Marktkapitalisierung und Handelsumsatz. Für die Gewichtung innerhalb des Index ist ebenfalls die Marktkapitalisierung entscheidend. Es existiert keine Limitierung von Einzelwerten. Vierteljährlich wird die Zusammensetzung des FTSE 100 überprüft, und zwar jeweils im März, Juni, September und Dezember. Ein Komitee, das aus führenden Finanzmarktexperten besteht, überwacht die Einhaltung der Indexregeln. Neben dem FTSE 100 berechnet der Indexanbieter FTSE Group unter anderem auch noch den FTSE 250. Unternehmen aus diesem Index können in den FTSE 100 aufsteigen, wenn sie nach ihrer Marktkapitalisierung zu den größten 90 Unternehmen des FTSE zählen.


Auf und Ab der Wirtschaft

Großbritanniens Wirtschaft hat einige Höhen und Tiefen erlebt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Vereinigte Königreich dank der Industriellen Revolution zu einer internationalen Wirtschafts- und Handelsmacht, wobei ihm nicht zuletzt auch die Tatsache zugute kam, dass man über zahlreiche Kolonien herrschte. Vor allem die Schwerindustrie boomte, insbesondere der Schiffbau, die Stahlherstellung und der Kohlebergbau. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnten jedoch die USA gegenüber Großbritannien aufholen und sich schließlich als stärkste Wirtschaftsmacht etablieren. Im 20. Jahrhundert hinterließen die beiden Weltkriege Spuren, das British Empire begann zu bröckeln, und darüber hinaus erlebte die Schwerindustrie einen allmählichen Niedergang. In der Folge musste die Wirtschaft einen Wandel mit neuem Schwerpunkt hin zu Dienstleistungen durchmachen. In den letzten Jahren lag der Fokus auf Deregulierung und Privatisierung von einstigen Staatsbeteiligungen, zudem wurden Einschnitte in Sozial- und Wohlfahrtsprogrammen vorgenommen.


Durch Finanzkrise angeschlagen

Der Dienstleistungssektor, der von Banken und Finanzdienstleistungen dominiert wird, trägt über 76% zur BIP-Entstehung bei. London ist Sitz zahlreicher großer Banken und ein international etabliertes Finanzzentrum, auch die London Stock Exchange spielt weltweit eine wichtige Rolle. Die Spuren der Industrialisierung sind bis heute sichtbar, beispielsweise in Form einer bedeutenden Automobilindustrie sowie großen Luftfahrt- und Rüstungskonzernen. Außerdem stammen internationale Player der chemischen und pharmazeutischen Industrie aus Großbritannien. Zudem verfügt Großbritannien über große Vorkommen an Erdöl, Erdgas und Kohle. Der Anteil des Energiesektors am BIP liegt bei etwa 4%. Allerdings schwinden vor allem die Ressourcen an Öl und Gas derzeit. Die Immobilien- und Finanzkrise hat Großbritannien schwer in Mitleidenschaft gezogen und das Land in der zweiten Jahreshälfte 2008 in eine Rezession gestürzt. Banken wurden teilverstaatlicht, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Ferner versuchte die Regierung, mit Steuersenkungen und steigenden staatlichen Investitionen die Wirtschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren, während die Bank of England mit Zinssenkungen reagierte.


Abbild der Wirtschaft

Der FTSE 100 liefert in seiner Zusammensetzung ein Abbild der britischen Wirtschaft. Öl- und Gaskonzerne machten zuletzt fast 24% des Index aus. Royal Dutch Shell sowie BP sind gewichtige Vertreter aus diesem Bereich. Der Ölmulti BP gehört zu den drei größten Energiekonzernen der Welt. Wegen der gesunkenen Ölpreise ging allerdings zuletzt auch der Gewinn von BP zurück. Im zweiten Quartal erzielte das Unternehmen einen Gewinn zu Wiederbeschaffungskosten in Höhe von 3,14 Mrd. US-Dollar, was gegenüber dem Vorjahr einem Rückgang von 53% entspricht. Die Produktion stieg jedoch wegen neuer Projekte um über 4% auf 4 Mio. Barrel pro Tag. Zudem war BP erfolgreich beim Einsparen von Kosten: In der ersten Hälfte des Jahres drückte das Unternehmen die Kosten um 2 Mrd. US-Dollar. Finanzkonzerne und Finanzdienstleister stellen mit über 16% Index-Anteil den zweitgrößten Sektor im FTSE 100. Hierzu zählen zum Beispiel Banken, Kreditinstitute, Versicherungen und Immobiliengesellschaften. HSBC ist zum Beispiel einer der größten Repräsentanten dieses Bereichs im FTSE. Konsumgüter belegen bei der Gewichtung im FTSE den dritten Rang mit rund 12,7%. Einige der weltweit bedeutendsten Lebensmittel- und Getränkehersteller stammen aus Großbritannien, so zum Beispiel Diageo, ein Spezialist für alkoholische Getränke, zu dem Marken wie Guinness, Baileys oder Johnny Walker gehören. Unilever und Reckitt Benckiser stellen Nahrungsmittel, Putzmittel und Kosmetik- bzw. Körperpflegeprodukte her. Sie alle sind Mitglieder im FTSE 100-Index. Der bedeutende Pharma- und Gesundheitssektor bringt es auf einen Indexanteil von über 10%. GlaxoSmithKline und Astrazeneca sind große, international tätige Unternehmen, die diesen Bereich im Index repräsentieren und auch zu den größten Einzelwerten im Index gehören. Darüber hinaus sind Unternehmen aus den Sektoren Industrie, Grundstoffe, Versorger, Telekommunikation, Technologie und Verbraucherdienstleistungen vertreten. Übrigens enthält der Index Aktien von 100 Unternehmen, allerdings sind insgesamt 102 Titel notiert, da von Royal Dutch Shell und dem Finanzdienstleister Schroder zwei verschiedene Aktiengattungen berücksichtigt werden.


Fazit:

Die Finanzkrise ging an dem britischen Standardwerte-Index FTSE 100 nicht spurlos vorbei. Stand der Index im Juni 2007 noch bei über 6.700 Zählern, fiel er Anfang März 2009 auf einen neuen Tiefstand von 3.512,09 Punkten, von dem aus es dann aber wieder bergauf ging. Anfang Juli erlitt der Index einen kleinen Schwächeanfall, konnte sich seither aber deutlich erholen. Neben klassischen ETFs auf den FTSE 100 sind auch Short-ETFs auf dem Markt. Mit diesen können Investoren, die nicht von einem nachhaltigen Aufwärtstrend des Index überzeugt sind, von einer negativen Performance profitieren.

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